Entscheidung über Zwangspause Johnson-Rücktritt nicht ausgeschlossen
Das Oberste Gericht in Großbritannien steht vor einer schwierigen Entscheidung: Ist die von Premier Johnson verlängerte Parlamentspause rechtens? Das heutige Urteil könnte auch Folgen für den Brexit haben.
Ursprünglich waren die juristischen Experten in Großbritannien davon ausgegangen, dass die Kläger vor dem Obersten Gericht des Landes keine Chance hätten. Doch seit der dreitägigen Anhörung in der vergangenen Woche sind sie sich nicht mehr ganz so sicher. Denn die elf Obersten Richter hatten vor allem die Rechtsvertreter der Regierung geradezu gegrillt, hatten immer wieder die Motive Boris Johnsons, das Parlament in eine außergewöhnlich lange Zwangspause zu schicken, hinterfragt.
Deshalb erscheint es jetzt zumindest nicht mehr ausgeschlossen, dass der Premierminister heute eine Niederlage einstecken könnte. Das wäre für ihn und die Regierung verheerend, am Ende könnte das Urteil sogar zum Rücktritt Johnsons führen.
Boris Johnson hatte das Parlament länger als üblich in den Urlaub geschickt.
Führte Johnson die Queen hinters Licht?
Die Anwälte der Regierung hatten dem Supreme Court im Laufe der Anhörung rundweg das Recht abgesprochen, die Entscheidung des Premierministers überhaupt zu überprüfen. Die Anwälte der Kläger hatten dagegen geltend gemacht, dass Johnson die Queen hinters Licht geführt habe, als er sie die Zwangspause verkünden ließ.
Es sei dem Premierminister nicht, wie von ihm behauptet, darum gegangen, das Programm seiner neuen Regierung auszuarbeiten und eine Regierungserklärung der Queen vorzubereiten, sondern ungestört vom Parlament seinen Brexit-Kurs durchzusetzen.
Kein Urteil über den Brexit, aber...
Gerichtspräsidentin Brenda Hale hatte am Ende der Beratungen noch einmal klargestellt: Das Urteil entscheide nicht über den Brexit. Das Urteil werde nicht darüber entscheiden, wann und unter welchen Bedingungen das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlasse.
Gleichwohl könnte das Urteil die Zukunft des Brexit zumindest beeinflussen: Die Abgeordneten hatten es noch vor der Zwangspause geschafft, ein Gesetz gegen den ungeregelten Austritt zu beschließen und gleichzeitig die Regierung aufgefordert, ohne gültiges Abkommen eine weitere Verschiebung des Austritts in Brüssel zu beantragen. Johnson beharrt aber weiter darauf, das Land am 31. Oktober aus der EU herauszuführen, egal wie.
Auch ein Mittelweg ist möglich
Ein aktives Parlament vorzeitig aus der Zwangspause zurückzurufen, könnte ihm nun erneut die Daumenschrauben anlegen. Doch noch ist es nicht soweit. Die Obersten Richter könnten auch Johnson Recht geben, oder einen Mittelweg gehen: Diese Zwangspause noch einmal für rechtens erklären, aber für zukünftige Entscheidungen enge Richtlinien festlegen.
In einem Land, das keine geschriebene Verfassung kennt, ist ein Urteil der Verfassungsrichter noch schwerer vorherzusagen als anderswo.