Energiepreisbremse "Der Abschlag sollte sinken"
Obwohl die Preisbremse schon gilt, warten viele Kunden weiter darauf, dass ihr Versorger Gas- oder Stromabschläge neu berechnet. Oft seien die dann zu hoch angesetzt, sagt der Experte Holger Schneidewindt von der Verbraucherzentrale NRW im Interview.
tagesschau24: Seit einigen Tagen greift die Energiepreisbremse. Mit was für Fällen werden Ihre Berater gerade konfrontiert?
Holger Schneidewindt: In den meisten Fällen geht es darum, dass die Informationsschreiben nicht kommen, mit denen die Energieversorger aufklären müssen, was ich zahle und auch wie es berechnet wurde. Und das sind recht viele. Kommen aber Schreiben, haben manche Verbraucher zurecht den Eindruck, hier stimmt irgendwas nicht: Der Abschlag sollte doch sinken, und er sinkt vielleicht nicht genug. Und wir haben tatsächlich krasse Fälle von Versorgern, die viel höhere Abschläge als vorher fordern. Und da klingeln natürlich die Alarmglocken.
"Die Energieversorger müssen aufklären"
tagesschau24: Also selbst nachrechnen, lautet in solchen Fällen die Empfehlung. Aber was fange ich dann mit meiner Rechnung an, damit der Versorger es auch beachtet?
Schneidewindt: Der Versorger muss ja alles selbst machen. Der Versorger hat alle Daten und Informationen, damit er die neue Abschlagshöhe berechnen kann - das ist sein Job. Wenn man aber als Verbraucher merkt, hier stimmt irgendwas nicht, hier ist etwas falsch berechnet, dann wendet man sich an den Versorger, weist darauf hin und sagt, er möge es bitte neu berechnen. Bei diesen krassen Fällen, wo der Abschlag sogar noch enorm gestiegen ist, kann man vielleicht mal nachfragen, was es damit überhaupt auf sich hat. Denn die Erwartung ist natürlich völlig zu Recht, dass die Abschläge sinken und nicht steigen.
tagesschau24: Was könnte denn die Ursache dafür sein, dass Abschläge zu hoch angesetzt werden?
Schneidewindt:: Eine Vermutung ist, dass Energieversorger in Abschlagszahlungen Sachen reinpacken, die sie gar nicht reinpacken können. Wir wissen von einem großen Anbieter, dass möglicherweise Nachforderungen zur Abschlagshöhe führen. Das ist völlig unzulässig, das geht überhaupt nicht. Aber das ist eine Vermutung. Es ist auch nicht Aufgabe der Verbraucher, Vermutungen oder Recherchen anzustellen, wie ein enormer Beitrag zustandegekommen sein könnte. Sondern die Energieversorger müssen aufklären, müssen informieren. Und eigentlich soll das ganz einfach sein für Verbraucher. Aber leider ist es das nicht.
Verbraucher müssen etwas Zeit investieren
tagesschau24: Was raten Sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern? Wie kann ich mich denn wehren, wenn unberechtigte Abrechnungen oder Abschläge gefordert werden?
Schneidewindt: Grundsätzlich ist es so: Man sollte sich, wenn man Zeit, Energie und auch Kenntnisse hat, ein bisschen mehr darum kümmern als vielleicht früher. Wenn das Informationsschreiben zur Umsetzung der Energiepreisbremse kommt, muss man sich das anschauen - oder man kann es auch anschauen lassen, helfen können zum Beispiel die Verbraucherzentralen mit ihren Beratungsstellen.
Man muss ein bisschen mehr Zeit investieren, wenn man es nachrechnen kann - was keine Zauberei ist, denn wir kennen ja den Energieverbrauch aus der Vergangenheit, der die Bemessungsgrundlage ist für die Energiepreisbremse. Wenn man meint, hier stimmt etwas nicht, dann meldet man sich bei seinem Energieversorger und lässt sich das erklären. Wenn man sogar klar sagen kann, dass irgendwas falsch ist, dann weist man genau darauf hin. Man muss in das "Ping-Pong-Spiel" mit dem Energieversorger eintreten.
Wechseln lohnt sich wieder
tagesschau24: Wie ist denn inzwischen die Entwicklung bei den Tarifen für Strom oder Gas? Lohnt es sich wieder, die Preise zu vergleichen und eventuell neue Verträge abzuschließen?
Schneidewindt: Ja, da ist ein bisschen mehr Musik drin. An den Großhandelsmärkten, also da, wo die Energieversorger sich selbst eindecken, gehen die Preise seit langem runter. Es ist klar, dass die Preise dann nicht sofort auch bei den Verbrauchern ankommen. Aber langsam müssen die Preise ankommen, und wir merken, dass immer mehr Verbraucher auch wieder wechseln.
Wir merken auch, dass immer mehr Energieversorger zurückkehren auf den Markt, zum Beispiel an Preisvergleichsseiten. Es gibt wieder mehr Alternativen für Verbraucher, und es lohnt sich auch wieder, den Anbieter zu wechseln. Auch da gilt: Man muss sich die Anbieter anschauen, damit man nicht vom Regen in die Traufe kommt. Aber die Tendenz ist völlig klar: Wir gehen in Richtung Normalität, und deswegen kann sich ein Anbieterwechsel auch wieder sehr lohnen.
Die Fragen stellte Gerrit Derkowski für tagesschau24. Das Interview wurde für die schriftliche Fassung redaktionell bearbeitet.