Wachsender Strombedarf Nachhaltige Rechenzentren - geht das?
3000 größere Rechenzentren gibt es in Deutschland. Die müssen immer mehr Leistung erbringen - doch wie passt das zu den Klimazielen? Manche deutsche Unternehmen gehen erste Schritte.
Deutschlands Rechenzentren sind am Anschlag: Industrie 4.0, Videostreaming und Homeoffice verursachen immer größere Datenmengen, auch wegen der Zwangsdigitalisierung durch die Pandemie. "Wir sehen sogar: Gehen die Inzidenzen hoch, steigt auch der Datenverkehr", sagt Jürgen Beyer, Geschäftsführer von Pfalzkom. Das Unternehmen betreibt drei Rechenzentren und Tausende Kilometer Glasfaserkabel, vor allem im Rhein-Neckar-Raum. Das Datenaufkommen in den Pfalzkom-Netzen habe sich seit Corona verdoppelt, sagt Beyer. Damit steigen auch die Anforderungen an deutsche Rechenzentren.
Mehr Strombedarf als die Stadt Berlin
"Der Bedarf an Rechenleistung in den Zentren hat sich seit 2010 verzehnfacht", sagt Forscher Ralph Hintemann vom Borderstep-Institut für Innovation und Nachhaltigkeit in Berlin. Zwar sei die eingesetzte IT-Technik deutlich effizienter geworden - der wachsende Bedarf an Rechenleistung führe aber insgesamt zu einem deutlich höheren Energiebedarf. Der sei inzwischen 60 Prozent größer als noch 2010.
"Der wesentliche Faktor ist der Stromverbrauch, vor allem für die Server und die Kühlungssysteme", sagt Hintemann. 16 Milliarden Kilowattstunden haben deutsche Rechenzentren im Jahr 2020 verbraucht, wie der Branchenverband Bitkom mitteilt. Das ist deutlich mehr als der Stromverbrauch der Stadt Berlin im gleichen Jahr. Nicht zuletzt würden dadurch Klimaziele gefährdet, sagt Forscher Hintemann.
Ampel mit ehrgeizigem Ziel
Diese Problematik hat auch die Politik erkannt. Neu installierte Rechenzentren sollen bis 2027 klimaneutral betrieben werden, heißt es im Koalitionsvertrag der Ampelregierung. Die Europäische Kommission hatte dieses Ziel für alle Rechenzentren schon vorher ausgegeben, allerdings bis zum Jahr 2030.
Experte Hintemann sieht hier noch offene Fragen: Ab wie vielen Servern gilt ein Rechenzentrum überhaupt als Rechenzentrum? Was genau ist mit klimaneutralem Betrieb gemeint? Und: Wie genau will die EU bei Verstößen in den Markt eingreifen? Hintemann spricht sich dafür aus, dass die offenen Fragen zügig geklärt und weitere Maßnahmen, etwa in EU-Richtlinien, beschlossen werden.
Erneuerbare Energien sind der Schlüssel
Bei Pfalzkom sei man jedenfalls vorbereitet, sagt Uwe Burre. Er ist neben Beyer der zweite Geschäftsführer des Unternehmens. Vergangenes Jahr hat es sich einer Initiative angeschlossen, die per Selbstverpflichtung das EU-Ziel von Klimaneutralität bis 2030 erreichen will - zum Beispiel, indem die Rechenzentren mit Strom aus regenerativer Energie betrieben werden.
Das ist bei Pfalzkom bereits seit sechs Jahren der Fall, wie Burre erzählt. Pfalzkom profitiere hier vom Mutterkonzern, einem Energieversorger, der zertifizierten Ökostrom einkaufe. Der stamme vor allem aus Wasserkraftwerken. "Doch wenn in Zukunft alle Rechenzentren Ökostrom kaufen, dann wird der auch mal knapp", sagt Burre. Heißt: Für nachhaltige Rechenzentren bis 2030 braucht es auch den Ausbau klimafreundlicher Energiequellen.
Das Problem der Abwärme
Doch das allein reicht nicht aus, um umweltfreundlich zu werden. Häufig diskutiert wird außerdem die verbindliche Nutzung der Abwärme, die durch die aufwändige Kühlung der IT-Systeme in den Zentren entsteht. "Die Abwärme der Rechenzentren kann insbesondere in städtischen Ballungszentren für die Fernwärmeversorgung von Privatwohnungen und Geschäftsgebäuden genutzt werden", sagt Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder. Dafür müssten jedoch Niedrigwärme-Netze ausgebaut werden.
Bei Pfalzkom geht man einen etwas anderen Weg: "Wir sind im Gespräch mit einem Schwimmbad und einem Entsorgungsunternehmen in der Nähe, um dort die Wärme nutzen zu können", sagt Geschäftsführer Burre. Insgesamt hat die Branche noch Nachholbedarf: Laut Bitkom setzen bislang weniger als die Hälfte der Rechenzentren ihre Abwärme ein.
Überarbeitung der Kennwerte notwendig
Eine weitere Stellschraube ist die Auslastung und Effizienz der eingesetzten Server. Der bislang gängigste Kennwert für Nachhaltigkeit bei Rechenzentren erfasse diese Punkte gar nicht, sagt Forscher Hintemann. Dieser sogenannte PUE-Wert setzt die insgesamt in einem Rechenzentrum eingesetzte Energie ins Verhältnis zum Verbrauch der IT. Geht viel Energie anderweitig verloren, ist der Wert schlecht. Ob die Server effizient arbeiten, wird hierbei jedoch nicht berücksichtigt. "Man muss sich also noch viele Gedanken machen, wie wir Nachhaltigkeit besser definieren können", sagt Ralph Hintemann.
Co-Geschäftsführer Beyer von Pfalzkom kann sich wiederum vorstellen, dass es in wenigen Jahren ein Nachhaltigkeitszertifikat für Rechenzentren, etwa auf europäischer Ebene, geben wird. "Bald wird man an keiner Ausschreibung mehr teilnehmen können, wenn man vorgegebene Kriterien nicht erfüllt." Spätestens dann dürfte das Thema Nachhaltigkeit - wie genau man es auch definiert - in der gesamten Branche angekommen sein.