Nicaraguas Terror-Regime Die Frau des Comandante
Aus dem einstigen Freiheitskämpfer Ortega ist ein brutaler Diktator Nicaraguas geworden. Doch seine Frau Murillo sei die Macht hinter der Macht, sagen Beobachter. Was treibt dieses Paar an?
Täglich richtet sich die Vizepräsidentin und Gattin von Daniel Ortega, dem Präsidenten von Nicaragua, im Staatsmedium "Canal 4" an die Bevölkerung. Über das Telefon wird sie zugeschaltet. Rosario Murillo monologisiert dann über Liebe, ihren Glauben, Religion und Sozialprogramme.
Als junge Frau verlas sie in der Kirche noch eigene Gedichte gegen die Diktatur unter Anastasio Somoza Debayle. Doch sie habe sich von einer extrem linken zu einer konservativen, antifeministischen Frau entwickelt, sagt der aus Nicaragua stammende "El País"-Journalist Carlos Salinas Maldonado.
Er hat ein Buch über sie geschrieben: "Yo soy la mujer del comandante" - zu deutsch "Ich bin die Frau des Comandante". Das Buch sei eine literarische Biographie, basierend auf der Auswertung von Dokumenten, Schriftstücken und Gedichten der Präsidentengattin.
Eine Familiendiktatur
Murillo sei voller Ambitionen, so Maldonado. 1998 sei für sie ein Wendepunkt gewesen. Als ihre Tochter aus erster Ehe ihren Stiefvater Ortega beschuldigte, sie als Teenager jahrelang vergewaltigt zu haben, stellte sich Murillo hinter ihren Mann. Ihr Aufstieg beginnt.
Sie wird zur rechten Hand von Daniel Ortega. Er sei zwar immernoch der starke Mann, aber sie treffe die alltäglichen Entscheidungen, so der Journalist Maldonado. Sie teilten sich die Macht auf eine besondere Art und Weise. Es sei eine Familiendiktatur.
Mit Ketten und Schmuck überladen, schrillen, bunten Kleidern und stets tiefrot geschminkten Lippen tritt Murillo in der Öffentlichkeit auf. Als spirituell, religiös, fanatisch wird sie oft beschrieben, als "bruja" - Hexe.
Nicaraguas Vizepräsidentin und Präsidentengattin wird oft als spirituell und fanatisch beschrieben - oder gar als "bruja" - Hexe.
Mit Bäumen gegen schlechte Energien
"Sie glaubt, dass es negative Energien in der Erde gibt, die ihr schaden könnten. Deswegen hat sie Lebensbäume aus Metall in Managua aufstellen lassen", sagt Maldonado. Es seien insgesamt 150. Jeder Einzelne kostete um die 20.000 US-Dollar.
In einem armen Land wie Nicaragua seien das obszöne Ausgaben. Aber ihrem Glauben nach würden die Bäume die Familie gegen diese negativen Energien schützen. Nachts erleuchten die Lebensbäume Managua, eine der ärmsten Hauptstädte der Region, wie Disneyland.
Die Strippenzieherin
Für viele Beobachter ist Murillo längst die eigentliche Strippenzieherin in Nicaragua. "Vamos con todo" - wir geben alles - mit diesen Worten ordnete sie die blutige Niederschlagung der Studentenproteste 2018 an. Dabei kamen mehr als 350 Menschen ums Leben.
Seitdem geht das Regime gegen den immer weiter wachsenden Widerstand noch brutaler vor. Mord, willkürliche Inhaftierung, Folter, sexualisierte Gewalt, Verbrechen gegen die Menschlichkeit werfen Expertinnen und Experten des UN-Menschenrechtsrats dem Regime in einem Bericht vor, der gerade veröffentlicht wurde.
Auch die kürzliche Freilassung der 222 politischen Gefangenen war eine Idee seiner Frau Murillo, wie Ortega selbst sagte. Die Oppositionellen und Regierungskritiker wurden in die USA ausgeflogen, ihnen wurde die Staatsbürgerschaft aberkannt, ihr gesamtes Vermögen konfisziert. Auch die ehemalige sandinistische Guerillakämpferin Dora María Téllez, die Seite an Seite mit Daniel Ortega gegen die Somoza-Diktatur gekämpft hatte, ist darunter.
"Krieg im Kopf"
"Ortega und Murillo haben den Krieg im Kopf. Sie führen einen Krieg, bei dem es um alles geht, jegliche Mittel recht sind", sagte Téllez gegenüber dem argentinischen Online-Medium "Infobae". Sie wolle mit zivilen Mitteln kämpfen, die in freie und gerechte Wahlen münden sollen. Die Nicaraguaner sollten selbst entscheiden können, welche Regierung sie wollen.
Repressiv gehen Murillo und Ortega gegen alle vor, die Kritik üben. Oppositionelle, Kirchenvertreter, Journalisten, NGOs, Intellektuelle. Es herrscht ein Klima der Angst. Ausländische Journalisten werden nicht mehr ins Land gelassen. Kontakte in Nicaragua zu halten ist schwierig. Kaum jemand traut sich noch, sich am Telefon zu äußern.
Auch der Journalist Carlos Salinas Maldonado lebt im Exil in Mexiko. Er sah sich gezwungen, Nicaragua zu verlassen - zu groß war der Druck geworden. Wegen seiner kritischen Berichterstattung habe er Drohungen bekommen, erzählt er.
Auch Kirche in der Schusslinie
Nachdem in den vergangenen Monaten bereits hunderten anderen Nichtregierungsorganisationen die Rechtsgrundlage entzogen wurde, ist nun auch die katholische Caritas gezwungen, ihre Arbeit einzustellen. Insbesondere die Kirche galt einst als wichtige kritische Stimme, bis sie ebenso in die Schusslinie geriet. Selbst Osterprozession sind nun verboten - wie generell jegliche Versammlung und alle Proteste.
Jüngst wurde der Bischof Rolando Alvarez zu 26 Jahren verurteilt. Der Vorwurf: Ungehorsam und Untergrabung der nationalen Integrität. Er hatte sich geweigert, Nicaragua zu verlassen. Papst Franziskus, der sich lange Zeit zurückgehalten hatte, reagierte nun, auch wenn er vermied, den Namen Ortegas zu nennen.
Er könne nichts anderes sagen, als dass die Person, die das Land führe, aus dem Gleichgewicht geraten sei. Er verglich Nicaragua mit "der kommunistischen Diktatur von 1917 oder der Hitler-Diktatur von 1935". Die Reaktion des Regimes ließ nicht lange auf sich warten. Nun hat Nicaragua offenbar die diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl gekappt, wie das Außenministerium verlauten ließ.
Ortega werde alles dafür tun, um die Macht zu sichern, so der "El País"-Journalist Maldonado. Zu dem Zweck setzt er auch seine acht Kinder ein. Sie arbeiten als Berater der Regierung, verfügen über wichtige Positionen und führen die Medienunternehmen des Landes. Und in einer Ansprache kündigte Ortega an, seine Frau Murillo als Co-Präsidentin installieren zu wollen.