Immobilien- und Wohnungsmarkt Krisenstimmung vor Wohnungsbaugipfel
Hohe Baukosten, kaum bezahlbarer Wohnraum - die Immobilienbranche ächzt. Ein Gipfel im Kanzleramt soll eigentlich Auswege aufzeigen - doch einige Verbände wollen ihn boykottieren. Kritik daran kommt prompt.
Zwei wichtige Wirtschaftsverbände aus dem Immobiliensektor haben angekündigt, den Wohnungsgipfel im Bundeskanzleramt am kommenden Montag zu boykottieren. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) sowie der Eigentümerverband Haus & Grund werfen der Bundesregierung vor, eine "in erster Linie öffentlichkeitswirksame" Veranstaltung auszurichten.
Rückenwind erhalten die Bundesregierung und speziell Bundesbauministerin Klara Geywitz hingegen von ihren SPD-Parteikolleginnen und Parteikollegen in den Bauministerien der Länder. Die riefen angesichts der Misere im Wohnungsbau zu einem gemeinsamen Auftreten aller Akteure auf. "Deutschland braucht dringend mehr bezahlbare Wohnungen, gleichzeitig steht der Baubranche das Wasser bis zum Hals", sagte Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein. Bund, Länder, Kommunen, Wohnungsunternehmen und die Bauwirtschaft müssten daher an einem Strang ziehen, so die SPD-Politikerin.
Impulse für den angeschlagenen Wohnungsbau
Gleichzeitig begrüßten die Länder Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und das Saarland in einer gemeinsamen Erklärung das von Geywitz ins Leben gerufene Bündnis zur Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum. "Gemeinsam stehen die SPD-geführten Länder geschlossen hinter der Bundesregierung, denn es gilt, weitere Maßnahmen auf den Weg zu bringen und schnell umzusetzen", betonte Pein.
Die Hamburger Bausenatorin zählte dazu eine Vereinfachung der Genehmigungsverfahren, eine vollständige Digitalisierung und eine quartiersorientierte Neubauförderung für ansonsten frei finanzierten Wohnungsbau. Zudem müsse es ausreichend KfW-Mittel geben. Der Wohngipfel im Kanzleramt mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bauministerin Geywitz soll für Impulse für den angeschlagenen Wohnungsbau sorgen. Doch viele Vertreter der Branche halten deutlich mehr für nötig.
Verbände kritisieren zu wenig Rederecht und Einfluss
"Wir verstehen nicht, warum nicht viel früher reagiert wurde", sagte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft. Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke sprach bezüglich der Absage von einem notwendigen Signal an die Regierung: "Es kann nicht so weitergehen." So verteuere die Regierung etwa den Neubau mit dem beschlossenen Heizungsgesetz noch zusätzlich.
Beide Verbände betonten, bei dem Treffen am Montag zu wenig Rederecht und Einfluss auf die Agenda zu haben. Eine Mitarbeit an dem geplanten Hilfspaket für die Branche mit dem Kanzleramt sei nicht möglich gewesen.
Linke sieht Wohnungsbaugipfel gescheitert
Die Linke sieht nach der Absage der beiden großen Branchenverbände den Wohnungsbaugipfel schon als gescheitert an. Das bedeute aber keine Nachteile für Mieter, so Linken-Chef Schirdewan, denn ein öffentliches Wohnbauprogramm wäre ohnehin nicht zu erwarten gewesen. "Wo die Bundesregierung auf den freien Markt trifft, einigt man sich auf vieles, aber nicht auf den Schutz der Menschen, die ihn benötigen", meinte Schirdewan.
"Nach zwei Jahren Ampel gibt es noch immer kein ordentliches Mietrecht und keinen Plan für mehr öffentliche Wohnungen." Nötig seien ein Mietenstopp, ein Sondervermögen für sozialen Wohnungsbau und das Fördern von Wohnungsbaugenossenschaften.
"Eine toxische Mixtur"
Die gesamte Baubranche leidet nach dem starken Zinsanstieg infolge der hohen Inflation unter Finanzierungsschwierigkeiten. Im ersten Halbjahr 2023 waren die Baugenehmigungen um gut 27 Prozent eingebrochen. Allein im zweiten Quartal stiegen die Baupreise um knapp neun Prozent zum Vorjahr an. "Weiter steigende Zinsen und immer höhere Baukosten ergeben eine toxische Mixtur", erklärte Andreas Mattner, Präsident des Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA).
Dabei sei allerdings zu betonen, dass der Staat für 37 Prozent der Kosten des Wohnraums verantwortlich sei, so Mattner. Weniger Staat bedeute mehr Freiraum der Immobilienbranche für einen schnellen Wohnungsbau - der jetzt dringender sei denn je. Es gehe um finanziellen und planerischen Spielraum.