Motivation für Mitarbeitende Nebenjob erwünscht
Die Mitarbeiter des Kölner Start-ups TalentsConnect dürfen selbst entscheiden, wie viel sie arbeiten - und können sich so nebenbei noch etwas Eigenes aufbauen. Zuspruch für das Modell kommt aus der Wissenschaft.
Die Geschäftsstelle von TalentsConnect im Kölner Stadtteil Nippes sieht genauso aus, wie man sich ein junges Start-up vorstellt: junge, locker gekleidete Menschen in modern gestalteten Großraumbüros. Einer der Aufenthaltsräume sieht aus wie eine urige Kneipe. Genauer gesagt: wie die Kneipe, in der die Gründungsidee entstanden ist. Die Idee, mit Softwarelösungen und Webseiten Unternehmen bei der Suche nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu helfen.
Alles hier strahlt aus: Wir sind jung, hip, modern. Und zwischendrin wuselt Office-Hündin Joun. Die kleine Parson-Russell-Terrier-Dame begrüßt jeden, der das Büro betritt.
Hauptberuflich Teamleiterin, nebenberuflich Fitnesstrainerin
Eigentlich gehört sie zu Aylin Bruns. Bruns arbeitet vier Tage pro Woche als Teamleiterin für TalentsConnect und moderiert Workshops für das Unternehmen. Wenn sie wollte, könnte sie auch drei Tage pro Woche arbeiten - oder fünf. Das darf sie jedes Quartal aufs Neue entscheiden.
Was sie mit der gewonnenen Zeit anstellt, ist ihr selbst überlassen: sich um Angehörige kümmern, mehr Sport treiben oder einfach entspannen. Sie schätzt die Freiheiten, die ihr Arbeitgeber ihr gibt. Hund mitbringen? Kein Problem! Aus dem Homeoffice arbeiten? So oft Du willst! Auch aus dem Ausland? Ja, klar!
Neben ihrem Hauptjob im Start-up baut sich Aylin ein zweites Standbein als selbstständige Fitnesstrainerin auf. Aus ihrer Sicht bringt das nur Vorteile: "Ich lerne da Skills, von denen meine Company hier maximal profitiert. Außerdem ist dadurch meine Motivation hier immer auf einem echt hohen Level."
Durch ihren Job als Fitnesstrainerin habe sie viel darüber gelernt, wie man selbstbewusst auftritt. Das helfe ihr sehr in ihrer Rolle als Teamleiterin oder Moderatorin.
Flexible Unternehmen motivieren und binden ihre Mitarbeiter
Was erst einmal wie gutes Unternehmensmarketing klingt, hat auch eine wissenschaftliche Basis: Solch flexible Arbeitszeitenmodelle können für Arbeitgeber und -nehmer gleichzeitig ein Gewinn sein - oder moderner ausgedrückt: eine Win-win-Situation.
Sebastian Pioch, Professor an der Hochschule Fresenius, forscht unter anderem zu Innovationsentwicklung und Entrepreneurship, also Unternehmertum. Er sagt, dass viel mehr Unternehmen ihre Mitarbeiter dabei unterstützen sollten, wenn sie einer Nebentätigkeit nachgehen wollen. "Dadurch gibt es einen signifikanten Anstieg der Mitarbeiterbindung und -motivation."
Pioch vergleicht das Verhältnis zum Arbeitgeber mit einer Liebesbeziehung: "Wenn Sie Ihren Partner einsperren wollen, dann können sie das vielleicht tun - aber glücklicher wird er dadurch nicht. Wenn er sich in wen anders verliebt, ist er weg. Ob sie wollen, oder nicht." Man solle als Arbeitgeber lieber schauen, welchen Profit man aus den Nebentätigkeiten seiner Angestellten schöpfen kann.
"Ich profitiere von den Nebentätigkeiten meiner Angestellten"
Robin Sudermann, Chef und Gründer von TalentsConnect, glaubt auch, dass seine Mitarbeiter merkbar bessere Arbeit leisten, wenn sie neben ihrem Hauptjob noch etwas anderes machen. Der Input von außen sei ausgesprochen wertvoll für sein Unternehmen. Aylin Bruns sei dabei nur eins von vielen Beispielen.
Außerdem wolle er seinen Mitarbeitern nicht im Weg stehen, wenn sie sich ein eigenes Standbein aufbauen wollen. Er selbst wisse nämlich noch, wie hart das sei: "Mir wurden damals alle möglichen Steine in den Weg gelegt, als ich ein Unternehmen gegründet habe. Ich musste meinen Job kündigen und meinen Studienkredit noch zurückzahlen, sodass ich einen denkbar schwierigen Start in meine Selbstständigkeit hatte."
Der Job passt sich dem Leben an - nicht andersherum
Wegen des flexiblen Arbeitszeitenmodells könnten seine Angestellten den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, ohne die Sicherheit einer Festanstellung aufzugeben. "Vier Millionen Arbeitskräfte werden 2030 fehlen. Wer da nicht bereit ist, seinen Mitarbeitern etwas mehr Flexibilität zu geben, der hat es nicht verstanden."
Sudermann ist sich sicher: Durch die Flexibilität in seiner Firma habe er auch deutlich bessere Chancen, an gute Mitarbeiter zu kommen, "Die guten Leute wohnen überall. Und die haben Lust, sich ihre Zeit selbst einzuteilen. Wenn du die haben willst, dann musst du so ein Modell fahren."