Spanische Extremadura Ferienanlage droht die Abrissbirne
Seit 15 Jahren tobt ein Rechtsstreit um eine exklusive Wohnanlage in Spaniens Extremadura. Jetzt hat der Oberste Gerichtshof bestätigt: Die Siedlung wurde illegal in einem Naturschutzgebiet gebaut - deshalb muss sie weg.
Wer die Marina de Valdecañas besuchen will, muss erstmal an einem Wachhäuschen mit Schlagbaum vorbei. Dann kommen der Golfplatz, die hübschen Einfamilienhäuser, das Vier-Sterne-Hotel. Das gehobene Freizeit-Resort ist ein 140-Millionen-Projekt. Es wurde Mitte der Nullerjahre gebaut, als man sich in Spanien längst von den Betonburgen der 1970er- und 1980er-Jahre verabschiedet hatte. Ein paar ockerfarbene Würfel, die sich diskret auf 133 Hektar verteilen - das war's. Die Halbinsel liegt in einem großen Stausee, und von oben erkennt man kaum, dass sie bebaut ist. Aber sie liegt nun mal in einem Natur- und Vogelschutzgebiet, und deswegen muss sie abgerissen werden. Das hat Spaniens Oberster Gerichtshof entschieden - das vorläufig letzte Wort in einem zähen Justizmarathon.
"Hier war nichts"
An einem regnerischen Samstag laden die Eigentümer im Gesellschaftsraum des Hotels zur Krisensitzung. Die meisten sind gut situierte Madrilenen, die mehr als eine halbe Million Euro für ihre Wochenendhäuser bezahlt haben und nun die Welt nicht mehr verstehen. "Kafkaesk" findet einer die Situation; das Gericht müsse sich geirrt haben. Der Saal ist voll, auch Leute aus dem Umland sind gekommen, genauso fassungslos wie die Hausbesitzer.
Silvia Sarro geht ans Mikrofon, sie ist die Bürgermeisterin des Nachbardorfs El Gordo. "Ich bin hier aufgewachsen", sagt sie, "ich kenne diesen Ort seit Jahrzehnten. Hier war nichts, nur ein kleines Eukalyptuswäldchen, und daneben haben die Leute aus der Gegend ihren Müll abgeladen, das war's." Jetzt sei das Gelände viel schöner, sagt Sarro. Und außerdem hätten mehr als 200 Menschen hier Arbeit gefunden - auf dem Golfplatz, in den Gärten und im Hotel.
Investitionen dank Grundsteuer
200 Jobs - das ist eine Menge in der Extremadura, einer der wirtschaftsschwächsten Regionen Spaniens. Die Arbeitslosigkeit liegt hier bei fast 20 Prozent, jeder Dritte lebt an der Armutsgrenze. El Gordo, etwa zwei Autostunden südwestlich von Madrid, hatte mal fast 2000 Einwohner - jetzt sind es nur noch 400. "Die Leute aus Madrid haben uns gerettet", sagt Silvia Sarro.
Sie haben nicht nur Arbeitsplätze gebracht, sondern auch Grundsteuern. Hunderttausende Euro mehr für die Gemeindekasse, mit denen sie ein Altenheim, eine Kita und ein Schwimmbad gebaut haben. "Wenn sie die Marina de Valdecañas abreißen müssen, wäre das der Tod für unser Dorf. Alle reden immer davon, dass sie dem ländlichen Spanien helfen wollen. Und dann ist so ein angeblich schützenswertes Gelände wichtiger als die Menschen!"
"Der Abriss wäre der Tod für unser Dorf": El Gordos Bürgermeisterin Silvia Sarro im Gespräch mit Anwohnern.
Der Rechtsstreit hat Spuren hinterlassen
Noch steht das Idyll, aber die Spuren des jahrelangen Rechtsstreits sind nicht zu übersehen. Von einem geplanten zweiten Hotel stehen nur Teile des Rohbaus, und am Rand des Golfplatzes ragen nackte Stahlträger in den Himmel. Hier hätten noch mehr Häuser entstehen sollen. Mehr als 500 wollten die Projektentwickler ursprünglich bauen - fertig wurden nur 185. Denn schon vor dem letzten Urteil, dem Abriss-Urteil, gab es einen Baustopp. Mit dem hatten sich die Investoren abgefunden im Glauben, dass damit wenigstens stehenbleiben dürfe, was schon da war.
Dass jetzt alles bis auf den letzten Stein zurückgebaut werden muss, ist für sie ein Schock. Denn nach Baubeginn hatte die Regionalregierung eigens das Grund- und Bodengesetz geändert, um Projekte wie die Marina de Valdecañas zu legalisieren. Damit schien alles wasserdicht, Zweifel an diesem Vorgehen kamen offenbar nicht auf.
Der Rohbau eines geplanten zweiten Hotels verrostet langsam und zeugt davon, dass das Siedlungsprojekt schon lange umstritten ist.
Umweltschützer sehen sich bestätigt
Dabei hätten es alle besser wissen können, findet Julio César. Seine Organisation "Ecologistas en Acción" hat gegen die Marina de Valdecañas geklagt, was ihn vermutlich zu einem der unbeliebtesten Menschen im Landkreis macht. Aber das ficht ihn nicht an. Aus seinem Mund klingt die Geschichte der Siedlung wie ein Schelmenroman: Was nicht passte, habe die Regionalregierung mit der Gesetzesänderung einfach passend gemacht.
Doch dass das in einem Naturschutzgebiet, in dem Vögel brüten, nicht so einfach geht, hätte jedem klar sein müssen. "Das ist jetzt ein Präzedenzfall. Wenn man trotz aller Urteilssprüche und aller Gutachten nicht abreißt und es so lässt, wie es ist - nach dem Motto: jetzt ist es nun schon mal da -, dann ist das Signal: In Spanien kannst Du machen, was Du willst."
Sieht sich im Recht - und von den Gerichten bestätigt: Umweltschützer Julio César hat mit seiner Organisation "Ecologistas en Acción" die Klage vorangetrieben.
Abriss genauso teuer wie der Bau
Die Order zum Totalabriss hat Investoren in ganz Spanien aufgeschreckt, und nicht nur sie. Denn wenn die Halbinsel wirklich wieder in den Zustand versetzt werden soll, in dem sie vor Baubeginn war, dann müssen nicht nur die Gebäude weg. Dann wird die gesamte Infrastruktur aus dem Boden gerissen und zerlegt: die Stromkästen, die Kanalisation, Straßen und Laternenpfähle. Dafür wäre die Regionalregierung verantwortlich, die alles genehmigt hatte. Kaum verwunderlich, dass sie bis zur letzten Instanz kämpfen will, um den Abriss zu verhindern. Sie hofft, dass das spanische Verfassungsgericht ein Einsehen hat - die Demontage, glaubt sie, würde viel größere Umweltschäden anrichten als sie der Aufbau je verursacht hat.
Tatsächlich dürfte aber auch Geld eine Rolle spielen. Die Kosten für einen Abriss dieser Größenordnung werden auf 40 Millionen Euro geschätzt, dazu kämen noch 100 Millionen für die Entschädigung der Eigentümer. Das Ende der Siedlung wäre damit ziemlich genau so teuer wie ihr Bau. Wenn es wirklich so weit kommt - es wäre eine Beerdigung erster Klasse, die die spanischen Steuerzahler der Marina de Valdecañas spendieren müssten.