Fischer Boel verlässt EU-Kommission Rücktritt mit Kampfansage
Deutschland hat den Kampf gegen die Erhöhung der EU-Milchquote vorerst aufgegeben. Die Bundesregierung scheiterte auch am Widerstand von EU-Agrarkommissarin Fischer Boel. Diese verabschiedete sich nun mit einer Kampfansage aus der EU-Kommission.
Von Katrin Brand, WDR, ARD-Hörfunkstudio Brüssel
Aufgeben? Klein beigeben? Dem Druck weichen? Nein, sie doch nicht. Wenn Mariann Fischer Boel erklärt, sie werde der nächsten EU-Kommission nicht mehr zur Verfügung stehen, dann ist das kein Rücktritt, sondern eine Kampfansage: "Wenn ich zehn Jahre jünger gewesen wäre, wäre ich wahrscheinlich nicht gegangen," sagte die 65-Jährige gestern Abend am Rande des Agrarministertreffens im schwedischen Växjö: "Sie hätten es vermutlich nicht geschafft, mich loszuwerden."
Mariann Fischer Boel will die Bilanz ihrer Politik anderen überlassen.
So möchte die Bauersfrau mit der markant schlohweißen Mähne offensichtlich in Erinnerung bleiben: als eine unbequeme Agrarkommissarin, die sich fünf Jahre lang nicht vom Weg abbringen ließ. "Wahrscheinlich sollte ich es besser anderen überlassen zu beurteilen, ob wir ein paar Erfolge hatten", bilanzierte sie etwa kokett, denn sie glaubt an ihren Erfolg, "den Agrarsektor auf eine marktorientiertere Linie zu reformieren, ohne die Bauern völlig allein zu lassen". Denn es gebe immer noch die Sicherheitsnetze und die Direktzahlungen.
Widerstand der Bauern
Die Landwirte in der EU kommen da womöglich zu einer ganz anderen Bilanz. "Resistance", also Widerstand riefen sie der EU-Kommissarin immer wieder entgegen. Widerstand in jüngster Zeit vor allem gegen das Ende der Milchquote, die 25 Jahre lang, wie viele Bauern glauben, den Milchpreis in der EU stabil gehalten hat.
Doch Fischer Boel macht keinen Hehl daraus, dass sie diese Einschätzung für Unsinn hält. Dass die Bauern in der EU derzeit nur noch im Schnitt 24 Cent für den Liter Milch erhalten, liege an der gesunkenen Nachfrage und der Überproduktion, die es trotz Quote gebe.
Deutschland gibt Kampf um Milchquote auf
Eine Mehrheit der EU-Länder teilt diese Einschätzung und bleibt dabei, die Quote abzuschaffen. Deutschland hatte mit einer handvoll Verbündeter versucht dagegenzuhalten, war aber immer wieder gescheitert - unter anderem an Kommissarin Fischer Boel. Der deutsche Staatssekretär Gerd Lindemann zog gestern den Schlussstrich: "Es bringt nichts, immer wieder mit dem Kopf vor die Wand zu laufen, wenn man sich schon eine blutige Nase geholt hat."
Bei Milchbauern stieß Fischer Boels Agrarpolitik auf scharfe Proteste.
Trotz der blutigen Nase in Sachen Milchquote ist Deutschland mit der mächtigen Dänin ganz gut gefahren - zumal ihr Kabinettschef ein Deutscher ist, was im multinationalen Brüssel immer hilft. So verhinderte es die Bundesregierung, dass die Direktzahlungen an Großbetriebe so stark gekürzt wurden wie von der Kommissarin gefordert. Und auch die Reform des Zuckermarktes gilt seitens des Landwirtschaftsministeriums als Erfolg - für die deutschen Zuckerproduzenten.
Das alles wird Fischer Boel vermissen, wie ihr in Växjö an den Augen abzulesen war; auch wenn sie von ihren sieben Enkelkindern schwärmte oder mit den Journalisten witzelte, sie könne ganz schlecht stricken.
Fischer Boel bleibt vorerst im Amt
Doch selbst wenn sie fürchtet, nicht genug Kraft für weitere fünf Jahre zu haben, für die nächsten Monate wird es reichen. Weil der Vertrag von Lissabon noch in der Luft hängt, wird die Kommission auf unbestimmte Zeit im Amt bleiben. Wer darauf hofft, dass die Dänin nun einen Gang zurückschaltet, irrt: "Ich kann garantieren, dass ich nicht daran denke, mich weniger als bisher in die Diskussion einzubringen, bis zum Tag nicht, an dem ich mein Büro verlasse." Wer es dann beziehen wird, das Büro, ist noch ganz offen. Kandidaten gibt es bisher aus Rumänien und Österreich.