Nach Haushaltskompromiss "Die Truppe ist größtenteils schockiert"
Ein Haushaltskompromiss ist gefunden, doch die Debatte geht weiter. Der Wehretat soll kleiner ausfallen als von Minister Pistorius gefordert. Nicht nur der Bundeswehrverband fordert deutliche Nachbesserungen.
Nach dem Haushaltskompromiss der Ampel-Koalition gibt es weiter Kritik an der voraussichtlich nur geringen Erhöhung des Wehretats. Unter anderem der Bundeswehrverband fordert deutliche Nachbesserungen. Er verweist auf die neue militärische Bedrohungslage in Europa und auf Deutschlands Verantwortung in der Welt. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, reagierte empört: "Mit diesem Haushalt mag sich die Bundesregierung zwar durch diese Legislaturperiode hangeln wollen, aber die Bundeswehr als wesentlicher Teil unserer Sicherheitsarchitektur - und damit wir alle - zahlt den Preis dafür", sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
"Die Truppe ist verwundert, größtenteils schockiert"
Ein Zuwachs von 1,2 Milliarden Euro werde "keinesfalls der aktuellen Bedrohungslage und erst recht nicht Deutschlands Verantwortung in der Welt gerecht". "Die Truppe ist verwundert, größtenteils schockiert. Gerade nach der Aussage des Bundeskanzlers während der Münchner Sicherheitskonferenz 'Ohne Sicherheit ist alles nichts' hätte niemand mit einer derartigen Unterdeckung des Verteidigungsetats gerechnet", sagte Wüstner. "Trotz Ausrufung der Zeitenwende ist leider keine Erkenntniswende eingetreten."
Wüstner fordert Nachbesserung im Parlament
Jeder wisse, dass das sogenannte Sondervermögen der Bundeswehr von 100 Milliarden Euro bereits in diesem Jahr vollständig in Verträgen gebunden sei. "Wir brauchen den Aufwuchs des Verteidigungshaushaltes auch, um die dramatisch steigenden Betriebsausgaben zu decken - vom Stromerzeugeraggregat über Betriebsstoff und Sonderwerkzeugsätze bis hin zum Personal», betonte Wüstner. Er forderte für die nach der Sommerpause im September beginnenden Haushaltsberatungen im Bundestag: "Das Parlament muss massiv nachsteuern." Geschehe dies nicht, "dann heißt es ZeitenWende - ZeitenEnde".
Pistorius hatte deutlich mehr gefordert
Die Spitzen der Koalition hatten sich in der Nacht zum Freitag auf einen Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 geeinigt. Die Schuldenbremse wird eingehalten, eine Haushaltsnotlage etwa wegen der Ausgaben für die militärische und humanitäre Unterstützung der Ukraine nicht festgestellt. Dies war der FDP und ihrem Finanzminister Christian Lindner wichtig. Nicht durchsetzen konnte sich dagegen Verteidigungsminister Boris Pistorius. Er wollte erreichen, dass der Verteidigungsetat von rund 52 Milliarden Euro um mehr als sechs Milliarden Euro aufgestockt wird. Zugebilligt wurde ihm jedoch nur eine Erhöhung um 1,2 Milliarden Euro.
Scholz verteidigt Haushaltskompromiss
Der Bundeskanzler hatte den Haushaltskompromiss verteidigt, der - wie er bei einem Bürgerdialog in Weimar gestand - "mühevoll errungen" worden sei. Die Koalition tue etwas für Kinder und Familien, indem das Kindergeld und der Kinderzuschlag erhöht würden, sagte Scholz. Sie investiere in die Infrastruktur des Landes wie Straßen und Schienen. Und auch in die modernste Infrastruktur für die innere und äußere Sicherheit Deutschlands fließe Geld. Der Kanzler betonte, "dass wir für die Sicherheit unseres Landes das notwendige Geld bereitstellen und dass wir deshalb auch die Bundeswehr besser ausstatten werden, als es in der Vergangenheit der Fall war".
Kritik aus SPD-Fraktion und auch der Opposition
Doch auch in der SPD-Fraktion gibt es Kritik am Verteidigungsetat: Der SPD-Haushaltsexperte Andreas Schwarz sprach angesichts der geringen Anhebung von einer "ernüchternden Zahl". "Das Ergebnis der regierungsinternen Haushaltsgespräche entspricht nicht dem, was wir im Verteidigungsbereich brauchen. Nun hätten die Bundestagsabgeordneten "im parlamentarischen Verfahren die Aufgabe, deutliche Nachbesserungen vorzunehmen", hatte Schwarz dem "Tagesspiegel" gesagt. Auch die Union hätte sich höhere Wehrausgaben gewünscht. Von der "Priorität Sicherheit" sei "nichts zu erkennen", hatte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen in der "Wirtschaftswoche" beklagt.
Auch vom Präsident des Reservistenverbandes, Patrick Sensburg, gab es Kritik: "Damit werden wir nicht kriegstüchtig. Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete warnte beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Es werden vielmehr an allen Ecken und Enden Lücken bleiben."
Finanzminister Lindner wiederum verteidigte die Pläne. "Der Verteidigungsminister bekommt mehr Geld als im Haushalt davor, aber er bekommt weniger Geld, als er auch öffentlich gefordert hat. Das ist der ganz normale Haushaltsprozess", hatte Lindner der "Bild" gesagt. Ein Minister fordere "natürlich das Maximum." Die Aufgabe Lindners und der Regierung sei dann, "zu prüfen, was wünschenswert und was wirklich notwendig ist".