Blick auf einen Weinberg in Oberwesel im Mittelrheintal.
mittendrin

Jungwinzer am Mittelrhein "Die Konkurrenz sitzt nicht im eigenen Ort"

Stand: 25.08.2023 10:09 Uhr

Die Zahl vor allem kleiner deutscher Weinbau-Betriebe sinkt rapide. Acht Jungwinzer vom Mittelrhein schließen sich deswegen zusammen. Sie wollen weg von der Grundhaltung, nur Konkurrenz belebe das Geschäft.

Julia und Maximilian Lambrich schleppen Bänke über einen Weg in den Weinbergen von Oberwesel. Die Geschwister sind schon früh am Morgen unterwegs, um ihren Probierstand aufzubauen, so wie die anderen Mitglieder ihres Jungwinzervereins auch. Zwischen den Reben wuseln Menschen, es klappert und hämmert, Kühlschränke und Grills werden befüllt.

Gemeinsam veranstalten die Jungwinzer eine Weinwanderung zwischen den Reben, ein touristisches Highlight der Region. Julia Lambrich stellt Weingläser auf einen Tresen und erzählt: "Es gibt insgesamt sechs Stände, das sind die der Jungwinzerfamilien. Sie sind verteilt auf einer Strecke von dreieinhalb Kilometern, und die kann man dann eben erwandern - überall eine kurze Rast machen, sich ein bisschen Pause gönnen und ein Weinchen genießen."

#mittendrin aus Oberwesel: Die junge Generation von Winzerinnen und Winzern im Weinbau

Ute Spangenberger, SWR, tagesthemen, 24.08.2023 22:30 Uhr

Viele Anbieter machen einen Ort attraktiv

Acht Jungwinzerinnen und Jungwinzer vom Mittelrhein haben sich zum Verein "Jungwinzer Oberwesel" zusammengeschlossen, um Veranstaltungen zu organisieren, ihre Weine bekannter zu machen und für das Weinanbaugebiet Mittelrhein insgesamt zu werben. In Gesprächen mit ihnen fällt immer wieder das Wort "zusammen": Sie sehen sich nicht als Konkurrenten, sondern als Partner. Julia Lambrich, die internationale Weinwirtschaft studiert hat, sagt: "Unser Uniprofessor hat immer gesagt: 'Die Konkurrenz sitzt nicht im gleichen Ort, denn ein Ort ist nur attraktiv, wenn es viele Anbieter gibt'."

Bei der Weinwanderung bieten die Winzer ihren Gästen nicht nur ihre eigenen Weine vom jeweiligen Familienbetrieb an, sondern auch einen Gemeinschaftswein, einen "Vereinswein" sozusagen. Maximilian Lambrich, der Vorsitzende der Jungwinzer, erklärt, dass der Wein in den Räumlichkeiten seines Familienweinguts ausgebaut werde, da der Verein keinen eigenen Keller habe. "Deswegen liefert im Herbst während der Ernte an einem Tag jeder seine Riesling-Trauben an, und so kann dann hier der Wein gemeinschaftlich ausgebaut werden. Wir probieren den zusammen, begleiten die Gärung, sprechen uns ab, wie der Wein letztendlich abgefüllt werden soll."

Immer weniger kleinere Winzerbetriebe

Die Zahl der Winzerbetriebe ist in Deutschland in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen. Auf der Internetseite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ist der Wandel beschrieben:

15.200 Betriebe bauten 2020 in Deutschland Wein an. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre nahm die Anzahl der Weinbau-Betriebe um etwa ein Viertel ab. Besonders kleine Höfe gibt es immer weniger. Im Jahr 2010 waren es noch rund 6.000 Betriebe, die Landwirtschaftszählung 2020 zählte nur noch 3.600.

Im Gegensatz dazu sei die Anzahl größerer Betriebe stabil geblieben. Sehr große Betriebe hätten sogar zugenommen. Das verdeutliche, dass sich die Struktur des deutschen Weinbaus hin zu weniger Betrieben mit größeren Weinbergen entwickle.

Harter Wettbewerb um das Weinregal

Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut bestätigt den Konzentrationsprozess. Um heute erfolgreich am Markt zu agieren und wirtschaftlich effizient zu arbeiten, benötige ein Betrieb eine gewisse Größe, sagt er. "Deutschland zählt zu den größten Weinimportländern der Welt. Entsprechend groß ist der Wettbewerb am Weinregal", so Büscher.

"Wenn sich Winzerinnen und Winzer zu Gruppen zusammenschließen, erhöhen sie mit einer gemeinsamen Botschaft und Gemeinschaftsaktionen ihre Sichtbarkeit in einem wettbewerbsintensiven Umfeld, wovon letztendlich alle Mitglieder profitieren." Bundesweit gebe es rund 25 Zusammenschlüsse von Winzerinnen und Winzern in nahezu allen Weinbaugebieten. Zehn der Vereinigungen hätten ausschließlich jüngere Mitglieder.

Anstrengende Arbeit in den Steillagen

Die Oberweseler Jungwinzer wissen ihre Zusammenarbeit im Verein zu schätzen. Neben gemeinsamen Veranstaltungen helfen sie sich auch gegenseitig im Weinberg. "Es ist oft so, dass die Maschinen sehr teuer geworden sind in der Anschaffung", erzählt die Jungwinzerin Anna Hoffmann. Wenn ein Kollege die eine Maschine habe und man selbst die andere, tausche man sich sozusagen aus. "Kann ich die einmal nutzen oder kannst du für mich fahren, ich mach dann das für dich. Das ist auch mittlerweile gang und gäbe."

Gerade am Mittelrhein mit seinen Steillagen ist Weinbau besonders anstrengend: 85 Prozent der Weinberge hier zählen mit einer Hangneigung von mehr als 30 Prozent zu Steillagen. Damit habe das Weinbaugebiet Mittelrhein den höchsten Steillagenanteil in Deutschland, erklärt Experte Büscher.

"Mehr als ein Beruf"

Oberhalb von Oberwesel hat inzwischen die Weinwanderung begonnen. Bei 30 Grad warten die Jungwinzer an ihren Ständen auf die Wanderer. Die ersten schnaufen bereits die Wege herauf, vorbei an den Reben, an denen jetzt kurz vor der Lese viele Trauben hängen.

Julia und Maximilian Lambrich strahlen, schenken Gläser voll, plaudern mit ihren Gästen. Sie haben es nicht bereut, Winzer geworden zu sein und den Weg ihrer Eltern zu gehen. Maximilian, 27 Jahre alt, sagt: "Es ist mehr als ein Beruf. Es ist eine richtige Leidenschaft, die da hinten dransteht."