Photovoltaikfelder der Gemeinde Seckach im Norden Baden-Württembergs
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Stromversorgung der Zukunft Batterien für ein zunehmend wackliges System

Stand: 02.08.2023 07:01 Uhr

Energie aus Wind und Sonne ist nicht wirklich planbar - und die Netzstabilität der Zukunft daher ein heikles Thema. Abhilfe könnten Batteriespeicher schaffen.

Wer sich der Gemeinde Seckach im Norden Baden-Württembergs von oben nähert, sieht zwischen all dem ländlichen Grün immer wieder blau-graue Photovoltaik-Felder aufblitzen. Die Anlage des Mannheimer Energieunternehmens MVV Energie ist im Neckar-Odenwald-Kreis nicht die einzige Großanlage, dafür aber eine ganz besondere. Denn hier wird Strom produziert und gespeichert. "Das ist für uns die erste hybride Anlage mit Solar und Speicher", betont der Vorstandsvorsitzende der MVV Energie, Georg Müller, bei der Eröffnung des hybriden Solarparks.

Das Energieunternehmen will mit der Pilotanlage Erkenntnisse sammeln, wie Photovoltaik und Batteriespeicher miteinander funktionieren. Von der Notwendigkeit solcher hybrider Anlagen sind sie hier überzeugt: "Wenn wir bis 2030 80 Prozent des Stroms über Wind und Solar erzeugen wollen, dann müssen wir mit der Volatilität der Erneuerbaren Energien zurechtkommen. Strom wird dann nur erzeugt, wenn Sonne scheint und Wind weht. Also spielt Speicherung eine Rolle", so Müller.

Stromspeicher für Photovoltaikanlage : Hybrider Energiepark in Baden-Württemberg

Tim Diekmann/Thomas Miltner, SWR, tagesschau, 31.07.2023 20:00 Uhr

Einfluss Erneuerbarer Energien steigt

In den vergangenen Jahrzehnten hat der Anteil Erneuerbarer Energien im Bundesgebiet immer weiter zugenommen. 2012 produzierten Wind-, Photovoltaik-, Geothermie- und Wasserkraftwerke sowie Biomassewerke 23 Prozent der bundesweiten Strommenge. 2022 waren es bereits 45 Prozent.

Im europäischen Vergleich ist Deutschland beim Thema Erneuerbare Energien bereits Spitze: 148 Gigawatt installierte Leistung weist die Internationale Organisation für Erneuerbare Energien IRENA für die Bundesrepublik für das Jahr 2022 aus. Spanien als Zweitplatzierter kommt mit 68 Gigawatt installierte Leistung nur auf rund die Hälfte.

Fossile Energie noch wichtige Reserve

Was jetzt dringend folgen müsse, seien ausreichend Speichermöglichkeiten, betont Veit Hagenmeyer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Der Leiter des Instituts für Automation und angewandte Informatik gilt als Experte für die Energiewende. Ihm macht vor allem die Netzstabilität Sorgen. "Wenn die Stromerzeugung, zum Beispiel von einem Photovoltaik-Feld und die Stromnutzung, also etwa von Großindustrie und Haushalt, in jedem Moment im Gleichgewicht steht, dann gilt Netzstabilität", so der Professor.

Werde aber zu viel oder zu wenig Strom produziert, müsse nachgeregelt werden. "Bisher haben das einfach Großkraftwerke gemacht", so Hagenmeyer. Diese werden aber zumeist mit Gas oder Kohle betrieben.

Oberstes Ziel: Versorgungssicherheit

Klimafreundlichere Batteriespeicher wie jener in Seckach können an sonnenreichen Tagen, an denen mehr Strom produziert als benötigt wird, geladen werden. Wenn es dann im Stromnetz zu Schwankungen kommt, etwa bei zu geringer Last, springt der Batteriespeicher an und sichert so die Netzstabilität. Die Batterie entlädt sich.

Die Batterie in Seckach ist in einem unscheinbaren grauen Container untergebracht. Rechts und links stapeln sich Hunderte Batteriemodule - jedes einzelne ist mit einem kleinen Lüfter versehen. Mit einer Kapazität von 3,7 Megawattstunden kann die Anlage in etwa so viel Strom speichern, wie ein Zwei-Personen Haushalt im Jahr verbraucht. Hier in Seckach soll der Speicher das Netz in Phasen der Über- und Unterproduktion stabil halten und für Versorgungssicherheit sorgen.

Think Big: Übertragungsnetzbetreiber testen "Netzbooster"

Neben solchen hybriden Anlagen forschen Übertragungsnetzbetreiber wie Transnet BW zusätzlich an riesigen "Netzboostern". Das Übertragungsnetz sei bereits heute stark ausgelastet, so Transnet BW, daher müsse das Unternehmen immer häufiger in den Strombetrieb eingreifen. Das passiert etwa, indem fossile Kraftwerke aus der Netzreserve kurzzeitig hochgefahren werden.

Solche Redispatch-Maßnahmen sind aufwändig und teuer: Laut Kostenschätzung der Bundesnetzagentur wurden dafür 2021 rund 600 Millionen Euro ausgegeben. "Vor diesem Hintergrund sind innovative Maßnahmen in Form von Netzboostern erforderlich, die das Übertragungsnetz vor möglichen Überlastungen kostengünstiger schützen und den Bedarf am Netzausbau reduzieren", so Transnet BW weiter. Anders als beim hybriden Solarpark in Seckach werden Netzbooster aus dem öffentlichen Stromnetz geladen und verfügen in der Regel über eine deutlich höhere Speicherkapazität.

KIT-Professor Hagenmeyer glaubt, dass Batteriespeicher eine wesentliche Rolle für die Stromnetze der Zukunft spielen können: "Wir müssen ein System beherrschen, das zunehmend wackeliger wird. Und da sind Speicher für die Integration erneuerbarer Energien ein wesentlicher Baustein."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 31. Juli 2023 um 20:00 Uhr.