Neues Insolvenzverfahren Wie geht es bei Galeria weiter?
Der Kaufhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof ist wieder insolvent. Um wie viele Arbeitsplätze geht es, welche Häuser sind bedroht - und was wurde aus den Häusern, die 2020 schließen mussten? Antworten auf einige Fragen.
Was ist der Stand der Dinge?
Galeria Karstadt Kaufhof hat zum zweiten Mal seit 2020 Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt - das Ziel des Verfahrens lautet Sanierung. Dass Filialen geschlossen und Stellen gestrichen werden, steht grundsätzlich nicht zur Debatte. Die Frage ist, wie hart die Einschnitte diesmal ausfallen werden - und natürlich, ob die Sanierung gelingen kann.
Wie lief das Insolvenzverfahren 2020 ab?
Im April 2020 - mitten im Corona-Lockdown - hatte der Konzern schon einmal Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Dem Unternehmen wurden Schulden in Höhe von zwei Milliarden Euro erlassen. Das Verfahren dauerte bis Ende September des Jahres, dann verließ Galeria nach der Zustimmung der Gläubiger zum Sanierungsplan den Schutzschirm wieder. Am Ende wurden 41 Filialen geschlossen und etwa 4000 Stellen abgebaut. Letztlich mussten weniger Häuser schließen als zunächst angenommen, 50 statt 62. Unter anderem konnten das Haus auf der Frankfurter Zeil weiterbetrieben werden sowie allein vier Häuser in Berlin.
Wie hat sich das Geschäft zuletzt entwickelt?
Im vergangenen Geschäftsjahr 2020/21 machte der Konzern 622 Millionen Euro Verlust bei einem Umsatz von 2,1 Milliarden Euro. Der Umsatz aus dem reinen Einzelhandelsgeschäft lag dabei mit 1,85 Milliarden Euro "deutlich unter den Erwartungen". Im Vorjahr lag er bei 2,98 Milliarden Euro. Für das Ende September abgeschlossene Geschäftsjahr 2021/22 rechnet die Geschäftsführung mit einem "Jahresfehlbetrag im unteren bis mittleren dreistelligen Millionenbereich".
Welche staatlichen Gelder sind schon geflossen?
Bereits 2021 und auch in diesem Jahr beantragte der Konzern Hilfe. Insgesamt 680 Millionen Euro wurden aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) gezahlt, den die Bundesregierung im Zuge der Corona-Pandemie eingerichtet hatte. Vor Beginn des jetzigen Schutzschirmverfahrens hat der Konzern mit der Bundesregierung über weitere Finanzhilfen verhandelt, die über bereits geflossenen 680 Millionen hinausgehen sollten, das blieb aber ohne Erfolg.
Wie viele Filialen gibt es noch? Wie viele könnten nun schließen?
Nach dem Insolvenzverfahren 2020 bestehen heute noch 131 Filialen in 97 deutschen Städten - mit insgesamt etwa 17.400 Mitarbeitern. Ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger hat angekündigt, die Gewerkschaft werde um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen. Galeria-Chef Miguel Müllenbach sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", ein Drittel der Filialen könnte geschlossen werden. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz sagte dem WDR, nur ein "harter Kern" der Warenhäuser werde übrigbleiben. Welche das sein sollen, will der Konzern spätestens in drei Monaten bekanntgeben.
Welche Filialen haben die besten Überlebenschancen?
Das lässt sich schwer voraussagen. Die Profitabilität ist jedenfalls nicht das einzige Kriterium, es kommt auch auf die Funktion an, die das einzelne Haus hat. Galeria-Filialen an touristischen Standorten wie etwa in Frankfurt am Main oder Düsseldorf spielen eine andere Rolle als Filialen, die für die lokale und regionale Versorgung relevant sind.
Der Handelsexperte Jörg Funder von der Hochschule Worms macht es an Zahlen fest und rechnet vor, dass im Einzugsgebiet eines einzelnen Warenhauses 100.000 Menschen leben müssen, um ein solches noch zukunftsfähig betreiben zu können. 55 Stadt- und Landkreise in Deutschland könnten eine solche Einwohnerzahl vorweisen, so Funder. Aber das allein reiche nicht aus. "Investitionen in die IT-Infrastruktur, in die Marke und das Sortiment - all das haben die Warenhäuser sehr lange versäumt", so Funder gegenüber tagesschau.de.
Was steht für die Innenstädte auf dem Spiel?
Während manche das Konzept Warenhaus insgesamt als überholt ansehen, betonen andere die Relevanz für die Innenstädte. So sagte etwa ver.di-Gewerkschaftssekretärin Miriam Jürgens tagesschau.de: "Warenhäuser sind ein großer Anker für unsere Innenstädte. Handel bedeutet nicht nur Konsum, sondern auch sozialen Umgang und damit Lebensqualität." Eine Schließung der Warenhäuser bedeute vielerorts die fortschreitende Verödung der Innenstadt, so Jürgens. "Zu befürchten wäre, dass andere Händler und auch die Gastronomie zunehmend aus dem Stadtbild und somit der sozialen Umwelt verschwinden. Allerdings braucht Galeria jetzt wirklich ein tragfähiges Zukunftskonzept."
Das fordert auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Der Beigeordnete für Gemeinde- und Stadtentwicklung, Bernd Düsterdiek, sagte tagesschau.de: "Ein betriebswirtschaftlich und inhaltlich tragfähiges Konzept muss die Bedingung dafür sein, dass überhaupt staatliche Gelder über ein Schutzschirmverfahren an Galeria fließen." Häuser mit null Beratung und langen Schlangen an den wenigen überhaupt geöffneten Kassen seien ein "riesiges Problem" und nicht das angestrebte Einkaufserlebnis. Und Düsterdiek mahnt auch: "An den Standorten, an denen Häuser schließen werden, müssen die Kommunen wirklich früh eingebunden werden in die Planung, wie es mit den Immobilien oder Grundstücken weitergehen soll."
Was wurde aus den Filialen, die 2020 dichtmachen mussten?
Da ist noch vieles im Fluss - oder eben auch nicht. Laut Handelsexperte Funder stehen aktuell die meisten Immobilien leer. Einige Häuser haben neue Nutzer gefunden. In Worms etwa zog die Stadtverwaltung ein, und es gibt Pläne für einen weiteren Ausbau, auch für Wohnungen. Bei anderen Häusern ist zumindest das Erdgeschoss neu vermietet. Einige Häuser wurden abgerissen, für andere ist der Abriss geplant, so etwa in Mainz. Auf dem Areal sieht ein neues Nutzungskonzept eine Mischung aus Einzelhandel, Gastronomie und Kultur vor.
Insgesamt gibt es viele Ideen, insbesondere für die sogenannte "Mischnutzung", aber die Umsetzung ist nicht einfach. Auch weil die häufig in den 1960er-Jahren gebauten Gebäude, die in den Städten oft als "Klötze" gelten, riesige Flächen, aber in den oberen Stockwerken oftmals kein Tageslicht bieten - weil Fenster fehlen. Nicht auszuschließen sei, so Düsterdiek, dass in Einzelfällen die Besitzverhältnisse nicht ganz geklärt seien.