US-Außenminister in Israel Blinkens heikle Nahostreise
In einer extrem angespannten Phase reist US-Außenminister Blinken in den Nahen Osten. Die jüngsten Ereignisse dürften seine ursprünglichen Pläne durchkreuzt haben: Statt zu vermitteln muss er vor allem beschwichtigen.
US-Außenminister Antony Blinken ist um diese Nahostreise nicht zu beneiden. Er kommt in die Region zu einer Zeit, in der die Spannungen zwischen Israel und den Palästinensern zu eskalieren drohen. Noch in der vergangenen Woche machte der Sprecher des US State Department, Ned Price, klar, dass sein Chef, Blinken, als Vermittler nach Israel und in die Palästinensergebiete kommt und nach einer gemeinsamen Lösung sucht:
"Für uns ist klar: Es ist eine Tatsache, dass einseitige Schritte von Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde kritisch sind und Spannungen fördern. Und sie gefährden die bereits verhandelte Zweistaatenlösung und alle Bemühungen dahin. Das schließt konkret die weitere Annektierung von Gebieten, den Siedlungsbau und den Abriss von Häusern ein", sagte Price.
Doch seither hat sich das Szenario komplett verändert. Erst die Militäraktion der israelischen Sicherheitskräfte in Dschenin im Westjordanland mit zehn Toten, dann das Attentat in Jerusalem vor einer Synagoge mit sieben Toten. Blinken wird sich heute mit einem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu treffen, der von Vermittlung zwischen Israelis und Palästinensern derzeit nicht viel halten dürfte.
Netanyahu setzt nach dem Anschlag in Jerusalem auf eine Politik der harten Hand. "Wir suchen keine Eskalation, aber wir sind auf jede Möglichkeit vorbereitet. Unsere Antwort auf den Terrorismus ist eine eiserne Faust und eine kraftvolle, schnelle und präzise Antwort", so Netanyahu.
Zuletzt deutliche Kritik am Siedlungsbau
Statt als Vermittler muss Blinken nun als Feuerwehrmann agieren - was seine ursprünglichen Pläne komplett durchkreuzen dürfte, vor allem beim heiklen Thema Siedlungsbau. Noch vor wenigen Wochen hatte Blinken die Siedlungspolitik im besetzten Westjordanland mit deutlichen Worten kritisiert. Die USA würden sich auch weiterhin unmissverständlich allen Handlungen entgegenstellen, die die Aussichten auf eine Zweistaatenlösung untergraben, sagte er.
Nach dem Anschlag in Jerusalem ist die Ausweitung des Siedlungsbaus eine der Maßnahmen, die das Kabinett als Antwort auf den palästinensischen Terror angekündigt hat. In einer Mitteilung erklärte Netanyahu: "Den Terroristen, die uns aus unserem Land entwurzeln wollen, werden wir klarmachen, dass wir hierbleiben."
Schwierige Gespräche mit Abbas zu erwarten
Nicht einfacher dürften die Gespräche Blinkens mit der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) werden. Unter dem greisen Präsidenten Mahmoud Abbas verliert die PA immer mehr Einfluss; radikale Kräfte wie die Hamas oder der Islamische Dschihad werben im Westjordanland immer häufiger junge Palästinenser an und radikalisieren sie. Blinken dürfte Abbas bei seinem Gespräch in Ramallah am Dienstag ins Gewissen reden, sich klar von Terror und Gewalt zu distanzieren.
Angesichts der schwierigen Agenda, die Blinken vor sich hat, könnten in den Gesprächen mit Israel zwei andere Themen stärker in den Vordergrund rücken: die geplante und umstrittene Justizreform der Regierung Netanyahu, die auch in Washington kritisch gesehen wird. Und die gemeinsame Haltung von Israel und den USA im Kampf gegen die Atompläne des Iran.
Erst in der vergangenen Woche hatten beide Länder eine großangelegte gemeinsame Militärübung abgehalten, mit Tausenden von Soldaten, rund 140 Flugzeugen und einem Dutzend Kriegsschiffen. Hintergrund für diese bislang größte gemeinsame Militärübung sollen die wachsende Spannungen mit dem Iran gewesen sein. Beide Länder - Israel und die USA - könnten Medienberichten zufolge auch hinter dem jüngsten Drohnenangriff auf eine Militäranlage im Iran stecken.