Studie Jobwechsel lohnt sich nicht für jeden
Für Arbeitnehmer mit geringer Qualifikation und in helfenden Tätigkeiten kann ein Jobwechsel laut einer Studie einen Abstieg bedeuten. Fachkräfte können dagegen profitieren - nicht nur beim Gehalt.
Arbeitnehmer, die Hilfs- oder angelernte Tätigkeiten ausüben, haben bei einem Jobwechsel offenbar kaum Aufstiegschancen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse der Bertelsmann-Stiftung zu beruflichem Wechsel und den Folgen für die Betroffenen. Von der mit einem neuen Arbeitsplatz verbundenen Aussicht auf bessere Bezahlung profitieren in erster Linie Fachkräfte und Spezialisten.
Jobwechsel kann Arbeitszeit erhöhen
Ein beruflicher Neustart mache sich vor allem dann bezahlt, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in verwandte Tätigkeiten wechselten. "Das Lohnplus kann dann um bis zu 3500 Euro brutto pro Jahr höher ausfallen als bei einem Wechsel in nicht verwandte Berufe", hieß es. "Je mehr Wissen aus dem alten Beruf auch in der neuen Tätigkeit genutzt werden kann, desto größer ist die Aussicht auf einen erfolgreichen Jobwechsel."
Für Fachkräfte zahle sich ein erfolgreicher beruflicher Neuanfang zudem nicht nur finanziell aus - sondern erhöhe auch die Arbeitszeit. Der Studie zufolge sind Beschäftigte, die in einem eng verwandten Job neu starten, im Schnitt 6,2 Tage im Jahr mehr am Arbeitsplatz als diejenigen, die in einen komplett fremden Beruf wechseln. Bei einem weniger verwandten Job betrage das Plus nach dem Wechsel immerhin 4,3 Tage.
Hilfskräfte oft ohne Chancen auf Aufstieg und bessere Bezahlung
Benachteiligt werden laut der Analyse vor allem "Helfer". Damit werde beschrieben, auf welchem Niveau eine Person beschäftigt sei, erläuterte Studienautor Roman Wink. Diese helfende Tätigkeit erfordere keine Berufsausbildung. Vielfach handele es sich um Geringqualifizierte, also Menschen ohne Berufsabschluss. Aber auch Personen mit Berufsabschluss könnten als Hilfskräfte beschäftigt sein.
Pro Jahr wechseln den Angaben zufolge mehr als elf Prozent dieser Beschäftigten ihre Stelle - bei den Fachkräften sind es nur rund sieben Prozent. Zudem arbeiten die Helferinnen und Helfer dann doppelt so häufig in einem für sie neuen Beruf als Arbeitnehmer in höher qualifizierten Tätigkeiten. Sie müssten sich beim "Job-Hopping" stärker an der Nachfrage des Arbeitsmarktes ausrichten als an ihren vorhandenen Kompetenzen - und daher immer wieder neu angelernt werden. Daher sei der Erwerb von Teilqualifikationen bis zum Berufsabschluss "ein wichtiger Hebel", so die Bertelsmann-Stiftung.
Frauen beim Jobwechsel benachteiligt
Darüber hinaus seien Frauen bei Berufswechseln ebenfalls oft schlechter gestellt. Auch bei ihnen verbessere eine Berufsausbildung zwar die Aufstiegsmöglichkeiten, sie könne die Benachteiligung im Geschlechtervergleich aber nicht aufheben. Männern mit einer Ausbildung gelinge bei 82 Prozent der Jobwechsel der Aufstieg vom Helfer zur Fachkraft, bei Frauen seien es nur knapp 77 Prozent. Außerdem sei selbst mit Ausbildung das Risiko eines Abstiegs aus einer fachlich qualifizierten Tätigkeit mit 13 Prozent für Frauen größer als bei Männern mit nur neun Prozent.
Fähigkeiten müssen sichtbarer gemacht werden
Eine höhere Erwerbsbeteiligung sei ein entscheidender Faktor im Kampf gegen den Fachkräftemangel, betonte der Arbeitsmarktexperte der Stiftung, Tobias Ortmann. Gelinge der Wechsel, sei das auch für die Arbeitgeber ein Gewinn. Die Studie hob hervor, dass Geringqualifizierte und Helfer in den meisten Fällen über verwertbare Kompetenzen verfügten, auch wenn diese nicht formal durch Zertifikate belegbar seien. Daher brauche es Verfahren, um die Fähigkeiten sichtbar zu machen, forderte Wink.
In der vergangenen Woche hatte eine Analyse der Bundesagentur für Arbeit (BA) ergeben, dass es in jedem sechsten Beruf in Deutschland einen Mangel an Fachkräften gibt. In 200 der rund 1200 bewerteten Berufe gab es im vergangenen Jahr einen Engpass - 52 mehr als 2021. Damit stieg die Zahl der Engpassberufe auf einen neuen Höchstwert.
Betroffen vom Fachkräftemangel sind nach BA-Angaben besonders die Pflegeberufe, Berufskraftfahrer, medizinische Fachangestellte, Bau- und Handwerksberufe, Kinderbetreuung, Kraftfahrzeugtechnik und IT-Berufe. Im Vergleich zum Vorjahr sind 2022 Hotel- oder Gastronomieservice, Metallbau und Busfahrer neu hinzugekommen. Die Hälfte der offenen Stellen entfiel im vergangenen Jahr auf einen dieser Berufe mit Fachkräftemangel.