Beratungen über Migrationspolitik Kein Bürgergeld mehr für neue Ukraine-Flüchtlinge?
Bund und Länder beraten erneut über die Flüchtlingspolitik. Parteiübergreifend stößt ein CSU-Vorschlag auf positives Echo: Demnach sollen neue Ukraine-Flüchtlinge kein Bürgergeld mehr beziehen, sondern Hilfen nach Asylbewerberleistungsgesetz.
Unter dem Druck anhaltend hoher Asylbewerberzahlen sind die Regierungschefs und -chefinnen der Länder in Berlin zu Beratungen über die Migrationspolitik zusammengekommen. Auf dem Tisch könnte dabei möglicherweise auch ein Vorschlag des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) liegen. Im Redaktionsnetzwerk Deutschland hatte Herrmann angeregt, neu ankommenden Flüchtlinge aus der Ukraine kein Bürgergeld mehr auszuzahlen, sondern Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. So sollten soziale Anreize nach Deutschland zu kommen, deutlich reduziert werden.
Zum Vergleich: Ein alleinstehender Asylbewerber hat nach dem Asylbewerberleistungsgesetz einen Anspruch auf maximal 460 Euro pro Monat. Beim Bürgergeld beträgt der Satz für einen alleinstehenden Erwachsenen 563 Euro im Monat.
Rehlinger: "Diskussionswürdiger Vorschlag"
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) nannte den Vorstoß aus Bayern "einen diskussionswürdigen Vorschlag für die Zukunft". Rehlinger sagte, zu Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine sei es sinnvoll gewesen, ukrainische Flüchtlinge ins Bürgergeld aufzunehmen. Dies habe auch administrative Gründe gehabt - etwa hinsichtlich der Frage, welche Behörden in Deutschland für die Flüchtlinge zuständig sein sollten. Die Lage sei nun anders, weshalb über den Vorschlag aus Bayern diskutiert werden könne. "Für die Zukunft bin ich zumindest für eine solche Überlegung offen", sagte Rehlinger.
Auch FDP unterstützt Herrmanns Vorschlag
Auch die FDP unterstützte den Vorschlag, die Leistungen für künftige Ukraine-Flüchtlinge zurückzufahren. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Stefan Thomae, sagte in der "Augsburger Allgemeinen", die Idee, die Menschen aus der Ukraine sofort ins Bürgergeldsystem einzugliedern, sei damals nicht aus der Bundesregierung, sondern von den Landkreisen gekommen. "Inzwischen erkennt man, dass die im Vergleich zu anderen Aufnahmeländern niedrige Arbeitsquote der ukrainischen Flüchtlinge in Deutschland nicht nur mit Sprachbarrieren und auch Fragen der Kinderbetreuung zu tun haben könnte, sondern auch mit dem geringen Lohnabstand zwischen Bürgergeld mit der Wohnkostenübernahme und niedrigen Erwerbseinkommen."
Union macht Druck vor Beratungen
Am Nachmittag will auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an den Beratungen teilnehmen. Vor allem Unionspolitiker forderten vor dem Treffen eine schnellere und konsequentere Umsetzung der Beschlüsse vom November, mit denen die irreguläre Migration begrenzt werden soll. "So werden wir das Thema irreguläre Migration in Deutschland dieses Jahr nicht in den Griff bekommen", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Das werde am Ende nicht nur zu einer großen Überforderung der Kommunen führen, "sondern weiter die demokratische Stabilität und den Zusammenhalt des Landes zur Spannung führen". Auch die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Sachsen, Hendrik Wüst und Michael Kretschmer (beide CDU), bezeichneten die von der Ampel-Regierung ergriffenen Maßnahmen als nicht ausreichend.
Bund und Länder hatten bereits am 6. November eine Reihe von Reformen zur Reduzierung der irregulären Migration vereinbart, deren Umsetzung nun überprüft werden soll. Dazu gehört etwa die Ausweitung der als sichere Herkunftsländer eingestuften Staaten, Abkommen mit Drittstaaten für die Rücknahme abgelehnter Asylbewerber oder die Einführung einer Bezahlkarte, um Asylbewerbern verstärkt Sach- statt Geldleistungen zukommen zu lassen.
Kommunen an der Belastungsgrenze
Der Städte- und Gemeindebund bekräftigte seine Forderung nach Entlastungen. "Die Kommunen sind an der Belastungsgrenze, was Unterbringung, Versorgung und Integration angeht", sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger der "Augsburger Allgemeinen". Er forderte eine stärkere Beteiligung von Bund und Ländern an den Kosten für Unterbringung und Integration. Der Präsident des Landkreistags, Reinhard Sager (CDU), pochte auf eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten. "Wir brauchen größere Fortschritte in der Migrationspolitik - das gilt gerade für die von der Bundesregierung angekündigte Rückführungsoffensive", sagte er der "Rheinischen Post". "Neben intensiver Arbeit an notwendigen Rückführungsabkommen brauchen wir auch eine weitere, deutlichere Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten."
Dreyer sieht keinen zusätzlichen Handlungsbedarf
Die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) sieht hingegen keinen Grund für eine weitere Verschärfung der Asylpolitik. "Die Flüchtlingszahlen sinken, das liegt sicherlich auch am Wintereffekt, es zeigt aber auch, dass die Maßnahmen wirken", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Wir haben in der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz im November weitgehende Regelungen getroffen, um irreguläre Migration zu begrenzen, eine gerechtere Verteilung in Europa zu erreichen und Deutschland damit zu entlasten." Sehr vieles sei bereits umgesetzt.