Nach Eskalation im Sudan Mehr als 1000 EU-Bürger evakuiert
Die Evakuierungsaktionen im Sudan halten an: Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Borrell sind inzwischen bereits mehr als 1000 EU-Bürger ausgeflogen worden. Die Bundeswehr brachte 311 Menschen in Sicherheit.
Seit dem Beginn der Evakuierungsaktionen im Sudan sind nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell bereits mehr als 1000 Ausländer in Sicherheit gebracht geworden. "Es ist eine komplexe Aktion gewesen und es ist eine erfolgreiche Aktion gewesen", sagte Borrell. Unter den Evakuierten waren demnach auch 21 Diplomaten der EU-Vertretung in Khartum. Borrell dankte insbesondere Frankreich für seine Hilfe beim Ausfliegen "unserer Leute". "Und ich will den vereinten Bemühungen vieler Länder danken, die ihre Staatsbürger, aber auch alle Staatsbürger, die sie aufsammeln konnten, mitgenommen haben", fügte der EU-Außenbeauftragte hinzu.
"Es gibt keine militärische Lösung für diesen Krieg"
Zu den aktuellen Entwicklungen im Land sagte Borrell, die Waffenruhe sei nun vorbei und man müsse weiter auf eine politische Lösung drängen. "Wir können es uns nicht leisten, dass ein bevölkerungsreiches Land wie der Sudan zusammenbricht, weil das in ganz Afrika Schockwellen auslösen würde", sagte er. Die Botschaft an die Konfliktparteien sei, dass sie "den Krieg stoppen, die Waffen zum Schweigen bringen, anfangen zu reden und nach einer politischen Lösung suchen" müssten. "Denn es gibt keine militärische Lösung für diesen Krieg."
Borrell bestätigte zudem, dass der EU-Botschafter Aidan O'Hara im Sudan geblieben sei, sich allerdings nicht mehr in der Hauptstadt Khartum aufhält. "Er musste da bleiben. Der Kapitän ist der Letzte, der das Schiff verlässt", sagte Borrell.
Bundeswehr flog bisher 311 Menschen aus
Auch die Bundeswehr ist beteiligt: Die erste Militärmaschine mit Evakuierten landete nach Angaben des Auswärtigen Amts am Morgen in Berlin. An Bord seien 101 Deutsche, ihre Familien und Angehörige weiterer Partnerstaaten gewesen. Weitere Evakuierungsflüge seien geplant, solange die Sicherheitslage es zulasse, hieß es vom Auswärtigen Amt weiter.
Ein zweiter Transporter mit 113 Evakuierten sei inzwischen sicher bei einem Zwischenstopp in Jordanien angekommen. Auch eine dritte deutsche Militärmaschine mit Evakuierten aus dem Sudan sei inzwischen in Jordanien gelandet, teilte die Bundeswehr mit. Insgesamt seien damit bisher 311 Menschen ausgeflogen worden. Nach einer vorläufigen Liste, die der Nachrichtenagentur dpa vorlag, waren unter den Evakuierten 42 Niederländer und mehr als 15 Österreicher. Zudem wurde eine einstellige Zahl Staatsangehöriger aus Australien, Bulgarien, Großbritannien, Belgien, Norwegen, Tschechien, Irland, Schweden und Portugal ausgeflogen. Mehr als die Hälfte der Evakuierten sind deutsche Staatsbürger.
Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr zeigte sich mit der Operation zufrieden, die Evakuierungen hätten "gut funktioniert". Die Weiterreise der evakuierten Staatsbürgerinnen und Staatsbürger anderer Nationen werde nun mit den betreffenden Staaten abgestimmt.
Zuvor hatten bereits die USA und mehrere europäische Länder begonnen, ihre Staatsangehörigen wegen der zunehmend angespannten Lage aus dem Sudan zu bringen. Frankreich vermeldete inzwischen 388 gerettete Personen und will den Einsatz fortsetzen. Auch Schweden flog erste Botschaftsmitarbeiter und ihre Familien in das Nachbarland Dschibuti aus, nannte aber keine genauen Zahlen. Ein niederländisches Flugzeug brachte ebenfalls Menschen unterschiedlicher Nationalität nach Jordanien. China ließ verlauten, Botschaftspersonal zu evakuieren.
Kritik an britischer Regierung
Nach der Evakuierung britischer Diplomaten aus dem Sudan steht die Regierung in London in der Kritik. Mehrere britische Staatsbürger beschwerten sich in Medien, sie fühlten sich allein gelassen. Die Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Parlament, Alicia Kearns, sagte dem Sender BBC Radio 4, vermutlich wollten mehr als 1000 Britinnen und Briten in Sicherheit gebracht werden. "Das sind manchmal große Familien. Ich vermute, dass es sich um 3000, 4000 oder mehr Leute handelt", sagte die konservative Politikerin.
Premierminister Rishi Sunak hatte zuvor mitgeteilt, das britische Militär habe britische Diplomaten und ihre Familien evakuiert. Außen-Staatssekretär Andrew Mitchell verteidigte den Einsatz. Die Rettung des Botschaftspersonals habe Priorität gehabt, da es eine "sehr konkrete Drohung gegen die diplomatische Gemeinde" in der Hauptstadt Khartum gegeben habe, sagte Mitchell dem Sender Sky News. Er versicherte, die Regierung tue, was möglich sei. Vor einem Waffenstillstand gebe es aber wenig Chancen auf Hilfe, auch weil die Flugplätze umkämpft seien. "Die Situation ist völlig verzweifelt, und eine Waffenruhe notwendig. Und der einzige Rat, den Großbritannien den Leuten geben kann, ist, in geschlossenen Räumen zu bleiben, denn das ist die sichere Option", sagte der konservative Politiker.
Asselborn: Menschen im Sudan nicht vergessen
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn mahnte an, die lokale Bevölkerung nicht zu vergessen. Was in dem Land passiere, sei eine große Katastrophe, sagte er vor einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg. "Denken wir auch an die Menschen, die nicht evakuiert werden können, die im Sudan leben." Zugleich begrüßte der luxemburgische Außenminister, dass EU-Bürger aus dem umkämpften Sudan ausgeflogen wurden. Er hoffe, dass die Zusammenarbeit unter den EU-Staaten so funktioniere, dass jeder EU-Bürger in Sicherheit gebracht werden könne.
Während westliche Staaten ihr diplomatisches Personal ausfliegen, versuchen Einheimische nach Angaben der Nachrichtenagentur AP, auf dem Landweg vor den anhaltenden Kämpfen zu fliehen. Am Übergang Arkin an der ägyptischen Grenze stauten sich demnach etwa 30 Busse mit jeweils mindestens 55 Menschen.
Im Sudan waren vor mehr als einer Woche schwere Kämpfe zwischen den zwei mächtigsten Generälen des Landes und ihren Einheiten ausgebrochen. Die zwei Männer führten das Land im Nordosten Afrikas mit rund 46 Millionen Einwohnern seit einem gemeinsamen Militärcoup 2021.
De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, kämpft mit dem Militär gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, den Anführer der mächtigen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Eigentlich hätte sich die RSF der Armee unterordnen und die Macht im Land wieder an eine zivile Regierung übertragen werden sollen. Da sich beide Lager jedoch letztlich nicht einigen konnten, schlug der Konflikt in Gewalt um.