Vorwurf der Volksverhetzung Freispruch für Corona-Kritiker Bhakdi
Er gilt als Ikone in der Szene der Corona-Kritiker - trotz seiner antisemitischen Äußerungen: Nun hat das Amtsgericht Plön den Mediziner Bhakdi vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen. Die jüdische Werteinitiative ist entsetzt.
Im Prozess gegen Sucharit Bhakdi ist der bekannte Kritiker der Coronamaßnahmen vom Vorwurf der zweifachen Volksverhetzung freigesprochen worden. Das Amtsgericht Plön sah in seinen Äußerungen zum "Volk der Juden" und einer Relativierung des Holocausts keine strafbaren Handlungen.
Bhakdi hatte in einem Video unter anderem die Impfmaßnahmen Israels kritisiert und behauptet, das "Volk der Juden" habe von den Nazis das "Erzböse" gelernt und "umgesetzt".
Das Gericht nahm zugunsten Bhakdis an, dass er mit dem "Volk der Juden" auch die Politik der israelischen Regierung gemeint haben könnte. Im Interesse des Angeklagten sei die für ihn günstigste Interpretation bei der Urteilsfindung zu wählen, hieß es in der Begründung von Amtsrichter Malte Grundmann.
Relativierung des Holocausts allein reicht nicht
Eine Relativierung des Holocausts Bhakdis im Rahmen einer Rede auf dem Kieler Rathausmarkt sah Grundmann ebenfalls nicht als strafbar an. Zwar sei der Vergleich nicht akzeptabel. Da dieser aber im Rahmen einer Wahlkampfrede erfolgt sei, müsse man andere Maßstäbe anlegen. Hier sei die Meinungsfreiheit als das höhere Gut zu bewerten.
Eine Verharmlosung des Holocausts allein sei nicht geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Zudem habe der Mediziner am Ende seiner Rede zum friedlichen Diskurs aufgerufen, erklärte der Amtsrichter.
Revision möglich
Schon früh im immer wieder unterbrochenen Prozess hatte Richter Grundmann durchblicken lassen, dass er den Vorwurf der Volksverhetzung nicht für gerechtfertigt hielt. Bhakdis Anwaltsteam zog daraufhin den Befangenheitsantrag gegen den Juristen zurück und griff in emotionalen Plädoyers Oberstaatsanwältin Silke Füssinger scharf an. Ihre Anklage sei böswillig und geeignet, echte Nazis zu verharmlosen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig, die das Verfahren an sich gezogen hatte, hatte für beide Taten eine Gesamtstrafe von 180 Tagessätzen à 90 Euro gefordert. Sie behält sich vor, nach Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung Rechtsmittel einzulegen.
Angeklagter schwieg im Gericht
Bhakdi selbst äußerte sich im Prozess außer zu seiner Person nicht und ließ ausschließlich seine Anwälte für sich sprechen. In einem Video vor dem Gerichtstermin hatte er die Anklage gegen ihn indirekt mit der Verfolgung im Nationalsozialismus verglichen: "Alle Leute auf der Welt sagen: Na ja, Deutschland, was soll man sonst erwarten? Die haben ja schon…"
Für den Prozess drohte er: "Wenn das Amtsgericht Plön es wagt, das Hauptverfahren gegen mich zu eröffnen, dann werden Plön und Schleswig-Holstein zum Zentrum der Welt, weil international jetzt Protestler, Verteidiger von mir, parat stehen und kommen werden."
Hunderte Bhakdi-Anhänger demonstrierten
In den Tagen vor dem Termin wurde jedoch auf einschlägigen Kanälen eine angebliche Erklärung von Bhakdis Ehefrau, Karina Reiss, verbreitet, in der es hieß, man wolle "keine Kundgebung, Versammlung, Demo oder sonstige organisierte und auch keine politische Veranstaltung".
Mehrere Hundert Bhakdi-Anhänger ignorierten den Appell, sodass der Prozess in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt unter verschärften Sicherheitsbedingungen stattfinden musste. Der Prozess verlief jedoch friedlich.
Warnung vor Folgen des Urteils
Der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume sieht das Urteil und seine Begründung als einen Rückschlag im Kampf gegen Antisemitismus und "Verschwörungsunternehmer". Er habe zunehmend Schwierigkeiten, Entscheidungen einiger Gerichte in den jüdischen Gemeinden und gegenüber israelischen Diplomaten zu erklären, sagte Blume gegenüber tagesschau.de. "Der deutsche Rechtsstaat müsste gegen Verschwörungsmythen und digitale Radikalisierung deutlich wehrhafter sein, als er es zurzeit ist."
Der Vorsitzende der jüdischen Werteinitiative, Elio Adler, befürchtet, dass die Plöner Entscheidung das Potenzial für einen Dammbruch habe: "Wenn antisemitische Aussagen wie die Bhakdis praktisch legalisiert werden, trifft das letztendlich uns Juden - auch hier in Deutschland", sagte er gegenüber tagesschau.de.
Als Organisation, die Rechtsstaatlichkeit hoch wertschätze, kritisiere man sehr ungern konkrete Urteile, betonte Adler. "Dennoch gilt es festzustellen, dass die Signalwirkung dieses Urteils verheerend ist." Das jüdische Leben sei damit in Deutschland einen Schritt unsicherer geworden.