Rückzug westlicher Konzerne Moskaus Antwort auf den Firmen-Exodus
Viele große Konzerne verlassen Russland - und bringen Moskau damit in Bedrängnis. Der Kreml setzt auf Übernahmen, Parallelimporte - und auf Durchhalteparolen.
"Der AvtoVAZ-Konzern wird wieder vollständig russisch. Das Vermögen der Renault-Gruppe im Land ist in das Eigentum des Staates übergegangen", verkündete die Sprecherin der Wirtschaftsnachrichten mit Verweis auf das Ministerium für Industrie und Handel. Die Stadt Moskau übernimmt die Anteile von Renault Russia. Die Mehrheitsanteile am Hersteller AvtoVAZ gehen an ein staatliches Institut. "Der Konzern wird weiterhin die gesamte Lada-Palette in seinen Werken produzieren und sich auch weiter um den Kundendienst für Renault-Fahrzeuge in Russland kümmern", heißt es in dem Bericht weiter.
Was tun, wenn die Ersatzteile fehlen?
Der Rückzug großer Konzerne, so die gängige Argumentationslinie im Land, schade nur den westlichen Partnern, die einen großen Markt und ihre Investitionen abschreiben müssten. Nicht aber Russland, betont Parlamentssprecher Wjatscheslaw Wolodin in einem Interview mit der "Komsomolskaja Prawda". "Jetzt haben wir die Chance, unsere eigene national orientierte Wirtschaft zu schaffen. Wir sind kein Paria-Land. Wir haben viele Freunde in der Welt, viele Partner."
Partner, die dringend gebraucht werden: als Investoren, die einspringen, um die Arbeitsplätze in Russland auf Dauer zu erhalten. Und: als Zwischenhändler. Denn ohne sogenannte Parallelimporte von produktionswichtigen Teilen wird es in vielen Bereichen - auch in der Automobilbranche - nicht gehen. Ende März hat die russische Regierung verfügt, dass besonders nachgefragte Produkte aus ausländischer Produktion ohne Zustimmung der Hersteller über Dritte importiert werden können. Schon jetzt stehen auf der entsprechenden Liste diverse Waren internationaler Hersteller: von Haushaltsgeräten bis hin zu Ersatzteilen für Autos.
Und es dürften schon bald weitere hinzukommen. Denn auch der Rückzug von Siemens aus dem Russland-Geschäft werde Folgen habe, meint die unabhängige Wirtschaftsexpertin Natalia Subarewitsch. Vor allem für die Zugverkehr im Hochgeschwindigkeitsbereich: "Solange es noch Material für die Züge gibt, fahren sie. Aber wenn weitere Ersatzteile gebraucht werden, was tun wir dann?"
Rückfall in sowjetische Zeiten?
Es wird versucht, mehrgleisig zu fahren. Zum einen wird die Justiz bemüht. Eine einstweilige Verfügung sieht bereits vor, dass die russische Eisenbahn die gesamte Siemens-Technik weiter nutzen kann - inklusive aller Ersatzteile, die im Land sind. Zum anderen setzt Russlands Industrie- und Handelsminister Denis Manturow auch hier auf Importe über befreundete Drittstaaten und langfristig auf Ersatz aus russischer Produktion.
"Ich hoffe, dass unsere Unternehmen, die bisher an Siemens-Produkten interessiert waren, motiviert sein werden, im Land verfügbare Ressourcen und Angebote zu nutzen, um die Lieferung ihrer Produkte auf unseren Markt nicht einschränken zu müssen", so der Minister.
Der Wirtschaftsexperte Dmitrij Potapenko fühlt sich, wie er in der Sendung "Nawalny Live" erklärte, an sowjetische Zeiten erinnert: "Das heißt, wir folgen der gleichen Logik: Wir nehmen ein Muster, bauen es auseinander und versuchen, es auf irgendeine Weise nachzubauen."
Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin will in der Tat an alte Zeiten anknüpfen, um das Renault-Werk und den Automobilmarkt wieder in Schwung zu bringen. So sollen in Moskau noch in diesem Jahr wieder Autos der Traditionsmarke Moskwitsch vom Band laufen.