Ein Mann packt alle Dinge auf seinem Schreibtisch in einen Karton.

"Hire and fire" Kommt die US-Leistungskultur nach Deutschland?

Stand: 11.02.2025 10:19 Uhr

Microsoft und Meta wollen "leistungsschwache" Mitarbeitende rigoros entlassen. Auch Konzerne wie SAP setzen auf Leistungskontrolle. Kommt die amerikanische "Hire & Fire"-Mentalität nach Deutschland?

Er wolle "leistungsschwache Mitarbeiter" schneller aussortieren, kündigte Meta-Chef Mark Zuckerberg vor einigen Wochen an. Rund fünf Prozent der Mitarbeitenden beim IT-Riesen Meta sollen betroffen sein, insgesamt 3.600 Arbeitsplätze.

Die Ankündigung sorgte für Furore, passt aber ins aktuelle gesellschaftliche Klima in den USA: Kurz zuvor hatte Zuckerberg schon kundgetan, auf seinen Plattformen die Faktenchecks zurückzufahren. Beide Vorhaben dürften gut in die Agenda von US-Präsident Trump passen. Schließlich hat auch Trump sich der "Effizienzsteigerung" seiner Behörden verschrieben - Tausende US-Bundesangestellte zittern gerade um ihren Job oder haben ihn schon verloren.

Ein anderer Softwareriese macht es ähnlich: Bei Microsoft sollen die "Low Performer" demnächst ebenfalls gehen müssen. Hier geht es wohl um mehr als 2.000 Beschäftigte.

Auch deutsche Unternehmen fordern mehr Leistung

Auch in Deutschland werden Stimmen lauter, die mehr Effizienz und Leistung fordern. SAP-Chef Christian Klein wird dieser Tage nicht müde, diese auf jedem öffentlichen Termin von seiner Belegschaft einzufordern.

Dazu passt auch, dass sein Unternehmen aus dem badischen Walldorf Mitarbeitende künftig in drei Leistungsklassen einteilen will: "Performer", also Leistungsbringer, sollen in Zukunft an Bonuszahlungen beteiligt werden. "Achiever" sind der Mittelbau, sie machen wohl den Großteil der Mitarbeitenden aus. Und dann soll es noch die "Improver" geben, die Verbesserungsbedürftigen. Sie sollen verpflichtende Coachings bekommen.

"Feedback und Zielvorgaben" bei SAP

"In unserer dynamischen Branche ist entscheidend, die Kompetenzen von Mitarbeitenden kontinuierlich zu erweitern. Dies dient sowohl der persönlichen als auch beruflichen Weiterentwicklung", teilt das Unternehmen auf tagesschau.de-Anfrage mit.

Um das Ziel zu erreichen, setze man auf regelmäßiges Feedback und klare Zielvorgaben. Womöglich schon im aktuellen Quartal soll die Regelung umgesetzt werden, noch verhandelt das Unternehmen mit den Sozialpartnern über die Ausgestaltung.

Betriebsrat kritisiert Pläne bei SAP

Von leichteren Entlassungen ist bei SAP explizit keine Rede. Trotzdem stößt das Vorhaben beim SAP-Betriebsrat auf Kritik. "Der eine, der mehr bekommen soll, muss es dem anderen wegnehmen. Das führt zu einer Ellbogengesellschaft", sagt Andreas Hahn, ver.di-Vertreter und Vorsitzender des Betriebsrats der SAP SE Europe.

Eine Ellbogengesellschaft widerspreche aber komplett dem Gedanken "One Team". Früher habe SAP nach vorne geschaut und mit den Mitarbeitenden Potenziale besprochen, nun schaue man zurück und spreche über Leistung. Das sei ein Rückschritt.

Deutsches Arbeitsrecht bietet Schutz

Andere gehen aber noch weiter. "Unproduktive Mitarbeiter müssen gekündigt werden können, um die Produktivität des Unternehmens nicht zu gefährden", hat etwa Magdalena Oehl, Gründerin und stellvertretende Vorsitzende des deutschen Start-up-Verbands, in einem Interview mit der Zeitung Die Welt zu Protokoll gegeben - nur zwei Tage nach der Zuckerberg-Ankündigung. Auf Nachfrage von tagesschau.de will sie sich aber nicht mehr zum Thema äußern.

Sind solche Forderungen rechtlich überhaupt möglich? Der deutsche Kündigungsschutz verhindere US-amerikanische Verhältnisse, versichert der Stuttgarter Arbeitsrechtler Stefan Nägele. "Hier kann man sich nicht als Arbeitgeber hinstellen sagen, das ist der Schlechteste in der Truppe, den schmeiße ich jetzt raus", sagt er.

Vielmehr müsse ein Arbeitgeber vorher prüfen, warum jemand "Low Performer" ist. "Liegt es an seiner körperlichen Konstitution? Liegt es in seinem Arbeitsplatz? Kann ich irgendetwas tun, um ihn zu besserer Leistung anzuhalten?"

Wer ist überhaupt "Low Performer"?

Außerdem sei die Definition des "Low Performers" an sich schwierig. Nägele erklärt es an einem Beispiel: "Nehmen wir an, zehn Mitarbeiter müssen die hundert Meter in zehn Sekunden laufen. Wir haben neun, die das in 9,5 Sekunden schaffen, und einer in 9,9 Sekunden", skizziert Nägele. Der mit 9,9 Sekunden habe das Arbeitsziel wie die anderen erreicht, aber eben am langsamsten. "Ist das dann ein ‚Low Performer‘?"

In die gleiche Kerbe schlägt SAP-Betriebsrat Hahn: Der Softwarekonzern sei seit Jahren stolz darauf, ein "High Performance"-Unternehmen zu sein, übertreffe seit Jahren die selbstgesteckten Ziele. "Wie kann dann überhaupt jemand 'Low Performer' sein?", fragt Hahn.

Der Leistungsdruck in Unternehmen wird wohl dennoch weiter steigen, vor allem, wenn Deutschland noch länger in der Rezession feststecken sollte. Noch bewahrt der deutsche Kündigungsschutz Beschäftigte allerdings vor allzu amerikanischen Verhältnissen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD Mittagsmagazin am 07. Februar 2025 um 13:00 Uhr.