Streit in der Ampel "Bösartig", "Appeasement" und ein AfD-Vergleich
Mit harten Bandagen gehen sich vor allem SPD und Liberale in Sachen Ukraine-Unterstützung an. Mittendrin: FDP-Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann. Und die Grünen ärgern sich über den Kanzler.
In der Ampelkoalition verschärft sich der Streit über die Ukraine-Politik. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, warf der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann "niveaulose und bösartige" Äußerungen vor.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und Europa-Spitzenkandidatin ihrer Partei hatte der SPD zuvor im Deutschlandfunk "Appeasement"-Politik vorgeworfen und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich in die Nähe der Positionen von AfD und BSW gerückt.
Immer noch Ärger wegen des Verteidigungsausschusses
Mast warf Strack-Zimmermann zudem schwere Versäumnisse als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses vor. So drangen aus einer geheimen Sitzung vergangene Woche Informationen von Generalinspekteur Carsten Breuer über "Taurus"-Marschflugkörper nach außen. Mehr als 100 Personen waren in der Sitzung anwesend.
Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hatte Verwunderung darüber ausgedrückt, dass Strack-Zimmermann dies zugelassen habe. Diese entgegnete, dass der Ausschuss 38 ordentliche Mitglieder habe, je nach Thema seien auch einige ihrer Stellvertreter dabei. Zwei Drittel aber seien von Ministerien, Kanzleramt, Bundespräsidialamt, Geheimdiensten und Landesvertretungen der Bundesländer - das sei verbrieftes Recht. Sie will aber bei bestimmten Sitzungen den Teilnehmerkreis verringern.
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Wolfgang Hellmich, forderte Konsequenzen. Es stelle sich die Frage, wie Strack-Zimmermann überhaupt noch "unabhängig und vertrauensvoll" den Ausschuss leiten könne: "Ich werde daher anregen, diese und weitere Fragen in einer Runde der demokratischen Obleute ohne die Ausschussvorsitzende zu besprechen."
"In die Richtung, den Russen die Arbeit abzunehmen"
Strack-Zimmermann wies die Vorwürfe der anderen Koalitionspolitiker zurück. Sie hatte auch darauf hingewiesen, dass der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke und die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht die Äußerung des SPD-Fraktionschefs über ein "Einfrieren" des Konflikts in der Ukraine begrüßten. Mützenich "geht in die Richtung, den Russen die Arbeit abzunehmen", sagte Strack-Zimmermann. Mützenichs Aussage sei "skandalös", weil er "sich abkehrt von der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland".
Mast begründete ihren Vorwurf der "Bösartigkeit" damit, dass dabei unterschlagen werde, dass ihr Fraktionschef das Wort "Einfrieren" als Frage verwendet habe und er zudem zu den entschiedensten Unterstützern einer größeren Militärhilfe für die Ukraine zähle.
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, unterstützte seine Fraktionskollegin Strack-Zimmermann: "Ich verbitte mir Angriffe auf unsere Ausschussvorsitzende aus anderen Fraktionen - erst recht aus Fraktionen, die diese Koalition tragen." Ausgangspunkt der Debatte seien missverständliche Formulierungen Mützenichs, die Zweifel am Kurs der Koalition zugelassen hätten. Zudem stehe der Verdacht des Geheimnisverrats im Raum, was eine Straftat sei. Die SPD solle sich lieber mit der FDP darum kümmern, die Wirtschaftswende in Deutschland herbeizuführen.
"Da ist nichts lächerlich dran"
Die Grünen wiederum sind verärgert über die Kanzler-Kritik an der "Taurus"-Debatte. Co-Fraktionschefin Katharina Dröge kritisierte Scholz für dessen Bemerkung, dass die deutsche Debatte über die Ukraine-Hilfe "an Lächerlichkeit nicht zu überbieten" sei. Die Grünen würden sie weiter führen, kündigte sie an: "Da ist nichts lächerlich dran, wie manche meinen. Das ist keine Debatte, die man an irgendeiner Stelle beenden kann."
In den vergangenen Wochen hatten vor allem Grünen- und FDP-Politiker die Entscheidung des Kanzlers kritisiert, der Ukraine keine "Taurus"-Marschflugkörper zu liefern. Dutzende Ampel-Parlamentarier gaben ihre abweichende Meinung bei einer Bundestagsdebatte zu Protokoll. Strack-Zimmermann stimmte sogar zweimal mit einem Antrag der oppositionellen Union.
Spitzentrio bemüht sich um Koalitionsklima
Erst am Vorabend hatten Scholz, Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Einheit der Ampelkoalition beschworen. Es wäre ein Vorteil, dass "der Spirit für die ganze Regierung schon mal neu gezündet wird", hatte der Kanzler auf einer SPD-Veranstaltung gesagt, an der auch Habeck und Lindner teilnahmen.
Wegen der zuletzt großen Spannungen in der Ampel hatte Scholz zudem der FDP-Bundestagsfraktion am Dienstag zwei Stunden Rede und Antwort gestanden.