Marode Staatsfinanzen in Irland Mit "masochistischem" Sparkurs aus der Krise
Die Iren hat die Finanzkrise schwer getroffen, die Neuverschuldung kletterte auf zwölf Prozent des Bruttoinlandprodukts. Doch anstatt mit öffentlichen Geldern die Wirtschaft anzukurbeln und auf finanzielle Hilfen zu hoffen, entschlossen sich die Iren zu einem radikalen Sparkurs.
Von Barbara Wesel, RBB-Hörfunkstudio London
Die Iren müssen es als Beleidigung empfinden, mit zur Gruppe der PIGS zu gehören. Die PIGS, das sind Portugal, Irland, Griechenland und Spanien. Es ist die Gruppe der fiskalischen Ferkel sozusagen. Sie sind die, die die Solidität der Eurozone auf die Probe stellen.
Die Iren haben schließlich schnell und entschlossen gehandelt, um sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Kaum hatte der Zusammenbruch der Finanzmärkte die vormals boomende irische Wirtschaft mit in seinen Strudel gerissen, griff die Regierung in Dublin auch schon zu drastischen Gegenmaßnahmen. Anders als nach der gängigen Lehre bei den großen Nachbarn Großbritannien, Deutschland und Frankreich, versuchte man sich nicht durch Ausgabenprogramme aus der Rezession zu befreien. Stattdessen ging es an den öffentlichen Haushalt.
Maßnahmen zwischen "beachtlich" und "masochistisch"
Etwas anderes war auch kaum möglich: Durch die Bankenrettung schoss die Neuverschuldung auf rund zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Rund 77 Milliarden Euro faule Kredite sind inzwischen in einer Bad Bank gelagert. Eigenes Geld drucken, so wie die Briten, können die Iren nicht mehr, seit sie den Euro haben.
Runter mit den Kosten - das war die Antwort der Regierung von Brian Cowen. So senkte sie zu Beginn des vergangenen Jahres bereits der Kosten im öffentlichen Haushalt um fünf Prozent. Im Dezember folgten noch einmal Pläne für weitere Kürzungen in Höhe von 15 Prozent. Die Europäische Zentralbank nannte die Sparmaßnahmen beachtlich, der irische Finanzminister Brian Lenihan masochistisch.
Noch hält der soziale Friede
Was Lenihan seinen Bürgern zumutet, ist wirklich dramatisch: minus zehn Prozent beim Kindergeld, minus vier Prozent bei der Arbeitslosenhilfe, minus 15 Prozent bei den Bediensteten im öffentlichen Dienst. Polizisten klagen mittlerweile, dass sie im Monat über 200 Euro weniger in der Tasche haben, bei den Lehrern wirken sich die Kürzungen noch härter aus. Ann English hat am Monatsende rund 400 Euro weniger auf dem Konto. "Ich bin total wütend! Ich fühle mich schlecht gemacht", empört sie sich.
Die Regierung hatte den öffentlichen Dienst als überbezahlt und zu wenig effektiv bezeichnet und so die harten Schnitte gerechtfertigt. Bisher gab es nur eine große Demonstration gegen diese Radikalkur. Der soziale Friede hält bislang. Allerdings steht er auf der Kippe, wie Gewerkschafts-Chef Jack O'Connor betont: "Es wäre nicht schwierig, hier eine große Konfrontation auszulösen. Bisher gibt es noch die Möglichkeit zur Einigung, aber sie schwindet immer schneller."
Bisher gab es nur eine Demonstration gegen Sparpolitik.
Wieder Auswanderungswellen?
Die Sozialpartnerschaft in Irland wird auf eine harte Probe gestellt. Inzwischen kündigte die Regierung auch Steuererhöhungen für Reiche an. Außerdem kürzte sie sich selbst die Bezüge, um mit gutem Beispiel voran zu gehen. Doch mit den Sparmaßnahmen würden vor allem die Ärmeren getroffen, sagt Fintan O'Toole von der "Irish Times": "Wir werden eine Rückkehr der Armut im Land sehen - und eine Rückkehr der Auswanderung. Die Regierung sagt, die Schnitte sind nötig, um das Vertrauen in die Wirtschaft wieder herzustellen." Aber Armut und Emigration hätten sicherlich kein gesteigertes Vertrauen in die Regierung zur Folge, meint O'Toole.
Und das ist das Problem: Die Regierung in Dublin hofft, dass die Finanzmärkte den brutalen Sparkurs honorieren werden und das Kredit-Rating des Landes nicht herunter setzen. Damit würde es nämlich noch teurer, die Schulden zu bedienen. Aber was sehen die bekanntermaßen gnadenlosen Finanzmärkte in Irland? Es ist ein kleines Land in einer tiefen Rezession. Das Ergebnis des Experiments ist offen.