US-Filmerfolg in China Ist "Barbie" der Zensur durchgerutscht?
Jedes Jahr darf nur eine begrenzte Anzahl ausländischer Filme in chinesischen Kinos gezeigt werden. Ausgerechnet Barbie ist einer davon. In Online-Netzwerken wird gerätselt: Wie kam der weltweite Hit durch die Zensur?
Ein weißer Cowboyhut, eine pinke Schlaghose und ein pinkes Top: So wie Barbie im Film hat Cai Yi sich angezogen, um in einem Shanghaier Kaufhaus Fotos zu machen. Über sieben Stockwerke verteilt sind hier Barbie-Foto-Kulissen aufgebaut. Eine Hollywood-Schaukel zum Beispiel, eine Telefonzelle, alles in pink, sogar der Sand am Strand.
Für das perfekte Foto für Social Media hat die 24-jährige Taiwanerin viel Zeit mitgebracht. Auf jedem einzelnen Stockwerk lässt sie sich ablichten und schwärmt von Barbie. "Ich hatte erst keine großen Erwartungen an den Film, aber nachdem ich ihn geschaut habe, ist er tatsächlich mein Lieblingsfilm des Jahres", sagt Cai Yi. "Weil er einfach sehr lustig ist. Es gibt viele Witze, er ist cool."
Aber das sei noch nicht alles: "Er bestärkt Frauen darin, unabhängig zu sein. Ich denke, das ist sehr wichtig, denn es gibt immer noch einige Frauen, die sich nicht trauen, sie selbst zu sein", findet der "Barbie"-Fan aus Taiwan.
Der große Kassenschlager ist "Barbie" in China zwar nicht. Umgerechnet mehr als 33 Millionen Dollar hat "Barbie" in China eingespielt, damit schafft die Volksrepublik es nicht mal unter die fünf größten internationalen Märkte für den Film.
Chen Xiaohan und ihre Freundin stylen sich als Barbies, um Fotos zu machen.
"Es geht um Gleichberechtigung"
"Barbie" scheint jedoch unter Frauen einen Nerv getroffen zu haben. Im chinesischen Internet zum Beispiel auf Douyin, dem chinesischen TikTok, wurde wild diskutiert. Manche Chinesinnen haben sich dort beschwert, dass Männer sich den Film entweder gar nicht anschauen, den Kinosaal verlassen oder währenddessen gelangweilt auf dem Handy scrollen und den Film anschließend verfluchen. Manche behaupten, nach dem Film gar mit ihrem Freund Schluss gemacht zu haben.
"Es geht um die Gleichberechtigung von Männern und Frauen", sagt Chen Xiaohan. Sie steht im obersten Stockwerk des Kaufhauses vor einem der vielen pinken Schminktische, die hier aufgebaut sind. Von ihrer Freundin mit pinkem Top im Partnerlook gekleidet, lässt sie sich die Haare bürsten.
"Manche Männer reagieren bei dem Film etwas über. Aber nicht alle sind so. Manche verstehen es nicht. Sie denken, es gehe nur um die Rechte von Frauen, aber Barbie sagt im Film zu Ken, dass er auch unabhängig ist und nicht nur zu Barbie gehört. Es geht also um Gleichberechtigung", erzählt sie weiter, während ihre Freundin ihr eine pinke Schleife ins Haar bindet.
Nur wenige ausländische Lizenzen
Warum der Film überhaupt durch die Zensur kam, auch darüber wird in den chinesischen Online-Netzwerken gerätselt. Manche spekulieren, Barbie sei als Kinderfilm unterschätzt worden. Katja Drinhausen vom Chinaforschungsinstitut Merics in Berlin sieht Barbie als eine Gegenwelt zu den vielen patriotischen, teils militärischen Filmen, die sonst in chinesischen Kinos laufen - oft mit männlichen Hauptfiguren.
"Man weiß natürlich nie, was in den Köpfen der Zensoren oder derjenigen, die ausländische Filme prüfen und die wenigen begehrten Lizenzen vergeben, so vor sich geht", sagt Drinhausen. Möglicherweise hätten die Zensoren stärker darauf geachtet, dass der Film die USA "ein bisschen auf die Schippe" nehme und es in erster Linie ein Unterhaltungsfilm sei, und dass sie "dann die darunterliegende Botschaft und zugrundeliegende Diskussion übersehen haben, gerade eben die Frage nach dem Geschlechterverhältnis", so die Merics-Expertin weiter.
Belastungen in Arbeitswelt und Haushalt
Seit der Machtübernahme durch Xi Jinping vor mehr als zehn Jahren ist der chinesische Staat zunehmend gegen feministischen Aktivismus vorgegangen. Mehrere #MeToo-Fälle wie zum Beispiel der Fall der bekannten Tennisspielerin Peng Shuai wurden streng zensiert. Dabei hatte die Kommunistische Partei die Gleichstellung von Männern und Frauen seit der Gründung der Volksrepublik immer wieder hochgehalten. Die Frauen trügen die Hälfte des Himmels, sagte einst Mao Zedong.
"Aber in der Praxis war es einfach auch so, dass die Frauen die Hälfte des Himmels tragen und dann noch ein gutes Stück mehr, gerade wenn es in den letzten Dekaden darum ging, die Arbeitswelt und den Haushalt schultern zu müssen", so Drinhausen. Diese Doppelbelastung sei für manche junge Frauen heutzutage auch ein Grund dafür, keine Kinder oder nicht mehr als eins zu bekommen, was sich auch in der niedrigen Geburtenrate in China widerspiegelt.
Auch in der chinesischen Politik sind Frauen immer weniger vertreten. Jüngst im Herbst vergangenen Jahres war die einzige Frau aus dem Politbüro, dem zweithöchsten politischen Gremium der Kommunistischen Partei, ausgeschieden.
"Barbie" als Anlass zur Trennung?
Vor einem Shanghaier Kino steht der 23-jährigen Ma Jincao. Er findet es gut, wenn sich Frauen für ihre Rechte einsetzen. "Barbie" findet er allerdings nicht so gut. "Ich finde diesen Film etwas stumpf. Manche Plots sind sehr platt und direkt. Ich denke, so eine Art von Film wird mehr Konfrontation zwischen den Geschlechtern hervorrufen."
Mit seiner Freundin will er den Film diskutieren, von der Hysterie über Beziehungsdramen und Trennungen nach "Barbie" hält er allerdings nichts. "Ich denke, wer sich trennt, der hatte schon vorher keine harmonische Beziehung. Also war der Film dann eher ein Anlass oder eine Gelegenheit sich zu trennen."