Johnson und Juncker in Luxemburg Brexit-Lunch endet im Eklat
In den Brexit-Gesprächen hat auch ein Treffen von EU-Kommissionspräsident Juncker und Großbritanniens Premier Johnson keinen Durchbruch gebracht. Johnson ließ im Anschluss die geplante Pressekonferenz platzen.
Nur noch 45 Tage sind es bis zum offiziellen Brexit-Datum, dem 31. Oktober. Und noch immer gibt es keine Einigung über die Modalitäten des britischen EU-Austritts. In seiner Heimat Luxemburg hat der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den britischen Regierungschef Boris Johnson zu einem Arbeitsessen empfangen. Es war die erste persönliche Begegnung der beiden seit dem Amtsantritt Johnsons im Juli.
Konkrete Ergebnisse oder gar einen Durchbruch in den festgefahrenen Verhandlungen gab es anschließend nicht zu vermelden. Im Gegenteil: Eine geplante gemeinsame Pressekonferenz Johnsons mit dem luxemburgischen Ministerpräsidenten Bettel musste ohne den Gast aus London stattfinden.
Demonstranten protestieren gegen Johnson
"Johnson, geh' nach Hause”, "Boris, es reicht" und: "In der EU sind wir besser dran" - das hatten einige Protestierende vor dem Gebäude auf ihre Transparente geschrieben. Dazu schwenkten sie das blau-gelbe Sternenbanner der Europäischen Union und die blau-weiße Flagge Schottlands, während drinnen pochierte Bio-Eier, Hühnchen, Pilzrisotto und Fisch serviert wurde. Eine Demonstrantin sprach aus, was viele ihrer Mitstreiter denken mochten: Dass der britische Regierungschef ein "gewohnheitsmäßiger Lügner" sei und keinen Grund habe, nun damit aufzuhören.
Demonstranten äußerten ihren Unmut gegen Johnsons Brexit-Politik.
Trotz Ankündigung keine neuen Vorschläge
Dass für Johnson und seine vom Unterhaus arg gerupften Tory-Hardliner - ganz im Gegenteil - bald die "Stunde der Wahrheit" schlägt, ist dagegen derzeit die vorherrschende Meinung auf Seiten der EU. Seit Wochen schon hört man aus Diplomatenkreisen die immer lauter werdende Klage, dass aus der Downing Street partout keine neuen Vorschläge kämen, um in den strittigsten Scheidungsfragen vielleicht doch noch rechtzeitig vor dem 31. Oktober einen Kompromiss zu finden - ein Vorwurf, der den vollmundigen Aussagen des britischen Premiers zuwider läuft und den Alexander Schallenberger, der österreichische Außenminister, am Rande einer Ratssitzung in Brüssel bekräftigte: "Es ist von der EU-Seite alles getan und gesagt. Wenn Premierminister Johnson nicht mit etwas Neuem im Gepäck zu Juncker kommt, dann wird es einen harten Brexit geben."
Wie es scheint, hat die Einschätzung des Ministers auch nach dem Brexit-Lunch auf quasi neutralem Luxemburger Boden Bestand: Unter lauten Pfiffen und Buhrufen der versammelten Demonstranten verließen Juncker und Johnson nach gut zwei Stunden wortlos den Ort des Geschehens. Greifbare Ergebnisse hatten sie nicht zu verkünden, obwohl der Brite am Wochenende noch von "großen Fortschritten" geschwärmt und sich in einem Interview als wild entschlossener Comic-Held "Hulk" inszeniert hatte. Diesmal wirkte der starke Mann eher kleinlaut.
Johnson kommt nicht zur Pressekonferenz
Die für den Nachmittag geplante gemeinsame Pressekonferenz mit Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel ließ Johnson kurzerhand platzen - ein handfester Eklat, für den sich der Luxemburger anschließend mit einigen rhetorischen Breitseiten revanchierte: "Wir brauchen mehr als Worte", beschwor Bettel im Namen der EU. "Wir brauchen einen rechtlich umsetzbaren Text, um die Oktober-Deadline einzuhalten."
Luxemburgs Ministerpräsident Bettel musste die Pressekonferenz alleine bestreiten - und fand passende Worte zu dem Eklat.
Die EU-Kommission teilte in einer kargen schriftlichen Presseerklärung mit, dass die von ihr geforderten Alternativen zum umstrittenen Backstop, der Garantieklausel für eine offene Grenze in Nordirland, immer noch fehlten. Es sei an Großbritannien, praktikable und mit dem bereits fertigen Austrittsabkommen vereinbare Ideen vorzulegen. Man stehe weiterhin rund um die Uhr für Verhandlungen bereit.
EU-Gipfel am 17. Oktober
Am Mittwoch will der scheidende Kommissionspräsident Juncker dem EU-Parlament in Straßburg ausführlicher über den Verlauf seiner Begegnung und zum Stand der Brexit-Gespräche insgesamt Bericht erstatten. Als "wichtige Wegmarke im Prozess" nennt seine Behörde schon jetzt den bevorstehenden EU-Gipfel am 17. Oktober. Dann entscheidet sich, ob die 27 verbleibenden Mitgliedsstaaten den Briten einen weiteren Aufschub gewähren oder ob es Ende des Monats zum befürchteten "harten Brexit" kommt.
Aus Sicht des Luxemburgers Bettel zumindest wird es keine Verlängerung um ihrer selbst Willen geben. Sein eindringlicher Appell an die Briten und seinen vorzeitig heimgereisten Gast: "Ihre und unsere Leute zählen auf Sie. Aber die Uhr tickt. Nutzen Sie ihre Zeit weise!"