
Vor dem Ukraine-Gipfel in London Jetzt sind die Europäer am Zug
Selenskyj ist von Trump gedemütigt worden, auch der britische Premier Starmer konnte den US-Präsidenten nicht erweichen. Die Ukraine braucht jetzt mehr als warme Worte, nämlich handfeste Zusagen von den europäischen Gipfelteilnehmern.
Nach dieser Pressekonferenz im Oval Office des Weißen Hauses gibt es eigentlich keine Fragen mehr. Für die Europäer ist spätestens jetzt klar: Die gemeinsame Wertegemeinschaft des Westens löst sich auf, die NATO als Verteidigungsbündnis ist infrage gestellt. Die Europäer stehen allein da mit einem Krieg auf ihrem Kontinent. Die würdelose Auseinandersetzung zwischen Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj definiert den Ausgangspunkt des Treffens zahlreicher europäischer Regierungschefs in London.
Kurz nach der denkwürdigen Begegnung der beiden Präsidenten im Weißen Haus verfassten zahlreiche Europäer Solidaritätsbekundungen für die Ukraine. Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb auf X, die Ukraine könne sich auf Deutschland verlassen. Ähnlich formulierte es der polnische Ministerpräsident Donald Tusk. Zuspruch folgte auch aus Schweden, Spanien, Norwegen und von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Aber mit warmen Worten allein können die Ukrainer nicht viel anfangen. Es geht um die Frage, wie ein Waffenstillstand, wie eine Einigung mit Russland aussehen könnte. Es geht um handfeste Zusagen, wie die Europäer das kriegsgeplagte Land unterstützen können, es geht um Geld, Waffenlieferungen und schlussendlich um die existenzielle Frage, wie Europa die eigene Sicherheit garantieren kann.
Charme-Offensive ohne konkrete Zusagen
Der britische Premier Keir Starmer telefonierte direkt nach dem Eklat im Weißen Haus mit Trump und Selenskyj - nacheinander. Möglicherweise ein Versuch zu retten, wenn es noch irgendwas zu retten gibt. Ähnlich auch war Keir Starmers Besuch in Washington am Donnerstag kalibriert: als Versuch, die Europäer und die USA zusammen zu halten.
Ganz oberflächlich betrachtet schien es die Chance zu geben, dass die kraftvolle Charme-Offensive durch Keir Starmer eine Wirkung erzielt bei Donald Trump. Der sprach in der Pressekonferenz von einer besonderen Beziehung, die Großbritannien und die USA verbänden. Er spaßte, dass er bereits vor Jahren die Wahlen hätte gewinnen können, wenn er einen so schönen Akzent wie Starmer gehabt hätte und er nannte Starmer auch einen "harten Verhandler", ganz offensichtlich mit Blick auf die Forderungen, die der britische Premier vorgetragen hat.
Keir Starmer wollte konkrete Zusagen nach Hause bringen. Die USA sollten einen Waffenstillstand garantieren, in irgendeiner Form absichern, forderte Starmer in Washington. Dabei ging es wohl um den möglichen Einsatz von US-Kampfjets, wenn dies nötig sein sollte. Doch Starmer erreichte nicht sonderlich viel. Wie er betonte, sollen nun die Teams beider Regierungen weiter beraten.
Immerhin ein Staatsbesuch
Mit einer Sache konnte Starmer hingegen beeindrucken: Er brachte eine Einladung von König Charles III. zu einem Staatsbesuch mit nach Washington - das wenigstens fand eine Resonanz bei Trump, der sich bedankte und mehrfach unterstrich, die Ehre von zwei Staatsbesuchen in Großbritannien sei noch niemandem zuteilgeworden.
Nun sitzen die Briten da mit einem unliebsamen Gast, der güldene Kutschen und Pomp genießen wird, sich jedoch keineswegs erweichen ließ, den Europäern auch nur irgendwie entgegenzukommen. Starmer, der als Brückenbauer zwischen Europa und den USA einspringen wollte, muss anerkennen, dass dieser Versuch spätestens am Freitag mit dem Streit von Trump und Selenskyj zerbröselt ist.
Gestern hatte Starmer den ukrainischen Präsidenten in der Downing Street empfangen. Eine Pressekonferenz gab es nicht. Zu Beginn des Treffens durften Journalisten filmen. Starmer sagte, Großbritannien werde die Ukraine unterstützen - so lange, wie nötig. Er sei willens, einen Weg zu finden, Russlands illegalen Krieg zu beenden und einen belastbaren und gerechten Frieden aufzubauen.
Druck von allen Seiten
Beim Ukraine-Gipfel in London geht es um viel, die Themen sind breit. Und möglicherweise erhöht sich auch der Druck auf Selenskyj, den Dialog mit Trump wieder aufzunehmen. Für die europäischen Regierungschefs dürfte auch klar sein, sie müssen mehr Geld für Verteidigung bereitstellen. Geld, das anderswo fehlen wird, bei Sozialleistungen, Bildung, Investitionen. Und das in Zeiten, in denen viele Regierungen unter Druck stehen durch rechte Parteien, die einfache Lösungen im Ukraine-Konflikt versprechen.