Tagung der Justizminister Heftige Kritik und ein bisschen Rückenwind
Bundesjustizminister Buschmann hat im Kreise seiner Länderkollegen viel Kritik einstecken müssen. Es geht mal wieder ums Geld. Beim Thema Vorratsdatenspeicherung lief es besser für den FDP-Minister.
"Das Verhältnis ist stark verbesserungsbedürftig." Georg Eisenreich, bayerischer Justizminister (CSU) und Vorsitzender der Justizministerkonferenz der Länder, ist genervt. Grund seines Unmuts: Marco Buschmann (FDP). Schon drei Bundesjustizminister und -ministerinnen habe er erlebt, so Eisenreich, aber mit "den anderen" sei die Zusammenarbeit besser gewesen. "Erheblich besser", wie er ergänzt.
Auch Anna Gallina (Grüne) und Marion Gentges (CDU), seine Kolleginnen aus Hamburg und Baden-Württemberg sprechen von einem "deutlichen Dissenz" und fehlender Offenheit in der Kommunikation.
Die Justizministerinnen und -minister der Länder fühlen sich vom Bund im Stich gelassen - und lassen das heute bei ihrer Herbstkonferenz in Berlin auch deutlich wissen. Es geht ums Geld und einen entscheiden Satz im Koalitionsvertrag der Ampel von 2021. Dort heißt es: "Wir verstetigen mit den Ländern den Pakt für den Rechtsstaat und erweitern ihn um einen Digitalpakt für die Justiz." Nach Lesart der Länder war das ein klares Versprechen für mehr Geld. Doch genau das steht infrage.
Förderung für Stellen im Justizbereich
Der Pakt für den Rechtsstaat war eigentlich ein Projekt der vergangenen Legislatur, angeschoben noch unter Katharina Barley (SPD). Insgesamt 220 Millionen Euro vom Bund gab es da: Anschubförderung für 2000 neue Stellen im Justizbereich. Die Länder erwarten die Fortsetzung dieser Förderung - und zusätzliche Finanzen für die Digitalisierung der Justiz: 350 Millionen Euro - pro Jahr. So sieht es auch der Richterbund: "Die Ampel-Koalition muss beide Versprechen des Koalitionsvertrages halten und neben einem Digitalpakt mit den Ländern auch eine mehrjährige Co-Finanzierung neuer Stellen durch den Bund auf den Weg bringen."
Das Hauptargument: Der Effekt des ersten Pakts ist längst verpufft, die Entlastung aufgefressen durch neue Aufgaben, zusätzliche Verfahren, Arbeitsverdichtung auch ausgelöst durch neue Vorgaben und neue Gesetze des Bundes. Deshalb muss - auch wenn der Justizbereich größtenteils Ländersache ist - mehr Geld her.
Buschmann will maximal 200 Millionen geben
Der Bundesjustizminister will auch was geben, nur nicht ansatzweise so viel, wie es die Länder fordern. Maximal 200 Millionen Euro stellt er in Aussicht bis 2026 - aber zweckgebunden. Nicht für neue Richter oder Justizangestellte, sondern für Digitalisierungsprojekte, die der Bund zum Teil auch selber mit aufsetzen will. Von einem "Pakt für den digitalen Rechtsstaat" spricht Buschmann. Von "Mogelpackung" und "Etikettenschwindel" die Länderminister.
Im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio verweist der Bundesjustizminister auf die Zuständigkeit der Länder und auch darauf, dass sich die Finanzausstattung des Bundes sich nunmal krisenbedingt "dramatisch verändert" habe. Heißt: Mehr Geld ist wohl nicht drin und der Satz aus dem Koalitionsvertrag zumindest teilweise hinfällig.
Die von Buschmann vorgeschlagenen 200 Millionen Euro nehme man gern "als Anzahlung", kontert Georg Eisenreich. Einig sei man sich momentan nur darüber, dass man die Gespräche intensivieren und im Frühjahr einen gemeinsamen Digitalgipfel durchführen wolle - um Ziele und Strategien für die Digitalisierung der Justiz klarer zu ziehen. Beim Geld wollen die Länderminister nun Druck über die Ministerpräsidenten machen.
Rückenwind bei "Quick Freeze"
Immerhin etwas Rückenwind aus den Ländern bekommt Buschmann bei einem anderen Thema: Bei der Diskussion um die Nachfolge für die gekippte Vorratsdatenspeicherung. Neun der 16 Ministerinnen und Minister schlagen sich auf die Seite des FDP-Politikers für das sogenannte "Quick-Freeze-Verfahren".
Das funktioniert so: Bei einem konkreten Verdacht auf eine schwere Straftat könnte ein Richter von einem Telekommunikationsunternehmen verlangen, alle vorhandenen Daten eines Verdächtigen und seiner Kontaktpersonen einzufrieren. Sollte sich der Verdacht erhärten, können die Daten aufgetaut werden - also an die Ermittler übergeben. Wie beim Einfrieren müsste auch das Auftauen ein Richter anordnen.
In der Ampel geht der Konflikt wohl weiter
Für Bayerns Justizminister Eisenreich ist das zu wenig. Er plädiert für eine generelle Speicherung der IP-Adressen. Denn wenn die Provider nichts speichern, könne man auch nichts einfrieren. "Quick-Freeze" nennt Eisenreich deshalb "Augenwischerei". Damit stellt sich der Vorsitzende der Justizministerkonferenz klar an die Seite von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).
Die setzt sich dafür ein, bei Ermittlungen im Netz künftig grundsätzlich die IP-Adressen zu sichern. Faeser sieht sich bestätigt durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshof aus dem September. Die Richter halten so eine "Vorratsdatenspeicherung light" unter bestimmten Bedingungen für möglich. Da momentan weder das Justiz- noch das Innenministerium kompromissbereit sind, wird das Thema wohl demnächst in einem Koalitionsausschuss aufgerufen. Bei der Spitzenrunde der Ampel ist Buschmann regelmäßig dabei, Faeser nicht.
Zumindest die Justizministerkonferenz hat sich jetzt positioniert - für Buschmann und "Quick Freeze". Dass das im Ampel-internen Streit eine größere Rolle spielt, glauben allerdings nicht mal die Justizminister selbst.