ifo-Datenanalyse Schwierige Bedingungen für Europas Bauwirtschaft
Nicht nur in Deutschland, sondern europaweit gehen die Aktivitäten im Wohnungsbau zurück. Das geht aus einer ifo-Analyse hervor. Aber nicht alle Bereiche im europäische Bausektor schwächeln.
In den meisten europäischen Ländern werden im Jahr 2025 deutlich weniger Wohnungen fertiggestellt werden als im vergangenen Jahr. Das geht aus einer Datenanalyse des europäischen Forscher- und Beratungsnetzwerks Euroconstruct hervor, dem auch das Münchner ifo-Institut angehört. Für Europas größte Volkswirtschaft Deutschland wird ein überdurchschnittlich starker Rückgang von 32 Prozent prognostiziert.
"Wurden in Deutschland für 2022 noch 295.000 fertige Wohneinheiten gemeldet, davon 100.000 in neuen Ein- und Zweifamiliengebäuden, so dürften es 2025 nur noch rund 200.000 Wohnungen werden", heißt es in der Analyse. Einen besonders kräftigen Rückgang fertig gestellter Wohnungen haben laut ifo-Institut in den Jahren 2023 bis 2025 auch Schweden (minus 39 Prozent), Dänemark (minus 33 Prozent) und Ungarn (minus 29 Prozent) zu erwarten.
Staatliche Förderinstrumente als Treiber
Der europäische Wohnungsbau leidet gegenwärtig unter den stark eingetrübten Rahmenbedingungen, schreibt ifo-Bauexperte Ludwig Dorffmeister. So reduziere die hohe Inflation die Handlungsspielräume der Privathaushalte. Der schnelle, kräftige Zinsanstieg verhindere oftmals die Finanzierung. "Die allgemeine Verunsicherung über die mittelfristige Entwicklung der Immobilienpreise und der Kostensprung bei den Bauleistungen führt bei Bauherren und Interessenten zu ausgeprägter Zurückhaltung", so Ludwig.
Die schwierigen Finanzierungsbedingungen wirken sich laut ifo-Analyse auch auf die Instandhaltung und Sanierung des europäischen Wohnimmobilienbestands aus - insbesondere, wenn noch staatliche Förderinstrumente wegfallen. Innerhalb der Forschungsgruppe Euroconstruct sei man sich einig, dass die staatlichen Fördermaßnahmen für Arbeiten im Wohnungsbestand in fast allen Mitgliedsländern positive Effekte zeigten. Sie gelten laut Euroconstuct sogar als der wichtigste Treiber des europäischen Wohnungsbaus. Allerdings derzeit nur eingeschränkt, "weil sich die Modernisierungsleistungen stark verteuert haben und die Mieten nicht beliebig angehoben werden können."
Besonders stark werden nach den analysierten Daten des ifo-Insituts Baumaßnahmen am Wohnbestand in Italien zurück gehen, was am Auslaufen eines staatlichen Förderinstruments liege. Die Rückführung des sogenannten "Superbonus 110 Prozent", einer "exzessiven steuerlichen Förderung für (energetische) Bestandsleistungen in Italien" wird sich dem ifo-Institut zufolge zeitverzögert auswirken. Das Institut rechnet damit, dass die italienischen Bestandsleistungen 2024 am deutlichsten zurückgehen - nämlich um rund 24 Milliarden Euro. Das erwartete Minus auf europäischer Ebene in Höhe von 3,6 Prozent gehe damit vollständig auf das Konto dieser länderspezifischen Entwicklung.
Positive Signale aus Spanien, Portugal, Irland und der Slowakei
Aus einigen europäischen Ländern kämen aber auch positive Signale mit Blick auf den Bausektor: Irland, Portugal, Spanien und der Slowakei. Allerdings spricht ifo-Bauexperte Doffmeister mit Blick auf die absoluten Zahlen nur von einer leichten Erholung. Die Wohnbautätigkeiten in Spanien und Portugal seien immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau. Nach Einschätzung des ifo-Experten habe sich der Sektor seit den spekulativen Übertreibungsphasen aus den 2000er Jahren nicht richtig erholt.
Experten sehen Wachstum im Tiefbau voraus
Immerhin beim Bau von Nicht-Wohnimmobilien und im Tiefbau sehen die Experten eine Stabilisierung oder sogar Wachstum voraus. Der große Handlungsbedarf im Bereich "Energie und Umwelt" führe zusammen mit der notwendigen Modernisierung der Verkehrsinfrastrukturnetze und den hierfür bereitgestellten nationalen und europäischen Finanzmitteln dazu, dass die Schlagzahl weiter hochgehalten werde. Auf diese Weise dürfte das Tiefbauvolumen laut ifo-Institut 2025 um sieben Prozent über dem Niveau des Jahres 2022 liegen. Gegenüber dem Jahr 2019 würde der Zuwachs dann 14 Prozent betragen.
Modernisierungen und Arbeiten im Gebäudebestand dürften laut ifo-Experten langfristig eine immer größere Bedeutung einnehmen. "Mittlerweile gibt es in etlichen Ländern spezielle staatliche Unterstützung für energieeinsparende Maßnahmen, die zusammen mit den gestiegenen Energiepreisen und umweltpolitischen Transparenzrichtlinien deutliche Anreize für Investitionen schaffen", schreibt ifo-Experte Dorffmeister. Dennoch dämpfe auch hier der rasche Zinsanstieg, sowie strengere Kreditvorgaben und die - infolge der hohen Inflation - mäßige Kundennachfrage die Bereitschaft der Unternehmen, bauliche Projekte anzugehen.