Pilzerkrankung bei Laubbäumen Stirbt die Esche aus?
Die Gemeine Esche ist einer der häufigsten Laubbäume Europas. Ein Vorteil: Sie scheint mit der Klimaerwärmung gut zurechtzukommen. Doch eine aus Asien eingeschleppte Pilzerkrankung lässt viele Bäume absterben.
Von Thomas Denzel, SWR
Vor 20 Jahren hat die Krankheit Deutschland erreicht, schätzen Experten. Seitdem hat Deutschland ein Drittel seiner Eschen verloren. Und das Sterben geht weiter. Wohin es führen kann, zeigt der Blick nach Dänemark: Dort sind nur noch fünf Prozent des Bestands übrig. Wissenschaftler der britischen Keele Universität befürchten, dass die europäische Esche in wenigen Jahrzehnten ganz verschwunden sein könnte.
Braune Blätter, kahle Kronen
Gegen den Pilz Chalara fraxinea, der aus Asien stammt und sich seit den 1990er-Jahren in Europa ausbreitet, scheinen die Bäume fast wehrlos zu sein. "Einheimische Pilze haben nur eine Chance, wenn sie einen schon geschwächten Baum befallen", erklärt Jörg Grüner von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg.
Der Eindringling aus dem Osten aber scheint leichtes Spiel zu haben, weil die europäischen Eschen nicht auf ihn vorbereitet sind. "Eigentlich verursacht der Pilz nur eine Blattinfektion", sagt der Forstwissenschaftler. "Aber er kommt an unseren Eschen so gut voran, dass er sich sogar in die Triebe ausbreitet." Die Folge: braune Blätter, kahle Kronen und Bäume, die ganz absterben.
Links im Bild eine gesunde und rechts eine infizierte Esche.
Es stirbt der Baum der Hoffnung
"Das Verheerende ist, dass wir in den vergangenen Jahren wie verrückt überall Eschen als Baum der Zukunft gepflanzt haben", beschreibt Grüner das Dilemma. In die Esche hatten Förster ihre Hoffnung gesetzt, weil sie als ein Baum gilt, der mit der Klimaerwärmung vergleichsweise gut klarkommt. Ausgerechnet sie ist nun gefährdet.
In weiten Teilen Europas ist die Gemeine Esche verbreitet. Sie bestimmt das Landschaftsbild, ist nach Buche und Eiche der häufigste Laubbaum. Ihr Holz wird geschätzt, weil es flexibel ist und trotzdem hart. Es wird unter anderem für Bodenbeläge und Möbel verwendet.
Gleichzeitig ist die Esche der prägende Baum geschützter Ökosysteme, zum Beispiel in den Auenwäldern und den Schlucht- und Hang-Mischwäldern. "Bestimmte Flechten, Moose und Insekten können ohne die Esche nicht überleben", erklärt Jörg Kleinschmit, der an der FVA die Abteilung für Waldnaturschutz leitet. Der vom Aussterben bedrohte Eschen-Scheckenfalter ist ein Beispiel. Die Raupe dieses Schmetterlings ist auf Eschenblätter als Nahrung angewiesen.
Gesucht: die "Super-Esche"
Mittlerweile ist das sogenannte Eschentriebsterben so verbreitet, dass so gut wie jede Esche Schäden durch den Pilz zeigt. Es gibt aber einzelne, die deutlich besser aussehen. "Das sind die, die wir für die Zukunft brauchen", erklärt Grüner.
Er und sein Team an der FVA sind auf der Suche nach Eschen, die stärkere Abwehrkräfte gegen die Krankheit zu haben scheinen. "Vom Begriff der Resistenz haben wir uns längst verabschiedet", sagt der Forst-Experte. "Völlig gesunde Bäume gibt es nicht mehr. Aber Bäume, die den Pilz zu einem gewissen Maß tolerieren." Solche Bäume versuchen die Wissenschaftler auf ihren eigenen Beobachtungsflächen zu finden. Und sie sind im gesamten Bundesgebiet mit Flugzeugen und Drohnen unterwegs und nutzen Satellitenaufnahmen.
Am Projekt zur Rettung der Esche sind in Deutschland insgesamt 27 Forschungsgruppen beteiligt. Vor zwei Jahren gab es außerdem einen Aufruf an die Bevölkerung, einigermaßen gesunde Bäume zu melden. Inzwischen sind deutschlandweit 700 gefunden, "Plus-Bäume" nennen sie sie.
Viren gegen den Pilz
Von diesen starken Bäumen nehmen die Forstwissenschaftler Proben - Zweige und Saatgut. Im Institut in Freiburg propfen sie die Zweige auf kleine Stämmchen, infizieren sie mit dem Pilz und beobachten, wie gut sie das überstehen. Aus dem Saatgut ziehen sie kleine Sämlinge und prüfen, ob Abwehrkräfte in der nächsten Generation erhalten bleiben.
Im Labor untersuchen Genetiker des Instituts, ob die stärkeren Eschen gemeinsame Gen-Merkmale zeigen. "Die gezielte Züchtung abwehrstarker Bäume wird der nächste Schritt sein", so die Hoffnung von Grüner. Gleichzeitig gehen die Forscher auch noch einen anderen Weg. An den Universitäten in Hamburg und Eichstätt-Ingolstadt versuchen sie, Viren zu finden, die den Pilz schwächen oder das Immunsystem der Esche stärken.
Die Züchtung abwehrstarker Bäume soll helfen, den Eschen-Bestand zu schützen.
Wissenschaftliche Hilfe statt Evolution
Die Eschen in Asien kommen mit der Pilzerkrankung deutlicher besser zurecht. Sie haben im Laufe der Evolution Abwehrmechanismen entwickelt. "Im Laufe der natürlichen Evolution wird dann ein Punkt erreicht, an dem sowohl der Wirt als auch der Pilz überleben kann", erklärt Grüner. "Im Idealfall passiert das von selbst, dass die Starken überleben."
Doch die plötzliche Konfrontation mit der Krankheit und deren rasante Ausbreitung erfordere das Eingreifen des Menschen. "Wir müssen nicht nur sicherstellen, dass die Esche überlebt", sagt der Forst-Experte. "Wir müssen auch schauen, dass wir auf dem Weg nicht zu viele verlieren."