Russische Drohnenangriffe "Ich dachte: Das ist das Ende"
Viele Regionen in der Ukraine stehen derzeit quasi unter russischem Dauerbeschuss. Menschen rennen um ihr Leben, so wie Nadja und ihre Nachbarn. Eine weitere tödliche Gefahr: russische Minen.
Sirenen, russische Angriffe, das Geräusch der ukrainischen Flugabwehr, das Schreien, Weinen oder das Wegschaufeln von Schutt und Trümmer durch Helfer und den ukrainischen Katastrophendienst - das ist der Sound, der die Menschen in der Ukraine auch zum Jahreswechsel begleitet hat.
Mehr als 18.500 Verletzte und etwa 10.000 Tote - so viele Zivilistinnen und Zivilisten sind seit dem Beginn der russischen Großinvasion vor fast zwei Jahren nach UN-Angaben verwundet oder getötet worden. Durch russische Artillerie - in Ortschaften entlang der Frontlinien im Süden und Osten, oder in Gebieten, die im Nordosten an Russland grenzen wie Tschernihiw und Sumy. Dort in Krolewez schlug diese Woche auch in der Nähe von Nadjas Haus eine russische Drohne iranischer Bauart ein.
"Wir rannten los"
"Wir standen gerade draußen zusammen mit der Polizei, als der Luftalarm losging. Wir rannten los, im Hof bin ich hingefallen. Ich habe gesehen wie die Drohne über mir niedriger fliegt und dachte: Das ist das Ende." Dann sei sie plötzlich abgedreht. Sie habe es knallen gehört. "Die Nachbarn sind nicht mehr, dachte ich." Schwarzer Rauch sei aufgestiegen. "Ich bin dann aufgestanden und weiter gerannt und die nächste Drohne ist mir gefolgt. Wir sind friedliche Menschen." Hier gebe es nirgendwo militärischen Einrichtungen. "Ich weiß nicht einmal, warum sie es so sehr auf uns abgesehen hatten", sagt Nadja.
Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete
Es fehlt an Flugabwehrsystemen
Auch andere Regionen der Ukraine stehen praktisch unter russischem Dauerbeschuss. Sei es die Region Cherson im Süden oder die Region Charkiw im Osten des Landes. Anders als in Kiew gibt es unter anderem in Charkiw keine modernen Flugabwehrsysteme. Das sei das größte Defizit, so Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seinem Besuch in Litauen.
"Wir sollten die Rhetorik des russischen Präsidenten ernst nehmen. Er wird nicht aufhören, sondern möchte die ganze Ukraine besetzen. Wenn unsere Partner bei schneller finanzieller und militärischer Hilfe Unsicherheit zeigen, dann ermutigt und stärkt das die Russische Föderation. Und deswegen darf dies auf keinen Fall hinausgezögert werden", warnte Selenskyi.
Raketen trafen Kinderkrankenhaus
In der Region Charkiw schlagen Raketen und Drohnen oft ein, bevor die Sirene warnen kann. Denn von dort aus an die Grenze zu Russland sind es gerade mal rund 30 Kilometer. Kurz vor Silvester schoss Moskau 20 Raketen auf die Metropole im Osten ab, und in den ersten Januartagen zerstörten Drohnen und Raketen mehr als 130 Gebäude.
Auch am Dienstagabend schlugen in Charkiw S-300-Raketen ein. Es traf ein Kinderkrankenhaus. Das Gebäude ist zerstört, doch es war leer und niemand wurde verletzt oder getötet. Nach Angaben der regionalen Militärverwaltung wurde der Angriff vom russischen Gebiet Belgorod aus gestartet.
Russland vermint das Gelände
Unterdessen gehen die Kämpfe weiter. Der ukrainische Generalstab teilte diese Woche mit, im Süden und Osten sei es schwer. Auch rund um Bachmut oder Awdijiwka im Gebiet Donezk - ein inzwischen vollkommen zerstörter Ort, den die russischen Angreifer seit Monaten versuchen einzukesseln. Ukrainische Stellungen und Ortschaften stünden unter russischem Beschuss durch Luftangriffe oder Mehrfachraketenwerfer. Doch seien zahlreiche russische Angriffe abgewehrt worden.
Russland würde weiterhin alles stark verminen, sagte ein Minensucher der ukrainischen Armee. "Für die Sicherheit der Menschen machen wir das, um sowohl Zivilisten als auch bei militärischen Einsätzen sichere Bewegung zu ermöglichen. Die Minen sind alle heimtückisch, aber am heimtückischsten sind selbstgemachte Sprengkörper. Vielleicht Glück, Gefühl, Intuition ist das Beste, man muss das alles intuitiv verstehen, sehen. Das ist wahrscheinlich das Beste."
Gesetzentwurf zur Mobilmachung sorgt für Streit
Viele Soldatinnen und Soldaten sind seit dem Beginn der russischen Großinvasion eingesetzt und die Armeeführung möchte in den kommenden Jahren bis zu 500.000 Männer mobilisieren Das Thema Mobilisierung sorgt für heftige Debatten und es hagelt Vorwürfe, Männer würden gegen ihren Willen eingezogen.
Die Regierung hat einen Gesetzentwurf zur Mobilisierung eingebracht und der Parlamentsausschuss für Nationale Sicherheit und Verteidigung ebenso. Präsident Selenskyj sagte dazu: "Was die Menschen betrifft, so brauche ich hier konkrete Angaben, denn es stellt sich die Frage, was mit so einer ukrainischen Millionenarmee geschehen wird. Wir haben Fragen zur Rotation, wir haben Fragen des Urlaubs, und dies sollte ein umfassender Plan sein. Und in diesem Mobilisierungsgesetz müssen sie mir und vor allem der Gesellschaft Antworten geben."
Das ukrainische Parlament will noch in dieser Woche über das Gesetz beraten.