Sachsen und Thüringen Welche Themen die Landtagswahlen bestimmen
Bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen wollen viele der Bundesregierung einen "Denkzettel verpassen". Auch innere und soziale Sicherheit sind Top-Themen. Die AfD gilt zunehmend als Problemlöser.
Wenn an diesem Sonntag in Sachsen und Thüringen ein neuer Landtag gewählt wird, dann hat die AfD gute Chancen, in einem Bundesland erstmals stärkste politische Kraft zu werden. Das ist schon allein deshalb bemerkenswert, weil sie im vollen Bewusstsein gewählt wird, vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft zu sein.
Eine Studie des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap zeigt, dass in beiden Bundesländern etwa ein Viertel der Wähler der AfD ein "geschlossen rechtsextremes Weltbild" und etwa ein weiteres Viertel "ausgeprägt rechte" politische Einstellungen hat. Die Hälfte zeigt aber wenig oder gar keine rechtsgerichteten Überzeugungen.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht, erst im Januar dieses Jahres gegründet, dürfte bereits im zarten Alter von nicht einmal acht Monaten in zwei Landtage einziehen. So schnell hat sich ein neues politisches Angebot bisher noch nie durchgesetzt. Dadurch verändern sich die Kräfteverhältnisse weiter. Die Bildung von Koalitionen wird zu einer Herausforderung.
Nur wenige halten Scholz für einen guten Bundeskanzler
Gründe für die unübersichtliche politische Lage sind die desaströse Bewertung der Arbeit der Bundesregierung und das nachlassende Vertrauen in beide Landesregierungen. In den repräsentativen Befragungen, die infratest dimap in beiden Bundesländern in dieser Woche für die ARD durchgeführt hat, halten nur noch 17 Prozent Olaf Scholz für einen guten Bundeskanzler. Drei Viertel der Befragten urteilen, er werde seiner Führungsverantwortung nicht gerecht.
Mehr als die Hälfte der Befragten hält die Wahl für eine gute Gelegenheit, "der Bundesregierung einen Denkzettel zu verpassen". Die führende Oppositionspartei im Bund, die CDU, profitiert davon wenig. Auch bei ihr sinkt das Vertrauen, den Vorsitzenden Friedrich Merz hielten 22 Prozent für einen guten Bundeskanzler.
Top-Themen innere und soziale Sicherheit
Entscheidende Themen sind innere Sicherheit und soziale Sicherheit. Die große Mehrheit der Befragten teilt die Sorge, dass die Kriminalität stark zunimmt. Zwei Drittel sind besorgt, dass "zu viele Fremde nach Deutschland kommen", die Angst vor einem wachsenden Einfluss des Islam ist ausgeprägt. Aber auch die Sorge, den eigenen Lebensstandard nicht mehr halten zu können, teilt mehr als die Hälfte Befragten.
Nur Kretschmer und Ramelow überzeugen
Gesucht werden in dieser Lage eigentlich politische Führungspersonen, denen man Vertrauen schenken kann. Unter allen Bundes- und Landespolitikern, die in der Erhebung genannt wurden, erreichen nur zwei ein mehrheitlich positives Urteil über ihre politische Arbeit: Michael Kretschmer (CDU), sächsischer Ministerpräsident, kommt auf 55 Prozent Zustimmung. Bodo Ramelow (Linke), thüringischer Ministerpräsident, erhält 51 Prozent. Beide hatten aber vor fünf Jahren deutlich höhere Werte.
Die Befragungen in Sachsen und Thüringen zeigen auch, dass ein sehr starkes Motiv, CDU zu wählen, darin liegt, die AfD als stärkste Partei zu verhindern. Das nennt gut die Hälfte der Wählerinnen und Wähler der CDU als Grund für ihre Wahlabsicht.
AfD gilt zunehmend als Problemlöser
Die wohl wichtigste politische Veränderung, die aus den Befragungen hervorgeht: Die AfD entwickelt sich von der Protest- zur Vertrauenspartei. Ihr wird mittlerweile breite Problemlösungskompetenz zugeschrieben.
Vor jeder Wahl befragen wir die Wählerinnen und Wähler, welcher Partei sie auf verschiedenen Politikfeldern die größte Kompetenz zumessen. In Sachsen und Thüringen wurden den Befragten jeweils neun Felder genannt, auf fünf Feldern hat die AfD nun das größte Zutrauen. In der Asyl- und Flüchtlingspolitik und in der Bekämpfung der Kriminalität nennen jeweils rund 30 Prozent die AfD als kompetenteste Partei.
Bei der Vertretung ostdeutscher Interessen, der Politik gegenüber der Ukraine und Russland und beim Thema soziale Gerechtigkeit sind die Werte zwar geringer, reichen aber für den Spitzenplatz. Mit knapp 20 Prozent Kompetenz bei sozialer Gerechtigkeit liegt sie erstmals auf diesem Feld vor den anderen Parteien, in Sachsen und Thüringen.
Tiefstwerte für Ampelparteien
Entsprechend düster sieht die Bewertung der Ampelparteien aus. Für die SPD wurden bei der Kompetenz für soziale Gerechtigkeit und für die Grünen bei der Klimapolitik Tiefstwerte gemessen. Kompetenzwerte für die FDP sind kaum messbar.
Das führt zu der einmaligen Situation, dass es für alle drei Parteien der Bundesregierung bereits ein wichtiges politisches Ziel ist, überhaupt in die beiden Landtage einzuziehen. Die SPD hat gute Chancen, das zu erreichen, die Grünen zumindest in Sachsen, die Aussichten für die FDP sind gering.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kann hingegen mit zweistelligen Werten rechnen. Dafür gibt es ein Mosaik der Motive. Sahra Wagenknecht als Person ist für viele ein Grund. Andere wollen das BSW wählen, weil sie von der Linken enttäuscht sind. Eine kleinere Gruppe der Wählerinnen und Wähler, für die das Verhältnis zu Russland und die Waffenlieferungen an die Ukraine wahlentscheidend sind, macht ebenfalls das Kreuz beim BSW.
Genaue Mandatszahlen wohl erst am späten Abend
Die genauen politischen Verhältnisse in den Landtagen könnten unter diesen Umständen von einzelnen Mandaten abhängen und davon welche Parteien die Fünf-Prozent-Hürde nehmen. Die Prognose um 18 Uhr und die anschließenden Hochrechnungen können zwar die Stimmanteile sehr gut schätzen, nicht aber die genauen Mandatszahlen. So kann es gut sein, dass völlige Klarheit erst am späteren Abend besteht.