Folgen der Tarifeinigung Keine neuen Bahn-Streiks - jedenfalls bis Herbst
Laut DB-Konzern ist es die bislang teuerste Lohnrunde für die Bahn: Der Tarifstreit mit der EVG ist beigelegt. Doch wann bekommen die Beschäftigten mehr Geld? Welche Rolle spielt die GDL? Antworten auf zentrale Fragen.
Weitere Streiks im Schienenverkehr sind zumindest für die kommenden Wochen abgewendet. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat den Schlichterspruch angenommen, der im Juli mit den Schlichtern Heide Pfarr und Thomas de Maizière erarbeitet wurde. Damit ist der Tarifkonflikt zwischen der EVG und der Deutschen Bahn beigelegt.
Was steht im Schlichterspruch - und was kostet er?
Laut Schlichterspruch bekommen ungefähr 180.000 Beschäftigte der Bahn in zwei Stufen 410 Euro mehr pro Monat bei einer Laufzeit von 25 Monaten. Die erste Stufe von 200 Euro soll ab Dezember gezahlt werden, die zweite ab August des kommenden Jahres. Zudem sollen alle Beschäftigten eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie von 2.850 Euro im Oktober ausgezahlt bekommen.
Für einzelne Berufsgruppen wurden zudem nach Ablauf der Laufzeit strukturelle Erhöhungen in den Tariftabellen vereinbart. Die Einkommen von gut 70.000 Beschäftigten steigen damit noch einmal deutlich. Der Schlichterspruch sieht einen Lohnzuwachs in Rekordhöhe vor: Laut DB-Konzern ist es die teuerste Lohnerhöhung in der Geschichte der Deutschen Bahn.
Wie teuer die Einigung für die Deutsche Bahn genau sein wird, ist bislang noch nicht klar. Die Kosten des letzten Angebots hatte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler mit knapp 1,3 Milliarden Euro beziffert. Zum Schlichterspruch hatte Seiler gesagt, die Empfehlung werde die Deutsche Bahn "wirtschaftlich an Grenzen führen." Eine "finanzielle Überforderung der Bahn" sei aber vermieden worden. Geht es um künftige Erhöhungen der Fahrpreise, könnte der DB-Konzern durchaus auch mit gestiegenen Lohnkosten argumentieren.
Wie hart ist der Tarifkonflikt geführt worden?
Die Gewerkschaft EVG und die Bahn stritten seit Ende Februar über einen neuen Tarifvertrag. Bei den ersten Verhandlungsrunden waren die Fortschritte sehr klein - daher machte die EVG zweimal mit Warnstreiks Druck. Beide Male wurde der Zugverkehr in Deutschland stundenlang fast komplett lahmgelegt. Ein dritter Warnstreik wurde Mitte Mai vom Arbeitsgericht in Frankfurt am Main verhindert.
Nach dem Treffen vor Gericht kamen die Verhandlungen deutlich besser voran, scheiterten aber letztlich Ende Juni. Es folgte ein zweiwöchiges Schlichtungsverfahren mit dem nun angenommenem Schlichterspruch als Ergebnis.
Und was hat er gekostet?
Nach Angaben der Deutschen Bahn haben die Warnstreiks den Konzern mit 100 Millionen Euro belastet. Aber auch jenseits des finanziellen Schadens dürfte die Härte der Auseinandersetzung nicht ohne Folgen sein. Selbst mit dem Kompromiss durch die Schlichtung habe die Sozialpartnerschaft zwischen Bahn und EVG "eine der stärksten Bewährungsproben nicht vollends bestanden", sagte der EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch heute. Es müsse viel Zeit und Kraft investiert werden, um wieder aufzubauen, was bei der Tarifrunde kaputt gegangen sei.
DB-Personalvorstand Seiler sagte, es sei "für alle eine gute Nachricht, dass wir in diesen herausfordernden Zeiten eine Tarifeinigung erzielt haben". Mit dem Abschluss erkenne der Konzern die "exzellente Leistung unserer Mitarbeitenden an".
Ist jetzt klar, dass es 2023 keine Bahnstreiks mehr gibt?
Nein, denn schon im Herbst starten die Tarifverhandlungen mit der offensiv auftretenden Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und ihrem Chef Claus Weselsky. Der will 555 Euro mehr pro Monat erreichen sowie eine Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden. Auch die Inflationsausgleichsprämie gehört zu seinen Forderungen.
In den vergangenen Jahren ging es bei Verhandlungen zwischen der DB und der GDL oft hart zur Sache. Gewerkschaftschef Weselsky spart bei öffentlichen Auftritten meist nicht mit Vorwürfen in Richtung DB-Vorstand. Erst im Juni hatte er den DB-Konzern als unfähig bezeichnet, den Eisenbahnbetrieb in Deutschland zu managen.
Dass er bereit ist, seine Forderungen mit harten Streiks durchzusetzen, hat Weselsky oft genug bewiesen. Die Friedenspflicht zwischen der Bahn und der GDL endet am 31. Oktober - danach beginnt die nächste Tarifauseinandersetzung. Ab November könnte es also zu neuen Streiks kommen. Beobachter halten das sogar für wahrscheinlich.
Will die Gewerkschaft GDL einen noch höheren Abschluss?
Darauf könnte GDL-Chef Weselsky es absehen. Denn als Vorsitzender der kleineren Bahngewerkschaft steht er unter besonderem Druck, Erfolge vorzuweisen. Die Gewerkschaften konkurrieren untereinander um Mitglieder.
Sollte die GDL ein besseres Ergebnis als die EVG erzielen, kann diese nicht nachverhandeln. Eine solche Klausel sei nicht Teil der Einigung, sagte EVG-Verhandlungsführer Loroch.