Tarifkonflikt mit der GDL Bei der Bahn drohen Streiks bis über Weihnachten
Ende Oktober läuft bei der Bahn die Friedenspflicht für die Lokführer aus. Bahnkunden müssen sich auf neue Einschränkungen einstellen - vielleicht sogar über die Feiertage. Nun droht die Gewerkschaft GDL mit Streik.
Fahrgäste der Deutschen Bahn müssen sich für die Wochen und Monate ab November wieder auf Streiks und damit erhebliche Einschränkungen einstellen - möglicherweise auch zu Weihnachten. Grund sind die anstehenden Tarifverhandlungen zwischen der Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).
GDL-Chef Claus Weselsky will sich dabei mit Warnstreiks nicht lange aufhalten und stattdessen die Mitglieder zügig über unbefristete Streiks abstimmen lassen. "Warum soll ich in irgendeiner Form nur ein kleines Tamtam veranstalten, wenn ich weiß, dass es auf die andere Seite keine Wirkung entfaltet?", sagte Weselsky der Nachrichtenagentur dpa.
Weselsky will keinen "Weihnachtsfrieden"
Um eine Wirkung zu entfalten, brauche es längere Arbeitskampfmaßnahmen, für die sich die GDL rechtlich absichern müsse. Eine Urabstimmung und damit der Wille der Mitglieder müssten den Prozessen "ein Stück weit" vorangestellt werden. Derzeit erörtere die GDL, ob eine Urabstimmung schon vor dem ersten Verhandlungstermin am 9. November möglich ist.
Die Weihnachtsfeiertage schließt Weselsky für einen Arbeitskampf nicht aus. Die Bahn habe der GDL mit den Verhandlungsterminen auch einen "Weihnachtsfrieden" vorgeschlagen, sagte Weselsky. "Das haben wir abgelehnt, weil wir die Entwicklung nicht kennen und weil wir nicht wissen, wie viel Verhandlungen wir bis dahin machen." Für Fahrgäste geht die Ungewissheit auf der Schiene damit weiter.
Der monatelange Tarifstreit zwischen der Konkurrenzgewerkschaft EVG und der Bahn ist erst wenige Monate her. Zwei Mal legte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft im laufenden Jahr bereits mit Warnstreiks bundesweit den Bahnverkehr lahm. Eine Einigung kam Ende August erst nach einem zweiwöchigen Schlichtungsverfahren zustande. Heraus kamen unter anderem 410 Euro mehr pro Monat für die Beschäftigten und eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 2850 Euro netto.
GDL fordert 35-Stunden-Woche für Schichtarbeiter
Nun ist die kleinere GDL an der Reihe. Sie fordert unter anderem mindestens 555 Euro mehr pro Monat sowie ebenfalls die Inflationsausgleichsprämie. Knackpunkt der Verhandlungen dürfte aber vor allem die Forderung nach einer Absenkung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeiter ohne anteilige Lohnabsenkung sein. "Wir haben zu wenig Lokführer, zu wenig Zugbegleiter, jetzt zu wenig Fahrdienstleiter, zu wenig Werkstattmitarbeiter", sagte der GDL-Chef. Das liege nicht am demografischen Wandel. "Sondern es ist die Unattraktivität der Berufe, der Tätigkeiten, die im Eisenbahnsystem nun mal 24 Stunden, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr laufen", so Weselsky.
Die Reduzierung der Arbeitszeit sei deshalb "ein Schritt, die Attraktivität der Berufe zu erhöhen und aufzuzeigen, dass auch in der Gesellschaft Anerkennung da ist". Dass die Bahn dies einfach so akzeptiere, sei nicht absehbar. "Ich nehme in den anderen Tarifverhandlungen mit den Wettbewerbsbahnen wahr, dass die Arbeitgeber sich sehr schwertun, die Arbeitszeitabsenkung mitzumachen, das Thema überhaupt in Angriff zu nehmen", sagte Weselsky. Schon seit einigen Monaten verhandelt die GDL unter anderem mit dem Eisenbahnunternehmen Transdev und einigen anderen Bahn-Konkurrenten.
Streitpunkt Tarifeinheitsgesetz
Im aktuellen Tarifkonflikt seien höhere Löhne zwingend erforderlich, "um überhaupt erst mal das dritte Jahr Inflation zu kompensieren", sagte der GDL-Chef. Was bei den Tarifen nicht erreicht werde, mache die Gewerkschafts-Mitglieder "ein Stück weit ärmer und schränkt sie ein, entweder im Konsum oder eben im gesamten Lebensstandard der Familien".
Thema der der laufenden Tarifrunde ist auch das umstrittene Tarifeinheitsgesetz. Das Gesetz sieht vor, dass in einem Betrieb mit zwei konkurrierenden Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Arbeitnehmervertretung zur Anwendung kommt. In den Hunderten Betrieben der Deutschen Bahn ist das in der Regel die EVG. Doch in Dutzenden Tochterunternehmen ist die Frage zwischen allen Beteiligten hoch umstritten. Derzeit werden die Tarifverträge der GDL laut Bahn lediglich in 18 Betrieben angewendet. Der Konzern hatte zuletzt verlauten lassen, mit der GDL werde im Herbst für rund 10.000 Beschäftigte verhandelt.
"Das ist einfach eine Lüge", sagte Weselsky. "Wir vertreten 40.000 Mitglieder in allen Eisenbahnverkehrsunternehmen, und der größte Anteil unserer Mitglieder sitzt bei der Deutschen Bahn AG." Schon über die Methode, wie die Mitgliederzahl in einzelnen Betrieben festgestellt werden soll, wird laut Weselsky seit mehr als zwei Jahren vor Gericht gestritten.