Ringen um Lösung im Tarifstreit Bei der Bahn wird jetzt geschlichtet
Im Tarifstreit zwischen der Bahn und der Verkehrsgewerkschaft EVG hat die Schlichtung begonnen. Bis zu deren Ende sind Streiks ausgeschlossen. Wie sind die Erfolgsaussichten?
Nach zwei Warnstreiks und langen Verhandlungen haben sich die Bahn und die Gewerkschaft auf eine Schlichtung an einem geheimen Ort geeinigt. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie verlief der Tarifkonflikt bisher?
Schleppend. Die Verhandlungen zwischen Bahn und EVG begannen im Februar. Die EVG forderte zwölf Prozent mehr Lohn - mindestens 650 Euro mit Laufzeit von zwölf Monaten. Das war die höchste Forderung in der Geschichte der EVG.
Vier Monate und 140 Seiten Tariftext später schien eine Einigung nah: Die Bahn hatte für die rund 180.000 Beschäftigten stufenweise zwölf Prozent mehr Geld bei den unteren Lohngruppen in Aussicht gestellt, zehn Prozent mehr bei mittleren Gruppen und acht Prozent mehr für die oberen sowie eine Ausgleichsprämie für die Inflation von 2850 Euro ab Juli. Noch 2023 sollte die erste Erhöhung kommen. Die Laufzeit soll 24 Monate betragen.
Doch die Gewerkschaft musste das Ergebnis einer Zentralen Tarifkommission vorlegen. Die stimmte dagegen. Die Laufzeit sei zu lang, die Lohnerhöhung zu niedrig - und sie käme zu spät. Damit endeten sieben Verhandlungsrunden ergebnislos.
Wie oft wurde schon gestreikt und was hat die EVG bislang erreicht?
Der Tarifstreit wurde von zwei Streikphasen begleitet: Im März und im Mai standen die meisten Bahnräder still.
Im Juni hatte die EVG Abschlüsse bei einigen Privatbahnen erzielt: Dort bekommen die Mitarbeiter 420 Euro mehr Geld in mehreren Stufen sowie 1000 bis 1400 Euro Inflationsausgleich. Die Laufzeit beträgt 21 Monate.
Warum eine Schlichtung?
Im Tarifstreit liegen die Forderungen der Gewerkschaft und das Angebot der Bahn noch weit auseinander, trotz langer Verhandlungen. Diese hatten im Februar begonnen. Im Juni waren sie für gescheitert erklärt worden.
Nachdem die EVG erklärt hatte, ihre Mitglieder in einer Urabstimmung über unbefristete Streiks entscheiden zu lassen, schlug die Deutsche Bahn eine Schlichtung vor. Die EVG akzeptierte.
Wie lange dauert diese Schlichtung?
Die Schlichtung ist bis zum 31. Juli geplant. Ob an jedem Tag verhandelt wird, ist nicht bekannt. Die Schlichtung endet mit einem Schlichterspruch.
Wenn beide Seiten zustimmen, ist der Tarifkonflikt beendet und das Tarifergebnis wird vertraglich vereinbart. Während der Schlichtung haben beide Seiten eine Friedenspflicht vereinbart.
Wer sind die Schlichter?
Der ehemalige Bundesinnen- und -verteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) und die Wirtschafts- und Arbeitsmarktexpertin Heide Pfarr (SPD) leiten das Schlichtungsverfahren. De Maiziere wurde auf Wunsch der Bahn berufen, Pfarr wurde von der Gewerkschaft EVG ins Rennen geschickt.
Pfarr war lange Direktorin des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts Düsseldorf und Mitglied der Hans-Böckler-Stiftung. Die Arbeitsrechtlerin war auch Senatorin in Berlin und Arbeitsministerin in Hessen.
De Maiziere hatte nach Ministerämtern auf Bundesebene auch Posten in den Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen und war zudem Kanzleramtschef.
Sind Streiks nun ausgeschlossen?
Vorerst ja. Vor und während der Schlichtung gilt eine Friedenspflicht. Das haben beide Seiten vereinbart. Das heißt, in dieser Zeit darf nicht gestreikt werden.
Nach der Schlichtung wird die Gewerkschaft EVG ihre Mitglieder über das Ergebnis in einer Urabstimmung abstimmen lassen. Diese Abstimmung läuft bis Ende August.
Auch während dieser Phase gilt die Friedenspflicht; das würde bedeuten, dass es bis Ende August keinen Arbeitskampf geben darf.
Wie sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Schlichtung?
Eine Schlichtung endet nicht automatisch mit einer Tarifeinigung. Erst 2020 war eine Schlichtung zwischen der Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) gescheitert.
Wie erfolgreich eine Schlichtung ausgehen wird, kann man im Vorfeld also schwer vorhersagen; erst recht nicht, wenn die Fronten zwischen den Tarifparteien verhärtet sind. Die beiden Schlichter in diesem Fall gelten allerdings als sehr erfahren.
Was passiert, wenn die Schlichtung ergebnislos endet?
Sollte die Schlichtung auch diesmal kein Ergebnis hervorbringen, das beide Seiten akzeptieren, droht die EVG mit Streiks: "Wir halten einen Streik sehr lange durch", erklärte Martin Burkert, der seit Oktober vergangenen Jahres Vorsitzender der EVG ist, am Wochenende in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" Am Ende werde die EVG erfolgreich sein. "Uns ist es sehr ernst", ergänzte er.
Erst kürzlich hatte die EVG bestätigt, dass sie einen unbefristeten Streik plant, wenn in der Urabstimmung mehr als 75 Prozent der Rückmeldungen dafür stimmten.
Und im Herbst stehen Tariverhandlungen mit der GDL an. Dort endet die Friedenspflicht im Oktober. Dann sind auch seitens der Lokführer Streiks möglich.
Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa