EU will Rückkehr zum Schengen-System Drehbuch mit Happy End im Dezember
Mission: Schengen retten. Das Drehbuch: Zwölf Seiten mit Happy-End im Dezember. Dann soll Europa zur alten Ordnung zurückgekehrt sein, die in der Flüchtlingskrise verloren ging. Voraussetzung für offene Binnengrenzen ist aber der Schutz der Außengrenzen. Und hier hapert's.
Es klingt wie der Titel eines Hollywood-Films: "Roadmap back to Schengen" - der Fahrplan zurück zu Schengen. Auf zwölf Seiten hat Dimitris Avramopoulos, der Innenkommissar der EU, eine Art Drehbuch verfasst, wie man die alte Ordnung des europäischen Grenzregimes wiederherstellen und das aktuelle Chaos beenden könnte. Sein Appell: "Wir dürfen das große Ganze nicht aus dem Blick verlieren und das, was auf dem Spiel steht: Schengen und unsere Einheit."
Drei Tage vor dem Sondergipfel mit der Türkei markiert der Innenkommissar aus Griechenland ein klares Ziel: Bis spätestens Dezember soll das vor 20 Jahren eingeführte System wieder so funktionieren wie vor der Flüchtlingskrise. Ein Zusammenbruch von Schengen wäre für ihn der Anfang vom Ende des europäischen Projekts.
"Flickwerk" auf der Balkanroute
Aber er stellt ebenso klar: Die verbreitete Praxis des "Durchwinkens" von Flüchtlingen müsse ein Ende haben. Mit Blick auf die Zustände entlang der Balkanroute spricht Avramopoulos von "Flickwerk". Er verlangt eine Rückkehr zur Normalität, und das möglichst schnell: "Wir müssen weg von einseitigen Beschlüssen, hin zu abgestimmten Maßnahmen und einem Ende aller Grenzkontrollen bis Ende des Jahres."
Sollte dies gelingen, ließen sich auch Schäden in Milliardenhöhe vermeiden, die der europäischen Wirtschaft durch Staus und längere Wartezeiten an den Grenzen entstünden, hofft der Kommissar. Auf bis zu 18 Milliarden Euro pro Jahr, schätzt man in Brüssel, könnten sich allein die direkten Kosten summieren. Voraussetzung für die wertvolle Freizügigkeit im Innern sei jedoch, so Avramopoulos, ein wirksamer Schutz der Außengrenzen:
Acht der 26 Länder, die dem Schengen-Verbund angehören, darunter Deutschland, Österreich und Schweden, führen seit Herbst systematische Grenzkontrollen durch. Dies, so der Kommissar, sei zwar mit den Regeln vereinbar, müsse aber die Ausnahme bleiben. Durch eine "abgestimmte Herangehensweise", wie es heißt, wolle die EU-Kommission in das Durcheinander wieder Ordnung bringen.
Druck auf Athen
Bedingung dafür sei jedoch, dass man vor allem die Lage in der Ägäis, zwischen Griechenland und der Türkei, wieder in den Griff bekommt. Hierfür setzt die Kommission der Regierung in Athen ein strenges Ultimatum: Bis spätestens zum 12. Mai muss sie detaillierte Empfehlungen aus Brüssel umgesetzt haben.
Bei ihrer schweren Aufgabe will man die Griechen allerdings nicht alleine lassen. Damit Avramopoulos‘ Plan funktioniert, sei es von großer Bedeutung, die EU-Agentur Frontex, wie vorgesehen, zu einer echten Grenz- und Küstenschutztruppe aufzurüsten: "Das heißt natürlich auch, dass wir auf die Mitgliedsländer und das Europäische Parlament zählen. Sie sollten hier schnell vorankommen. Die EU sollte in der Lage sein, ihre Außengrenzen schon im September mit Hilfe dieses neuen Systems zu managen."
Spannung vor Gipfel am Montag
Eine wichtige Station im Fahrplan von Innenkommissar Avramopoulos ist schließlich auch der kommende Montag. Dann findet in Brüssel das mit Spannung erwartete Sondertreffen der EU mit der Türkei statt. Ohne die Regierung in Ankara und den Ende November mit ihr vereinbarten Aktionsplan, betont der Grieche, sei an eine Lösung des Flüchtlingsproblems nicht zu denken. "Der Gipfel am Montag wird entscheidend. Denn es müssen weitere konkrete Schritte getan werden. Um den Zustrom von Flüchtlingen aus der Türkei zu verringern, mehr Abschiebungen durchzuführen und das schmutzige Geschäft der Schlepper zu bekämpfen."
Dass die Türkei Griechenland in den vergangenen Tagen rund 300 illegale Migranten wieder abgenommen hat, hält der EU-Kommissar für ein gutes Zeichen. Gemeinsam, so ist in Diplomatenkreisen zu hören, will man die Zahl der Ankommenden in den nächsten Wochen zügig gegen Null drücken. Angesichts durchschnittlich immer noch rund 2000 Flüchtlingen pro Tag und anhaltender Kämpfe in Syrien halten Skeptiker dies jedoch für Wunschdenken. Dass das Drehbuch der Kommission zu einem Happy-End führt, ist alles andere als ausgemacht. Und so bleibt der EU am Ende vielleicht doch nur der verzweifelte Aufruf von Ratspräsident Donald Tusk: "Kommt nicht nach Europa!"