Einigung zur EU-Asylreform "Damit entlasten wir auch Deutschland"
Die EU will ihre Asylpolitik verschärfen. Die Einigung sei "dringend notwendig und längst überfällig", sagte Außenministerin Baerbock. Auch Kanzler Scholz lobte den Beschluss. Doch es gibt auch harsche Kritik.
Nach der Einigung der EU auf eine schärfere Asylpolitik fallen die Reaktionen in Deutschland gemischt aus. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die an den Verhandlungen teilgenommen hatte, zeigte sich hochzufrieden: "Wenn wir das Europa der offenen Grenzen im Inneren bewahren wollen, müssen wir die Außengrenzen schützen und funktionierende Verfahren erreichen."
Mit der EU-Reform wollen die Mitgliedstaaten irreguläre Migration eindämmen. Ein zentrales Element ist, dass ankommende Asylbewerber mit geringer Bleibechance schneller und direkt von der EU-Außengrenze abgeschoben werden sollen. Seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 wird an der Reform intensiv gearbeitet - und vor allem gestritten. Zuletzt waren etwa Ländern wie Ungarn die aktuellen Pläne nicht scharf genug, während Hilfsorganisationen und Teile von Linken und Grünen Menschenrechtsverletzungen befürchteten.
Scholz erwartet Entlastung für Staaten
Bundeskanzler Olaf Scholz sieht in der Einigung jedoch einen "wichtigen Beschluss". "Damit begrenzen wir die irreguläre Migration und entlasten die Staaten, die besonders stark betroffen sind - auch Deutschland", schrieb der SPD-Politiker auf der Online-Plattform X.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bezeichnete die Einigung als "dringend notwendig und längst überfällig". Insbesondere bei Grünen und Linken in Deutschland hatte es während der Verhandlungen Sorgen um Menschenrechtsstandards gegeben. Aus Baerbocks Sicht wurden hier Verbesserungen erzielt, so sollten auch in Krisenfällen humanitäre Standards erhalten bleiben. Sie räumte aber ein: "Bei der pauschalen Ausnahme von Kindern und Familien aus den Grenzverfahren konnten wir uns als Deutschland nicht durchsetzen."
Ihr Parteikollege, der Europaabgeordnete Erik Marquardt, sprach dagegen von einer "verpassten Chance", die Asylpolitik auf das richtige Gleis zu setzen. "Stattdessen sollen bürokratische Verfahren und harte Asylrechtsverschärfungen Menschen jetzt von der Flucht nach Europa abschrecken. Dieser Weg ist jedoch bereits in den letzten Jahren gescheitert", sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
"Meilenstein zur strikten Sicherung der EU-Außengrenzen"
Die Obfrau der FDP im EU-Ausschuss des Bundestages, Ann-Veruschka Jurisch, sagte zur Einigung: "Nicht nur die Außengrenzverfahren, sondern auch die Vereinheitlichung der Asyl-Anerkennungspraktiken sind ein wichtiges Signal, dass Europa die Zahl der irregulären Ankünfte von Menschen ohne Schutzanspruch verringern will - und wird."
Der deutsche CSU-Politiker und EVP-Fraktionschef Manfred Weber sprach von einem "Meilenstein zur strikten Sicherung der EU-Außengrenzen". Die EVP habe sich nach einer jahrelangen Verweigerungspolitik durch die liberalen und linken Parteien durchgesetzt. Die EU müsse jetzt einen Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit mit Drittstaaten, insbesondere in Afrika, legen.
Der Sprecher der unionsgeführten Innenministerien, Hessens Ressortchef Peter Beuth (CDU), sagte, die Einigung sei für die Kommunen mit der Hoffnung verbunden, dass sie weniger Menschen unterbringen und versorgen müssten. In diesem Jahr haben in Deutschland mehr als 304.000 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt. Dass es zu Engpässen in einigen Kommunen kommt, hat auch mit der Unterbringung und Versorgung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine zu tun.
Linke: Reform legalisiert jahrelange Rechtsbrüche
Scharfe Kritik kam unter anderem von den Linken. Die beschlossene Reform werde die Herausforderungen in der Praxis nicht lösen, meinte die EU-Abgeordnete Cornelia Ernst. "Im Gegenteil, sie legalisiert die jahrelangen Rechtsbrüche im EU-Asylrecht durch die Mitgliedsstaaten." Die Einigung sei "die massivste Verschärfung des Europäischen Asyl- und Migrationsrecht seit Gründung der EU", sagte die asyl- und migrationspolitische Sprecherin der Linken. Das individuelle Recht auf Asyl sei de facto tot.
Scharfe Kritik von NGOs
Auch Nichtregierungsorganisationen sehen die Asylreform kritisch. So erklärte etwa der europäische Caritas-Verband, die Reform werde die Asylproblematik in der EU nicht lösen, aber den Zugang zu Asyl und die Rechte der Schutzsuchenden einschränken. "Wir sind besorgt über die dramatischen Auswirkungen, die der Pakt auf Schutzsuchende in Europa haben könnte", erklärte die Generalsekretärin von Caritas Europa, Maria Nyman. In den Staaten an der Außengrenze würden absehbar Inhaftierungen unter schlechten Aufnahmebedingungen zum Alltag werden.
"Heute ist ein katastrophaler Tag für die Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen", erklärte Felix Braunsdorf, Experte für Flucht und Migration bei Ärzte ohne Grenzen. "Die Europäische Union setzt mit ihrer Asylreform auf Internierungslager, Zäune und Abschiebungen in unsichere Drittstaaten. Das ist ein Kompromiss auf Kosten der Menschenrechte."
Pro Asyl zeigte sich ebenfalls entsetzt. "Dieser von den europäischen Gesetzgebern beschlossene Abbau von Menschenrechten im Flüchtlingsschutz versperrt für viele den Zugang zu Schutz und errichtet ein System der Haftlager für Menschen, die fliehen und nichts verbrochen haben - selbst für Kinder und ihre Familien", teilte die Organisation mit. Durch die Ausweitung des Konzepts der "sicheren Drittstaaten" seien "neue menschenrechtswidrige Deals mit autokratischen Regierungen" zu erwarten.