Plattform für Käufer und Verkäufer Hilfe für Unternehmer bei der Nachfolgesuche
Der deutsche Mittelstand hat ein Nachfolge-Problem. Bereits ein Drittel der Unternehmer ist 60 Jahre oder älter, aber nicht für jeden Betrieb ist die Nachfolge geregelt. Eine Hamburger Plattform will Abhilfe schaffen.
Wer Kai Hesselmann von "DealCircle" in der Hamburger Innenstadt besucht, kommt nicht sofort auf die Idee, dass in diesen schlichten Büroräumen der deutsche Mittelstand gerettet werden soll. Doch genau das ist die Idee hinter der digitalen Plattform, die Unternehmensverkäufe erleichtern soll. "So wollen wir einen kleinen Beitrag leisten, um dieser großen Nachfolgekrise in Deutschland Herr zu werden", so Hesselmann, er ist einer der Gründer des Unternehmens.
Das Prinzip: Auf der Plattform können interessierte Käufer Verkaufsprojekte finden - zum Beispiel, indem sie in einer Suchmaske die Branche und den gesuchten Umsatz eingeben. Aber auch Verkaufsberater, die einem Unternehmen beim Verkauf helfen, können über "DealCircle" Käufer suchen. Die Plattform agiert dabei als Vermittlerin mit einer Käuferdatenbank und hilft, passende Käufer zu identifizieren.
Die Idee ist auch ein Geschäftsmodell: Wenn Hesselmanns Team einen Deal erfolgreich vermittelt hat, verdient das Unternehmen daran und erhält eine Provision vom Käufer. Der Grundansatz ist nicht ganz neu, in Deutschland gibt es bereits diverse Unternehmensbörsen und Nachfolgevermittlungen; dabei variieren Funktionsweise und Kostenmodell.
"Einen kleinen Beitrag leisten, um dieser großen Nachfolgekrise in Deutschland Herr zu werden": "DealCircle"-Mitbegründer Kai Hesselmann
Drohende ungewollte Unternehmensstilllegungen
Diese Plattformen treffen den Nerv der Zeit: Auch die KfW beobachtet eine Nachfolgelücke bei mittelständischen Unternehmen in Deutschland. In ihrem "Nachfolge-Monitoring Mittelstand" für 2022 zeigt sich: Gegenwärtig ist bereits ein Drittel der mittelständischen Unternehmerschaft 60 Jahre oder älter. Vor zwanzig Jahren waren es nur zwölf Prozent.
Die Chefvolkswirtin der KfW, Fritzi Köhler-Geib, mahnt, "dass wir uns in den kommenden Jahren sicherlich noch stärker mit dem Thema Unternehmensnachfolge beschäftigen werden." Es sei entscheidend, dass Unternehmerinnen und Unternehmer sich frühzeitig über ihre Nachfolge Gedanken machen: "Wir wissen, dass eine erfolgreiche Nachfolgeplanung im Schnitt rund drei bis fünf Jahre in Anspruch nimmt. Und wir sehen eben auch, dass es einige Unternehmen gibt, die mit Blick auf den gewünschten Rückzugsmoment da noch nicht weit genug sind."
Die Folge können ungewollte Unternehmensstillegungen sein. Die KfW rechnet in ihrem Monitoring für den Mittelstand damit, dass jeder vierte kurzfristige Nachfolgewunsch sich vermutlich nicht erfüllen könnte. "Da geht Wirtschaftsaktivität verloren, da geht auch Innovation verloren", so KfW-Chefvolkswirtin. Die Hürden bei der Nachfolgeplanung seien unter anderem, den passenden Nachfolger zu finden, Zahlungsmodalitäten oder auch die rechtliche Komplexität des Vorhabens.
Die diskrete Suche nach einem Nachfolger
Viele Inhaberinnen und Inhaber suchen erstmal in der eigenen Familie nach einem Nachfolger. Doch bei fehlendem Interesse oder fehlendem Nachwuchs wird das schwer. Gleichzeitig wollen viele Unternehmen, die ihre Nachfolge organisieren müssen, ihre Suche nicht allzu öffentlich machen. Das könne zu Unruhe im Unternehmen führen, sagt Kai Hesselmann von "DealCircle": "Wenn Kunden und Lieferanten das mitbekommen, kann das schnell die Beziehungen zu ihnen beeinflussen. Und deswegen ist es in vielen Fällen so, dass Unternehmensinhaber da sehr vorsichtig sind in der Kommunikation nach außen."
Eine Unternehmensnachfolge zu organisieren, kann gerade für inhabergeführte Unternehmen aus dem Mittelstand ein sehr emotionales Thema sein, bestätigt auch der Berater Stefan Mattern. Man solle "gerade diese emotionale Perspektive nie unterschätzen, wenn es um das Lebenswerk von Familien geht." Mattern kennt Hesselmann noch von früher. Der Berater nutzt "DealCircle" als komplementäres Angebot zu seinen eigenen Kontakten, um etwaige Käufer zu finden und zu vergleichen. Natürlich mache man aber auch eine eigene Analyse.
Speziell für kleinere Berater-Firmen
Mithilfe eines Research-Teams und der Käufer-Datenbank, die laut Unternehmen aus 200.000 deutschen und internationalen Käufern sowie weiteren Interessenten wie zum Beispiel Finanzinvestoren besteht, identifiziert "DealCircle" passende Käufer und Käuferinnen und schlägt sie den Beraterinenn und Beratern vor. Im nächsten Schritt wird gegebenenfalls ein Kontakt vermittelt.
Interessant sei das laut Gründer Hesselmann vor allem für kleinere Berater-Firmen, die in vielen verschiedenen Branchen für den Verkauf etwas kleinerer Unternehmen tätig sind und nicht überall gleich gute persönliche Kontakte zu möglichen Käuferinnen und Käufern haben können: "Da kann es dann eben sein, dass der Berater, der heute an dem Verkauf von einem Metallverarbeiter arbeitet, in drei Monaten versucht, ein Pflegeheim zu verkaufen und in acht Monaten eine Digitalagentur. Bei jeder Transaktion muss der Berater wieder bei Null anfangen und recherchieren: 'Wer könnten die passenden Käufer sein?'"
Steigende Nachfrage
Bei anderen Angeboten wie zum Beispiel der Unternehmensnachfolge-Börse "nexxt-change" können auch Unternehmerinnen und Unternehmer selbst ein Profil erstellen. Die Internetplattform wird unter anderem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie der KfW Bankengruppe betrieben. "DealCircle" funktioniert etwas anders: Hier läuft alles über die Verkaufsberater und die Käufer, nicht über die nachfolgeinteressierten Unternehmer selbst.
Analystin Köhler-Geib von der KfW hat sich "DealCircle" noch nicht im Speziellen angesehen, beobachtet all diese Angebote aber mit großem Interesse: "Vor der Herausforderung, dass wir wirklich in dieses Nachfolgethema reinlaufen, halte ich die Angebote für ein Matching für zentral für unsere Wirtschaft." Der Appell ist eindeutig: Es ist Zeit, sich um die Nachfolge zu kümmern.