EZB-Präsidenten Christine Lagarde in Athen
analyse

Kampf gegen die Inflation Was die Zinspause der EZB bedeutet

Stand: 26.10.2023 19:40 Uhr

Zehn Mal erhöhte die EZB die Zinsen auf inzwischen 4,5 Prozent, nun treten die Währungshüter auf die Bremse. Auf den weiteren Kurs wollte sich der Zentralbankrat bei seiner Sitzung in Athen nicht festlegen.

Seit fast zehn Jahren ist Yannis Stournaras Präsident der griechischen Nationalbank, davor war er einige Jahre Finanzminister des Landes. Der gelernte Ökonom und langjährige Professor an der Athener Universität hat alles miterlebt: Schuldenkrise, Eurokrise, Beinahe-Austritt aus dem Euroraum. Mit Stolz empfing der heute 66-Jährige deshalb die Mitglieder des EZB-Rates zu ihrer jährlichen auswärtigen Sitzung in seiner Heimatstadt.

Denn Griechenland hat die Krise hinter sich gelassen, die Wirtschaft läuft rund und die Inflationsrate ist beneidenswert niedrig: Sie beträgt nur 2,4 Prozent, wenngleich auch für die griechische Bevölkerung alles viel teurer geworden.

In diese Richtung, genauer gesagt auf zwei Prozent, will auch der EZB-Rat die Inflation im gesamten Euroraum wieder zurückführen. Und weil er glaubt, dass man auf gutem Wege ist, entschloss das Gremium heute, erst einmal eine Zinspause einzulegen und den Effekt der bereits hohen Zinsen weiter wirken zu lassen.

Einstimmige Entscheidung

"Man kann sehen, dass die bisherigen Maßnahmen sehr erfolgreich sind", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der anschließenden Pressekonferenz im Gebäude der griechischen Nationalbank. Deshalb sei der EZB-Rat zuversichtlich, dass die Inflationsrate mit dem gegenwärtigen Zinsniveau weiter zurückgehe. Gegenüber ihrem Höchststand im Herbst vergangenen Jahres hat sie sich bereits mehr als halbiert und beträgt jetzt 4,3 Prozent im Euroraum.

Einstimmig sei die Entscheidung gewesen, betonte die EZB-Präsidentin, und wischte kritische Nachfragen beiseite. Denn auf der vergangenen Sitzung im September war es keineswegs so harmonisch zugegangen, auch wenn sich am Ende alle zusammengerauft haben. Das kann man jedenfalls aus den jetzt veröffentlichten Protokollen herauslesen.

Sorgen um die Konjunktur

Doch nicht nur die Hoffnung auf die weitere Wirkung ihrer bisherigen Geldpolitik ließ die EZB heute auf die Zins-Bremse treten. Auch Sorgen um die sich eintrübende Konjunktur spielten eine entscheidende Rolle. Denn das hohe Zinsniveau führt dazu, dass Unternehmen immer weniger investieren, weil die Kosten für Kredite zu hoch sind. Verbraucherinnen und Verbraucher halten sich beim Einkaufen zurück, denn auch Konsumentenkredite sind richtig teuer geworden.

Am schlimmsten hat es aber die Bauindustrie getroffen. Die hohen Zinsen haben dort viele Projekte zunichte gemacht, manche Firma ist schon pleite und viele Haus- und Wohnungseigentümer haben immer mehr Schwierigkeiten, die deutlich gestiegene Finanzierung zu meistern.

An den Finanzmärkten war die Zinspause der EZB erwartet worden. Hier spekuliert man schon seit Längerem, dass damit auch der Zins-Zyklus seinen Höhepunkt erreicht hat und die EZB im kommenden Jahr die Zinsen bereits wieder senken könnte.

Doch all das wollte die EZB-Chefin heute nicht bestätigen. Eine baldige Zinssenkung schloss Lagarde kategorisch aus. Was auf der nächsten Sitzung im Dezember passiere, sei völlig offen und hänge von den dann eintreffenden neuen Daten der eigenen Volkswirte ab.

Thema Inflation nicht abgehakt

Vieles deutet also darauf hin, dass die EZB das Zinsniveau in nächster Zeit erst einmal beibehält, sollte die Inflation nicht wieder kräftig anziehen. Auszuschließen ist das aber nicht, denn gerade bei Lebensmitteln und Energiepreisen sind Prognosen derzeit kaum verlässlich. Die Lebensmittelpreise sind weiter überproportional hoch, schlechte Ernten in vielen Bereichen könnten sie weiter antreiben. Der Krieg in Nahost hat bereits die Ölpreise hochgetrieben. Weitere Preiserhöhungen an der Tankstelle und beim Heizöl sind wahrscheinlich.

Das Thema Inflation ist also noch nicht abgehakt. Die rund 347 Millionen Bürgerinnen und Bürger des Währungsraums müssen sich weiter gedulden, bis die Teuerung wieder ein erträgliches Niveau annimmt. Man werde aber alles tun, das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen, versprach Lagarde erneut und wiederholte ihren seit Wochen immer wieder zitierten Satz: "Die Inflation ist schon viel zu lange viel zu hoch."

Klaus-Rainer Jackisch, HR, zzt. Athen, tagesschau, 26.10.2023 16:47 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 26. Oktober 2023 um 18:00 Uhr.