Reaktionen auf S&P-Urteil Halb so schlimm oder ernste Gefahr für den EFSF?
Die Herabstufung von insgesamt neun Ländern durch die US-Ratingagentur Standard & Poor's ist ein weiterer Rückschlag für das von der Schuldenkrise geplagte Europa. Die Betroffenen reagieren mit Beschwichtigungen - und einige holen zum Gegenschlag aus und kritisieren die Ratingagentur.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Bedeutung der Abwertung mehrerer Euro-Länder durch die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) relativiert. "Ich betone, es ist eine von drei Ratingagenturen", sagte die CDU-Vorsitzende nach einer Vorstandsklausur ihrer Partei. Die Entscheidung habe nach entsprechenden Vorzeichen in den vergangenen Monaten "nicht vollkommen überrascht".
S&P hatte am Freitagabend Italien, Spanien, Portugal, die Slowakei, Slowenien, Malta und Zypern herabgestuft, Frankreich und Österreich verloren die Spitzennote "AAA". Europas Politiker hätten nicht genug getan, um die Schuldenkrise einzudämmen, begründete S&P die Herabstufungen.
Um die Bedeutung der Ratingagenturen zu begrenzen, schloss sich Merkel der Forderung von Unionsfraktionsvize Michael Meister an, die gesetzlichen Vorschriften zur Berücksichtigung solcher Ratings zu lockern. Derzeit drohe durch die strikten Vorschriften, wonach beispielsweise Versicherer nur bestens bewertete Staatsanleihen kaufen dürfen, ein "sich selbst verstärkender Effekt", sagte Merkel. Schlechter bewertete Papiere müssen demnach abgestoßen werden und verlieren so zusätzlich an Wert.
Nun müsse der dauerhafte Rettungsmechanismus ESM "so schnell wie nur irgend möglich" startklar sein. Der ESM wird im Gegensatz zum derzeitigen Rettungsfonds EFSF auch mit Bareinlagen bestückt und soll im Sommer einsatzbereit sein. Eine direkte Gefahr für die Fähigkeiten des bestehenden EFSF-Fonds sah Merkel durch die Ratingentscheidung aber nicht.
Folgen auch für Deutschland?
Deutschland behielt sein Spitzenrating von AAA, sogar mit einem stabilem Ausblick. Zur Begründung schrieb S&P: "Die Benotung spiegelt unsere Einschätzung von Deutschlands moderner, hoch diversifizierter und wettbewerbsfähiger Volkswirtschaft wider und die Erfolgsbilanz der Regierung mit Blick auf eine vernünftige Haushaltspolitik und Ausgabendisziplin."
FDP-Finanzexperte Frank Schäffler fürchtet dennoch direkte Konsequenzen für Berlin: Alleine die Herabstufung von Frankreich und Österreich führe dazu, "dass Deutschland nicht mehr rund 40 Prozent, sondern fast 75 Prozent zum Triple-A des Euro-Rettungsfonds EFSF beiträgt", sagte Schäffler der Online-Ausgabe des "Handelsblatts". "Das wird auf Dauer auch das deutsche Rating belasten", warnte der FDP-Politiker.
Die SPD forderte die Bundesregierung auf, ihre Steuersenkungspläne wegen der Abstufungen im Euro-Raum zu beerdigen. "Die Herabstufung ist ein nicht zu überhörender Warnschuss für Deutschland", sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann.
Kampf um das Rettungsfonds-Rating
Nach dem Willen der Euro-Staaten soll die Bestnote für den EFSF erhalten bleiben - trotz der Herabstufung. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker sagte, der EFSF "hat ausreichende Ressourcen zur Verfügung", um seine Verpflichtungen aus laufenden und möglichen zukünftigen Rettungsprogrammen zu erfüllen. Zugleich verwies Juncker darauf, dass das Aufspannen des dauerhaften Rettungsschirms ESM auf Juli vorgezogen und der ESM statt nur mit Garantien auch mit eigenem Kapital ausgestattet wird. "Deswegen wird er von den Ratingnoten seiner Mitglieder nicht so stark beeinträchtigt".
EU-Währungskommissar Olli Rehn kritisierte die Herabstufungen. Das sei "inkonsistent", sagte Rehn, denn es komme zu einer Zeit, in der die Länder "an allen Fronten entschlossen auf die Schuldenkrise reagieren".
Frankreich beklagt Zeitpunkt der Entscheidung
Die Betroffenen mühen sich hingegen um Schadensbegrenzung. Frankreich verfügt nach Angaben der Regierung über genügend finanzielle Reserven, um mögliche Zinsanstiege nach dem negativen Rating-Urteil aufzufangen. "Die von uns ergriffenen budgetären Maßnahmen sind im derzeitigen Stadium ausreichend", sagte Premierminister François Fillon. Der Regierungschef kritisierte vor allem den Zeitpunkt der Entscheidung vor dem Hintergrund der laufenden Bemühungen im Kampf gegen die Schuldenkrise als ungünstig. Die Ratingagenturen seien aber "nicht diejenigen, die in Frankreich die Politik machen". "Diese Entscheidung ist ein Alarmsignal, das nicht dramatisiert, aber auch nicht unterschätzt werden darf", sagte Fillon.
Die französische Opposition nutzte rund drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen das negative Rating-Urteil zu scharfen Attacken gegen Staatschef Nicolas Sarkozy. Der Präsidentschaftskandidat der Sozialistischen Partei (PS), François Hollande, warf der Regierung Scheitern vor. "Nicolas Sarkozy hat den Erhalt des Triple A zu einem Ziel seiner Politik und sogar zu einer Auflage für seine Regierung gemacht", sagte er. Es sei schlimm, dass Frankreich nun nicht mehr in einer Liga mit Deutschland spiele.
Unverständnis in Österreich
Österreichs Regierung kritisierte den Entzug der Bestnote durch Standard & Poor's. Bundeskanzler Werner Faymann und Außenminister Michael Spindelegger nannten es unverständlich, wenn sich eine von drei US-Ratingagenturen im Alleingang dazu entschließe, die Bonität von Ländern der Eurozone herabzusetzen oder den Ausblick negativ bewerte. Kanzler Faymann verwies auf intensive Gespräche über zusätzliche Haushaltskonsolidierung für die Jahre 2012 bis 2016.
Gefahr für den Rettungsfonds EFSF?
Die Konsequenzen insbesondere aus einer Herabstufung Frankreichs könnten weitreichend sein. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone nach Deutschland trägt entscheidend zum Gelingen des Euro-Rettungsfonds EFSF bei. Auch zu dessen Bonitätsnote, bisher "AAA", will S&P demnächst eine neue Bewertung veröffentlichen.
Fakt ist, dass durch die Aberkennung der Bestnote für Frankreich im EFSF ein großes Loch entsteht, denn allein der französische Anteil von rund 160 Milliarden Euro kann nun vermutlich nicht länger für die Ausgabe von AAA-Anleihen zur Finanzierung von Rettungsprogrammen für Pleitekandidaten genutzt werden. Ohne den Anteil aus Paris könnte die Kreditsumme auf unter 300 Milliarden Euro schmelzen. Andererseits würde der Verlust der Spitzenbewertung für die EFSF-Schuldscheine das Geldleihen für den Fonds verteuern.
S&P hatte im Dezember fast die gesamte Eurozone, darunter auch Deutschland, sowie den EFSF unter "verschärfte Beobachtung" gestellt. Eine Veröffentlichung neuer Ratings war deshalb für dieses Jahr erwartet worden. Demnächst wird mit Bewertungen der Ratingagenturen Moody's und Fitch gerechnet.
Im November hatte eine von S&P irrtümlich versendete Mitteilung über Frankreichs Herabstufung für Wirbel gesorgt.