Frauen in Führungspositionen Mehr Chefinnen im Osten als im Westen
Der Anteil von Frauen in Chefetagen ist im Osten besonders hoch. Mindestens jede vierte Führungsposition ist weiblich besetzt. Woran liegt das?
Eine aktuelle Studie der Zeppelin Universität in Friedrichshafen untersucht den Anteil von Frauen in öffentlichen Unternehmen in Städten. Die Macherinnen und Macher kommen zu einem Ergebnis, das vor allem den Osten in den Fokus rückt.
Den höchsten Anteil an Frauen im Top-Management erreichen nämlich die Städte ostdeutscher Bundesländer: in Thüringen (26,6 Prozent), Sachsen-Anhalt (26,5 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (25,2 Prozent) und Brandenburg (24,5 Prozent). Und mehr als die Hälfte der 69 untersuchten Städte mit mehr als 30 Prozent weiblich besetzten Topmanagement-Posten liegen in Ostdeutschland.
Frauen in den Chefetagen
Besonders auffällig ist im Bundesländervergleich der Städte, dass alle ostdeutschen Bundesländer überdurchschnittliche Werte aufzeigen. Die ostdeutschen Bundesländer (ohne Berlin) weisen einen Frauenanteil von insgesamt 23,0 Prozent auf - mit Berlin 25,8 Prozent.
Demgegenüber liegt der Frauenanteil in den westlichen Bundesländern ohne die Stadtstaaten Hamburg und Bremen bei 17,2 Prozent - mit den beiden Stadtstaaten bei 18,9 Prozent. Insgesamt zeige sich "ein deutliches Gefälle zwischen Ost und West", schreiben die Forscherinnen und Forscher aus Baden-Württemberg.
Arbeitskultur in Ost- und Westdeutschland
Friederike Theile ist Geschäftsführerin des Landesfrauenrats in Thüringen. Die Soziologin ist von den Ergebnissen der Studie nicht überrascht: "Die Zahlen passen zu dem, was auch ich beobachte."
Die Arbeitskultur sei in Ost- und Westdeutschland weiterhin anders: "Im Osten arbeiten mehr Frauen in Vollzeit. Das führt auch dazu, dass sie in Führungspositionen häufiger anzutreffen sind." Höhere Positionen in Unternehmen gebe es nur selten in Teilzeit.
Sie sagt weiter: "Die DDR war 1989 an der Weltspitze, was den Anteil an Frauen anbelangt, die arbeiteten. Das hat bis heute Auswirkungen. Die Hausfrauenehe war im Osten nicht besonders verbreitet."
In allen 16 Bundesländern wurden die Daten von 69 Städten und 1.430 Unternehmen mit 2.089 Führungskräften auf Frauen in leitenden Organen wie Geschäftsführung, Geschäftsleitung und Vorstand analysiert. Einbezogen waren neben den Landeshauptstädten und den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen auch die jeweils vier größten Städte der Länder. Daneben wurden auch die öffentlichen Unternehmen der Bundes-/Landesebene analysiert.
Vollzeitbeschäftigung und Kinderbetreuung entscheidend
Dass sich die Berufstätigkeit von Frauen in der DDR auf den Anteil von Chefinnen heute noch stark auswirke, daran zweifelt Jessica Bock. Sie arbeitet beim Digitalen Deutschen Frauenarchiv und hat zum Thema Frauenbewegung in der DDR promoviert.
Bock sagt: "Dieses Erklärungsmuster wird häufig angewendet. Ich muss sagen, ich sehe das kritisch. Ja, Frauen in der DDR waren öfter berufstätig als im Westen. Aber sie waren nicht öfter in Führungspositionen. Die Berufstätigkeit der Frauen damals wirkt sich zwar aus, aber ich finde, man sollte diesen Fakt nicht überbewerten."
Begünstigend wirke sich auf jeden Fall das Netz der Kinderbetreuung im Osten aus, sagt Bock und betont: "Und zwar in Vollzeit, da es immer noch ein starkes Lohngefälle zwischen Ost und West gibt."
Ost- oder Westsozialisation?
Welche Sozialisation die Frauen erfahren haben, die den Anteil in Top-Managementpositionen im Osten ausmachen, wo sie geboren wurden oder ob sie ostdeutsche Eltern hatten, wurde von den Friedrichshafener Forscherinnen und Forschern nicht erfasst. Rosemarie Will, die bis zu ihrem Ruhestand an der Humboldt Universität in Berlin als Professorin für Rechtswissenschaften gearbeitet hat, sagt, das sei oft der Fall bei solchen Studien.
Frauen aus dem Westen könnten im Osten leichter Karriere machen, da der Arbeitsmarkt nicht so hart umkämpft sei, sagt sie: "Hier ist mehr Platz." Auch das könne Einfluss auf den Manager-Anteil von Frauen in Unternehmen im Osten haben.
Jessica Bock ist bei der Betrachtung der Studienergebnisse wichtig, nicht von der Berufstätigkeit der Frauen im Osten auf einen Emanzipationsvorsprung zu schließen: "Meiner Meinung nach trägt dieses Interpretationsmuster dazu bei, bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern und Benachteiligungen von Frauen im Osten zu verdecken."
Frauen weiterhin unterrepräsentiert
Die Bundesregierung hat sich als Ziel gesetzt, bis 2030 Führungspositionen zu 30 Prozent mit Frauen zu besetzen. Gesamtdeutsch liegt der Frauenanteil bei Führungspositionen mit 21,5 Prozent derzeit darunter. Dazu kommt, dass bei Neubesetzungen von Topmanagement-Positionen im vergangenen Jahr nur 21,9 Prozent der Stellen mit Frauen besetzt wurden - deutlich weniger als im Vorjahr, da waren es rund 32 Prozent.
Friederike Theile vom Thüringer Landesfrauenrat schaut deshalb mit gemischten Gefühlen in die Zukunft: "Ich hoffe, dass die Kinderbetreuung und das Elterngeld als zentrale Bedingungen, dass auch Mütter arbeiten können, weiter ausgebaut werden. Der Osten gleicht sich hoffentlich nicht dem Westen in negativer Weise an."