Eskalierender Handelsstreit China lässt die Muskeln spielen
China weiß, wo es wehtut: Die im Handelsstreit mit den USA beschlossenen Exportkontrollen für seltene Metalle könnten leicht ausgeweitet werden. Das macht den Westen nervös.
Die Einlassungen von Wei Jianguo ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die gerade angekündigten Exportkontrollen für bestimmte Rohstoffe für die Chip-Produktion seien ein "gut durchdachter harter Schlag" und "erst der Anfang", sagte Chinas ehemaliger stellvertretender Handelsminister der regierungsnahen Zeitung "China Daily" am Mittwoch. Er ist ein einflussreicher Berater der Regierung in Peking. "Wenn die Restriktionen gegen den chinesischen Hochtechnologiesektor fortgesetzt werden, werden die Gegenmaßnahmen eskalieren", drohte Wei.
Zugleich veröffentlichte die staatliche chinesische Zeitung "Global Times" einen Leitartikel, in dem die Exportkontrollen für Germanium und Gallium als "praktikabler Weg" gelobt wurden. Sie zeigten den USA und ihren Verbündeten, dass es sich bei den Bemühungen, China von fortschrittlichen Technologien fernzuhalten, um eine Fehlkalkulation handele.
Das ist schweres Gepäck für den heutigen China-Besuch der amerikanischen Finanzministerin Janet Yellen. Experten sehen einen neuen Handelskrieg heraufziehen. "Das ist eindeutig darauf ausgerichtet, der Regierung von US-Präsident Joe Biden die nicht ganz so subtile Botschaft zu übermitteln, dass China bei Vorprodukten für die Halbleiter-, Luft- und Raumfahrt- sowie die Automobilindustrie gute Karten hat und zunehmend bereit ist, US-Unternehmen Schmerzen zuzufügen", sagte Paul Triolo, China-Experte der Beratungsfirma Albright Stonebridge. "Das Risiko einer raschen Eskalation der US-chinesischen Spannungen ist nicht gering", erklärten die Experten der Investmentbank Jefferies.
Hohes Eskalationspotenzial
Konfliktpotenzial für einen ausgewachsenen Handelskrieg gibt es - auch abseits der zunehmenden geopolitischen Entfremdung - genug. Zuletzt hatten die USA unter anderem den Export von Hochleistungschips sowie von Maschinen für deren Produktion eingeschränkt - mit dem kaum verhohlenen Ziel, China und sein Militär von dem aktuellen Trend Künstliche Intelligenz (KI) abzukoppeln. Außerdem drängen westliche Regierungen Telekom-Konzerne wegen Sicherheitsbedenken dazu, auf den Einsatz von Komponenten chinesischer Hersteller wie Huawei in ihren Mobilfunk-Netzen zu verzichten.
Die ab August geplanten Rohstoffkontrollen sind nicht die erste Vergeltungsmaßnahme Chinas. So verbot Peking im Mai bestimmten Unternehmen und Organisationen den Einsatz von Chips des US-Herstellers Micron.
Auch wenn die bisher angekündigten Beschränkungen westliche Hersteller noch nicht vor unlösbare Probleme stellen, ist klar, dass eine weitere Eskalation - insbesondere bei weiteren Leichtmetallen und Seltenen Erden - erhebliche Auswirkungen hätte. Westliche Staaten verfolgen die Entwicklung entsprechend mit Sorge.
Riskante Abhängigkeiten
Schon seit Jahren ist die Strategie Chinas erkennbar, auch über seine eigenen bereits üppigen Ressourcen hinaus weltweit Produktionskapazitäten für seltene Metalle zu sichern, insbesondere in Afrika und Lateinamerika. Hier hat die Volksrepublik auch deshalb die Oberhand, weil ihre Explorationsprojekte weniger Rücksicht auf Umwelt- und Sozialstandards nehmen.
Ebenfalls schon seit Jahren werden im Westen die daraus resultierenden Abhängigkeiten diskutiert - geschehen ist bisher aber wenig bis gar nichts. Ende März etwa warnte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die EU beziehe ihr Lithium, ein unverzichtbarer Bestandteil von Batterien für die E-Mobilität, zu 97 Prozent aus China. Bei den für den Bau von Hightech-Komponenten etwa im Bereich erneuerbarer Energien gebrauchten Seltenen Erden verließ sich Deutschland zuletzt zu 92 Prozent auf Importe aus China.
"Wir arbeiten daran, die Versorgung mit kritischen und strategischen Rohstoffen langfristig zu sichern und problematische Abhängigkeiten zu reduzieren", erklärte nun Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium.
Kostenschub zu befürchten
Auch wenn einzelne Förderländer und Hersteller in Europa die drohenden Beschränkungen als Chance begreifen - effektive Exportbeschränkungen Chinas würden den westlichen Volkswirtschaften gravierende Probleme bereiten.
Die nun verstärkt diskutierte Substitution ist häufig möglich, in aller Regel aber nur um den Preis deutlich höherer Kosten oder Leistungseinbußen. Weichen die Unternehmen auf andere Rohstofflieferanten aus, die weniger kostengünstig und häufig auch in geringeren Volumina produzieren, erhöht das die Beschaffungskosten.
Gleichzeitig beäugen die Importeure außenpolitische Ziele teilweise mit Skepsis. So forderte der Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA), Abkommen dürften nicht "mit handelsfremden Themen wie Umwelt-, Klima- und Menschenrechts-Aspekten" überfrachtet werden. "Sonst werden immer weniger Länder Abkommen mit der EU abschließen wollen."
Silizium statt Germanium?
Auch die Rohstoffe selbst können in manchen Fällen mit anderen ersetzt werden, was allerdings häufig unerwünschte Leistungseinbußen mit sich bringt. Beispiel Germanium: Laut der Wissenschaftsbehörde US Geological Survey (USGS) lässt sich das Halbleitermetall teilweise durch Silizium ersetzen. Für Infrarot-Geräte sei Zinkselenid eine mögliche Alternative. Allerdings verschlechtere sich dadurch meist die Leistung.
Wo auch immer eine Substitution chinesischer Importe gelänge, wäre sie also - ähnlich wie im Fall russischer Rohstofflieferungen - meist wohl mit höheren Kosten verbunden. Das könnte zu einem neuen inflationären Schub führen, was in der augenblicklichen konjunkturellen Lage eine schwere Belastung wäre.