Krieg in Nahost Warum Biden Netanyahu so deutlich kritisiert
Israel riskiere, durch "willkürliche Bombardements" weltweit an Unterstützung zu verlieren - deutlicher als je zuvor hat US-Präsident Biden Israel für die Kriegsführung in Gaza kritisiert. Was steckt hinter dem Druck aus Washington?
Seine bisher schärfste Kritik an Israels Vorgehen im Gazastreifen hatte Joe Biden geübt, als keine Kameras oder Mikrofone im Raum waren. Vor Unterstützern seiner demokratischen Partei hatte Biden laut Augenzeugen gesagt, dass nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober der Großteil der Welt hinter Israel gestanden habe.
Aber nun sei Israel dabei, die Unterstützung durch "willkürliche Bombardements" zu verlieren. Die Formulierung sorgte in den USA auch deshalb für Aufsehen, weil willkürliche Bombardements nach internationalem Recht als Kriegsverbrechen gewertet werden können.
Als Biden jetzt vor laufenden Fernsehkameras auf seine Kritik an Israel angesprochen wurde, sagte er: "Ich möchte, dass sie sich darauf konzentrieren, wie sie das Leben von Zivilisten retten können. Sie sollen nicht aufhören, die Hamas zu verfolgen, sondern vorsichtiger sein."
Ein Dilemma für Biden
Dass Biden versucht, den Druck auf Israel zu erhöhen, hat auch innenpolitische Gründe. Vor allem Vertreter des linken Flügels seiner Partei hatten zuletzt immer lauter moniert, der Präsident ergreife zu einseitig für Israel Partei. Für Biden ein Dilemma, meint der Politikwissenschaftler David Schultz von der Hamline University im US-Bundesstaat Minnesota: "Er kann in der momentanen Situation nicht gewinnen."
Biden müsse zum einen auf die jüdischen Wählerstimmen Rücksicht nehmen, die sehr wichtig für ihn sind. Gleichzeitig brauche er auch den linken Parteiflügel. "Und er braucht die jungen Leute. Junge Wählerinnen und Wähler empfinden sehr viel mehr Sympathie - nicht unbedingt für die Hamas, aber für die Palästinenser", erklärt Schultz.
Biden versuche, von der anfänglichen uneingeschränkten Unterstützung Benjamin Netanyahus nur ein wenig zurückzurudern, so der Politikwissenschaftler: "Er kann es auch nicht übertreiben. Denn dann läuft er Gefahr, Stimmen an die Republikaner zu verlieren, die Israel sehr viel deutlicher unterstützen. Geht er zu weit, verliert er Wähler an die andere Seite."
Sympathien und Wähler
Doch Bidens Taktieren hat nicht nur mit dem Wahlkampf zu tun. Der Präsident versuche auch aus Überzeugung, sich in Nahost zu engagieren, betont Aaron David Miller. Er hat sowohl republikanische als auch demokratische Präsidenten beraten und ist heute für die Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden aktiv.
"Dieser Präsident hat im aktuellen Konflikt einen außergewöhnlichen pro-israelischen Rahmen geschaffen, indem er den Israelis zunächst die Zeit, den Rückhalt und die Unterstützung zugesichert hat, damit sie das gegen die Hamas tun können, was sie für nötig halten", so Miller. "Biden hat sich damit einen Hebel geschaffen. Und es gibt einen Zeitpunkt, zu dem er diesen Einfluss nutzen kann und nutzen muss."
USA dringen auf Ende des Krieges
Wie weit der Einfluss der USA tatsächlich geht, muss sich aber noch zeigen. Aus US-Regierungskreisen hieß es entsprechend vorsichtig, Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan habe bei seinen Gesprächen in Israel darauf gedrungen, die intensive Phase der Kämpfe im Gazastreifen möglichst bald abzuschließen und zu Operationen geringerer Intensität überzugehen.
John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, drückt es so aus: "Wir diktieren den Israelis nicht, wie lange der Krieg dauern soll. Aber wir wollen natürlich alle, dass er so bald wie möglich endet."