Befragung zu TTIP-Schiedsgerichtsverfahren 150.000 Antworten für die EU-Kommissarin
EU-Handelskommissarin Malmström will heute in Straßburg die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation zum umstrittenen Schiedsgerichtsverfahren bei Investorenklagen im Handelsabkommens TTIP vorstellen. Wegen des großen öffentlichen Widerstands dagegen hatte die Kommission vor einem Jahr die Verhandlungen zu diesem Kapitel ausgesetzt und die Befragung gestartet. Rund 150.000 Antworten gingen ein - so viel wie noch nie bei einer solchen Befragung.
Leopoldo Rubinacci ist in der EU-Handelsabteilung für Investor-Staats-Klagen (ISDS) zuständig. In den vergangenen Monaten sah seine Arbeit aber anders aus, als er sich das zu Beginn der Freihandelsgespräche mit den USA vorgestellt hatte: Statt über konkrete Texte zu verhandeln, war er mit seinen Mitarbeitern damit beschäftigt, Fragebögen auszuwerten. Vor einem Jahr hatte die EU-Kommission nämlich die Verhandlungen über das umstrittene Kapitel der Investor-Staat-Streitschlichtung wegen der wachsenden Proteste der Öffentlichkeit ausgesetzt und kurz darauf eine Online-Konsultation gestartet.
"Wir wollen hören, was die Gesellschaft zu diesem Thema zu sagen hat", sagt Rubinacci. Und offensichtlich hat die Gesellschaft eine ganze Menge zu ISDS zu sagen. Rund 150.000 Beiträge liefen bei der EU-Kommission ein - weit mehr als je zuvor bei einer solchen öffentlichen Konsultation. Beiteiligt haben sich vor allem Einzelpersonen, aber auch Hunderte von Organisationen, Verbänden, Behörden und Firmen. Fast drei Viertel der Antworten kamen aus nur drei Ländern: Großbritannien, Österreich und Deutschland.
Die meisten sind gegen ISDS
EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström zeigt sich erfreut: "Als Politikerin und Demokratin kann ich nur begrüßen, dass sich so viele Leute engagieren." Aber Malmström hat nun ein Problem. Eigentlich will die EU-Kommissarin am umstrittenen Investorenschutz festhalten und lediglich das bestehende System reformieren, um Auswüchse zu verhindern. Darauf liefen auch die in der Konsultation gestellten Fragen hinaus. Aber, soviel ist längst durchgesickert, die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer an der Umfrage will von ISDS prinzipiell nichts wissen.
"Das geht gar nicht in die Richtung, die sie sich vorgestellt haben", meint Natacha Cingotti von "Friends of the Earth", einer der Federführer in der europäischen Anti-TTIP-Bewegung. Und die Vorstellung, dass US-Konzerne mithilfe geheim tagender Schiedsgerichte milliardenschwere Entschädigungszahlungen gegen europäische Regierungen durchsetzen könnten - das ist zum vielleicht heißesten Argument gegen das transatlantische Handelsabkommen geworden.
Offenbar viele Antworten identisch
Befürworter von TTIP und ISDS stellen die Aussagekraft der Konsultation infrage. Ein Großteil der Antworten sei identisch, meint Anthony Gardner, US-Botschafter bei der EU. Es seien einfach vorgegebene Antworten von Vertretern der Anti-TTIP-Kampagne übernommen worden. "Wir sollten also nicht vorschnell den Schluss daraus ziehen, dass die europäischen öffentliche Meinung gegen ISDS ist", so Gardner.
Natacha Cingotti bestätigt, dass "Friends of the Earth" und andere NGO Hilfestellung bei der Befragung geleistet haben: "Die 13 Fragen waren sehr technisch, wer da kein Handelsexperte ist, kann kaum verstehen, was gemeint ist. Deshalb haben wir das etwas nutzerfreundlicher aufgearbeitet."
Kommissarin Malmström will das auch gar nicht kritisieren, aber sie macht dennoch klar, dass die Konsultation natürlich kein Referendum sei. Mit anderen Worten: Die Ergebnisse sind nicht bindend. Malmström sieht die Antworten eher als Ausgangsbasis für weitere Gespräche: "Ich werde mit den Ministern reden, mit Europaparlamentariern, Vertretern der Zivilgesellschaft und anderen. Und dann sehen, wie wir in Sachen ISDS weiter verfahren." Und mit dieser Entscheidung ist wohl nicht vor dem Sommer zu rechnen.