Altersvorsorge-Produkte Sichert die Riester-Rente nur die Banken ab?
Die Versprechungen waren groß, doch die Ergebnisse sind oft mehr als mager. Die Riester-Rente sollte eine Zusatzversorgung im Alter sein, stattdessen haben vor allem Banken und Versicherungen abgesahnt.
Als Gerhard Kegreiss in Rente geht, wird sein Riester-Fonds-Sparplan bei der Union Investment fällig. Er hat knapp 17 Jahre eingezahlt - zusammen mit den Zuschüssen des Staates mehr als 36.000 Euro. Damals prognostizierte man ihm ein Sparvermögen von rund 70.000 Euro und eine monatliche Riesterrente von 360 Euro.
Doch die Realität sah ein wenig anders aus. Denn die Fondsgesellschaft Union Investment hat mit seinem Geld keinen Cent Rendite erwirtschaftet. Kegreiss bekommt deshalb gerade mal 72 Euro monatlich.
Jeder vierte Euro für Gebühren
Doch nicht nur Fonds und Banksparpläne laufen schlecht. Die Bürgerbewegung Finanzwende hat 2020 die Eckdaten von 65 Riester-Versicherungen analysiert. Das Ergebnis ist ernüchternd.
Bei einer durchschnittlichen Riester-Versicherung mit 30 Sparjahren gehen im Schnitt 24 Prozent der eingezahlten Gelder für Gebühren drauf - also fast jeder vierte Euro. Jede dritte Riester-Police vereinnahmt sogar 30 Prozent für Gebühren. Diese setzen sich aus Provisionen, Millionengehältern der Vorstände, Werbung und Renditen für die Aktionäre zusammen.
Zum Vergleich: Bei der gesetzlichen Rente fallen Verwaltungskosten in Höhe von circa drei Prozent an. Zudem fließen seit Bestehen 50 Milliarden an Steuergeldern in Riester. Aus Sicht von Verbraucherschützern ist das Riester-Konzept nach etlichen erfolglosen Reformen gescheitert. Sie fordern, neue Wege zu gehen und plädieren für einen Systemwechsel: zu einem staatlich organisierten Vorsorgeprodukt für alle, das sich am schwedischen Fonds orientiert.
Schweden als Vorbild
In Schweden gibt es eine verpflichtende Aktienrente. Jeder Arbeitnehmende zahlt in den Staatsfonds ein. Wer widerspricht, kann sich einen privaten Anbieter suchen. "Das macht aber kaum jemand", sagt Werner Bareis von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. "Die Privatwirtschaft kommt da gar nicht ran. Außerdem haben wir in Schweden 15-mal niedrigere Kosten als in Deutschland."
In den vergangenen 20 Jahren hat der schwedische Fonds eine durchschnittliche Rendite von etwa elf Prozent erwirtschaftet. "Hätte Herr Kegreiss sein Geld dort angelegt, dann hätte er heute mehr als das Doppelte ausgezahlt bekommen", so Bareis' Rechnung.
"Riestern" wird in Deutschland immer unbeliebter. Im vergangenen Jahr verzeichneten die deutschen Versicherer gerade mal 125.200 neu abgeschlossene Versicherungen, ein Minus von knapp 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 2009 gab es noch über eine Million Neuverträge.
"Freiwillige Versicherung darf nicht verpflichtend sein"
Während Verbraucherzentralen ein strukturelles Problem sehen - nämlich, dass diese Produkte nicht immer am Bedarf der Kundinnen und Kunden, sondern nach Höhe der Provision angeboten werden -, will eine Expertenkommission des Bundestags die private Vorsorge weiter in den Händen der Finanzindustrie wissen.
"Wir haben es ja mit einer privaten freiwilligen Versicherung zu tun, die darf nicht verpflichtend sein", sagt Oskar Goecke, Versicherungsmathematiker und Mitglied der Kommission. "Außerdem liegt das Know-how bei den Banken und Versicherungen, die Beteiligung des Staates gehört in die erste Säule, die gesetzliche Rente."
Privatvorsorge müsse einfacher, transparenter, flexibler gestaltet werden. Die Vorschläge der Kommission für eine bessere private Vorsorge lauten wie folgt: Anlagemöglichkeiten mit höheren Risiken, aber auch höheren Renditen und eine bessere Vergleichbarkeit der Produkte.
Die gesetzliche Rente stärken
Jutta Schmitz-Kießler, Alterssicherungs-Forscherin der Universität Duisburg Essen, hält nichts von den Plänen. "Die private Altersvorsorge wird immer lückenhaft bleiben, weil sie freiwillig ist, und sie wird teuer bleiben, weil da Akteure mit im Boot sind, die etwas daran verdienen wollen." Sie setzt auf eine Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung.
"In Deutschland haben wir das lange gemacht. Gemeinschaftlich, also unter Beteiligung von Arbeitnehmenden, Arbeitgebenden und Sozialstaat. Diese Allianz wurde 2001 aufgekündigt, aber wir könnten sie revitalisieren und damit ein besseres Rentenniveau wiederherstellen", sagt Schmitz-Kießler.
Möglich wird das zum Beispiel, indem auch Beamte und Selbstständige mit in die Rentenkasse einzahlen, die Beitragsbemessungsgrenze entfällt, Löhne steigen und vor allem die Erwerbsquote von Frauen gefördert wird. Denn aktuell gibt es in Deutschland 45 Millionen Erwerbstätige, so viel wie noch nie.