Kabinett tagt zum Brexit Es gibt kein Zurück
Der Brexit ist längst beschlossene Sache. Wie der genau aussehen soll, darüber stritten sich die Mitglieder des britischen Kabinetts bei ersten Beratungen nach der Sommerpause. Dabei ging es auch um Arbeitnehmerfreizügigkeit.
Von Jens-Peter Marquardt, ARD-Studio London
Theresa May, frisch zurück aus dem Wanderurlaub in der Schweiz, bleibt dabei: Es gibt kein Zurück. Großbritannien wird aus der Europäischen Union austreten. So ihre Worte zu Beginn der Kabinettssitzung: "Brexit bedeutet Brexit. Und wir machen daraus einen Erfolg. Das heißt auch, dass wir kein zweites Referendum abhalten. Es wird keine Versuche geben, EU-Mitglied durch die Hintertür zu bleiben. Wir werden den Willen des Volkes ausführen."
Zerstrittene Minister inmitten der Idylle
Das hatte die neue Premierministerin so auch schon vor ihrem Urlaub im Schweizer EU-Ausland erklärt. Während der Sommerpause herrschte dann aber weitgehend Funkstille in London. Es gab kaum Hinweise darauf, wie die Briten in die Austrittsverhandlungen mit der EU gehen werden, auch nicht darauf, wann der Startschuss für diese Verhandlungen fällt.
Heute erst kam das Kabinett zusammen, um über die ersten Schritte zu beraten. Nicht wie üblich in London, sondern auf dem Regierungslandsitz in Chequers. Dort, in idyllischer Umgebung, saß Theresa May inmitten ihrer ziemlich zerstrittenen Ministerriege. Die meisten ihrer Minister wollten wie sie selber Großbritannien eigentlich in der EU halten. Und die, die schon vor dem Referendum für den Brexit waren, sind heute uneins darüber, wie sie den Ausstieg gestalten wollen.
May wartet auf Vorschläge
Dazu zählt Boris Johnson, der eigentlich selber gern Regierungschef geworden wäre, aber nun mit dem Amt des Außenministers zufrieden sein muss. Er nahm in Chequers direkt neben der Premierministerin Platz. Einen Platz weiter saß Liam Fox, der neue Handelsminister, der die Briten komplett vom Europäischen Binnenmarkt abkoppeln will. Direkt gegenüber der Premierministerin David Davies, der eigentliche Brexit-Minister.
Dieses Trio eint nur der Wille zum Brexit, ansonsten trauen sich Johnson, Fox und Davies nicht über den Weg. Dennoch erwartet die Premierministerin jetzt von ihnen Vorschläge für die Verhandlungen mit der EU: "Wir schauen uns die nächsten Schritte an, die wir jetzt gehen müssen. Und wir schauen uns die Möglichkeiten an, die die neue Rolle Großbritanniens in der Welt eröffnen kann."
Zwischen Angst und Wunschdenken
Wenig Konkretes heute: weder zum Zeitplan, noch zu den Verhandlungszielen der Briten. Das Brexit-Votum war für die Regierung eine Überraschung. Es gab in den Schubladen für diesen Fall keine Pläne. Und in der Regierungspartei auch heute keine Einigkeit über die Zukunft der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Der konservative Abgeordnete Kwasi Kwarteng will sie abschaffen: "Sie muss unbedingt eingeschränkt werden. Zuzügler dürfen in Zukunft nicht mehr einfach nur mit ihrem EU-Reisepass wedeln und ohne Job nach Großbritannien kommen."
Seine konservative Parteikollegin Anna Soubry sieht das anders: "Ohne die Freizügigkeit der Arbeitnehmer wird es für die britische Industrie schwer werden. Die Nahrungsmittelindustrie in meinem Wahlkreis zum Beispiel ist stark abhängig von Arbeitnehmern aus der EU. Auch unser gesamtes Gesundheitssystem verlässt sich auf qualifiziertes Personal aus der EU." Irgendwo dazwischen soll der Weg aus der EU liegen. Zwischen der Angst der Mehrheit der Briten vor immer mehr Zuzüglern und den Wünschen der Unternehmen nach freiem Zugang zu Arbeitnehmern und Kunden auf dem Kontinent.