Israel und Saudi-Arabien Neuer Anlauf zur Normalisierung?
Seit Langem ringen vor allem die USA um eine Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Israel. Schließlich gelangen erste Fortschritte - doch dann begann der Krieg im Gazastreifen. Nun scheint alles an dessen Ende zu hängen.
Optimismus zu verbreiten hat in der US-Regierung momentan offenbar Priorität. Als Außenminister Antony Blinken vor wenigen Tagen von Senator Lindsay Graham gefragt wurde, ob er optimistisch sei mit Blick auf eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel, war dessen Antwort eindeutig: "Bin ich."
Man sei an einem Punkt, wo sich die notwendigen Vereinbarungen zwischen den USA und Saudi-Arabien in greifbarer Nähe befänden. "Aber es braucht immer noch Israel dafür, um gewisse Schritte zu unternehmen." Damit spielt der US-Außenminister auf die Bedingungen an, die Saudi-Arabien gestellt hat, bevor es einem Deal zustimmen würde: eine Lösung für den Gazastreifen und die Palästinenserfrage.
An diesen Bedingungen lässt der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman kürzlich in seiner Rede vor der Arabischen Liga keine Zweifel aufkommen: "Wir fordern, die israelische Aggression in Gaza sofort zu beenden - und eine umfassende und gerechte Lösung der Palästinenserfrage, um das Recht des palästinensischen Volkes auf einen unabhängigen Staat zu garantieren."
Keine Beziehungen seit Gründung Israels
Bereits 2002 hatte die Arabische Liga nach saudischer Initiative einen Plan vorgelegt, der genau das beinhaltete: Eine Anerkennung Israels, wenn sich Israel im Gegenzug aus den seit 1967 besetzten Gebieten zurückzieht und einen Palästinenserstaat mit Ostjerusalem als Hauptstadt anerkennen würde. Doch es blieb bei den Forderungen.
Saudi-Arabien weigert sich seit der Gründung Israels, Beziehungen zu dem jüdischen Staat aufzunehmen. Auch, weil das reiche Land am Golf als Hüter der zwei wichtigsten Heiligtümer des Islam in Mekka und Medina eine ganz besondere Rolle in der muslimischen Welt spielt und als Fürsprecher der Sunniten gilt.
Doch in letzter Zeit war Bewegung in die Sache gekommen: Im Rahmen der von den USA initiierten Abraham-Abkommen nahmen 2020 mehrere arabische Staaten - darunter die Vereinigten Arabischen Emirate und Marokko - wieder Beziehungen zu Israel auf. Saudi-Arabien sollte folgen.
Vor einem knappen Jahr klang der saudische Kronprinz noch äußerst optimistisch: "Wir kommen jeden Tag voran. Es scheint zum ersten Mal etwas wirklich Ernsthaftes zu sein." Saudi-Arabien öffnete bereits den Luftraum für Flüge von und nach Israel, israelische Politiker statteten Riad einen Besuch ab. Die Palästinenserfrage scheine offenbar etwas nebensächlicher geworden zu sein in den Verhandlungen, sagten damals Beobachter.
Mit dem Kriegsbeginn lagen Gespräche erneut auf Eis
Doch der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober änderte alles und hatte vielleicht sogar das zum Ziel: Schlagartig wurde durch den darauffolgenden Krieg im Gazastreifen das Schicksal der Palästinenser wieder zur Top-Priorität der arabischen Staaten - und Saudi-Arabien fror die Gespräche über eine Normalisierung der Beziehungen wieder ein. Nun bemüht sich die US-Regierung intensiv, das Eis zwischen den Gesprächspartnern aufzutauen, um nach einem Ende des Kriegs einen regionalen Frieden im Nahen Osten zu beschwören.
"Jeder spricht gerade vom Tag eins nach dem Gaza-Krieg", so der jordanische Politikwissenschaftler Amer Al-Sabaileh. Es gebe den Willen der USA, eine Art regionale Stabilität zu erreichen. "Und das ist die Karotte, die sie den Israelis hinhalten: Wenn der Gaza-Krieg endet, könnte es zu einem regionalen Frieden kommen. Deshalb versuchen die USA, Saudi-Arabien und Israel zusammenzubringen. Und die Biden-Regierung will das jetzt so schnell wie möglich umsetzen, vor den US-Wahlen. Wir sprechen also über wenige Monate", so Al-Sabaileh.
Auch saudische Staatsmedien berichten nun, bilaterale Abkommen zwischen den USA und Saudi-Arabien stünden bereits kurz vor dem Abschluss. Diese Abkommen gelten als große Zugeständnisse und wichtiger Teil der US-Bemühungen, Riad zu einer Anerkennung Israels zu bewegen. Es geht um Sicherheitsgarantien. Also darum, dass die USA Saudi-Arabien im Ernstfall verteidigen würden, zudem um den Zugang Saudi-Arabiens zu modernen US-Waffen und ein ziviles Atomprogramm.
Abkommen würde Abkehr von China bedeuten
Nach dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi hat die Biden-Regierung den Verkauf von Waffen an Saudi-Arabien seit 2021 deutlich gebremst. Das Verhältnis zwischen den Ländern war frostig, und Saudi-Arabien wandte sich diplomatisch und wirtschaftlich in den vergangenen Jahren zunehmend China zu - sehr zum Ärger der USA.
Das neue Abkommen sehe nun vor, dass chinesische Waffenkäufe gestoppt und chinesische Investitionen in Saudi-Arabien begrenzt würden, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Kommt es im nächsten Schritt nun also bald zu einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel?
"Es braucht nun zwei Dinge", so der US-Botschafter in Tel Aviv, Jack Lew: "Wir brauchen eine Ruhephase in Gaza und es muss Gespräche geben, wie man in Israel die Zukunft einer palästinensischen Regierung sieht. Das ist eine Entscheidung, die die Regierung Israels und das israelische Volk nun treffen müssen." Denn vor einem Ende des Krieges in Gaza wird es eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien wohl kaum geben - genauso wenig wie Frieden in der gesamten Region.