
Handelspolitik der USA Wem Zölle nutzen - und wem sie schaden
Dass US-Präsident Trump die Zölle so stark erhöht, wird einen Preis haben. Womit müssen Verbraucher rechnen? Wie groß könnte der Schaden sein für Europa - und für die USA selbst?
Amerikanische Zölle liegen generell einige Prozentpunkte unter europäischen Zöllen. Das zeigen Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Nicht nur die europäische Exportwirtschaft hat es in den Vereinigten Staaten bislang also leicht; insgesamt sind Zölle in den USA niedriger als in den meisten anderen Ländern.
Damit soll Schluss sein. Trotz eines Freihandelsabkommens hat die US-Regierung seit Dienstag alle Einfuhren aus Kanada und Mexiko mit 25 Prozent Einfuhrzoll belegt. Für die Europäische Union ist das für Anfang April angekündigt.
Es geht um Bourbon und Root Beer
Bereits vor sieben Jahren reagierte die EU auf einen Zollschock unter der ersten Trump-Regierung mit Gegenzöllen. Sie trafen Regionen, in denen Trumps Republikanische Partei stark war. Und sie betrafen Güter, die in Europa leicht durch lokale Produkte zu ersetzen waren: Whiskey, Jeans und Motorräder. Die Amerikaner ruderten zurück. Für Verbraucherinnen und Verbraucher hatte das wenig Auswirkungen.
Auch aktuell dürfte es kaum direkte Folgen für den privaten Konsum geben. Wenn die EU wieder mit Gegenzöllen reagieren sollte, empfiehlt es sich, die neue Harley Davidson schnell zu kaufen oder im Frühjahr auf BMW oder Honda umzusteigen. Europäische Läden amerikanischer Modemarken werden ohnehin zollarm aus Asien beliefert. Der Genuss von Root Beer könnte hingegen teurer werden.
Welche Volkswirtschaften besonders leiden
Zölle bremsen den Handel zwischen hochindustrialisierten Ländern und leiten Konsum um zu billigeren inländischen Angeboten. Schwierig wird es für Entwicklungs- und Schwellenländer, die nur geringes inländisches Angebot haben und ihre nötigen Einfuhren durch Exporte finanzieren müssen. Doch auch in Industrieländern ist die Wirkung spürbar - nicht so sehr im privaten Konsum, sondern für Produktion und Beschäftigung einzelner Unternehmen, Branchen und damit für die ganze Volkswirtschaft.
Das Kieler Institut für Weltwirtschaft geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt in der EU um rund ein halbes Prozent sinken würde, wenn die amerikanischen Zölle kämen. Bei einem Wachstum von nur 0,9 Prozent im vergangenen Jahr ist das eine Menge.
Warum amerikanische Zölle niedrig sind
Das derzeitige niedrige amerikanische Zollniveau wurde über Jahrzehnte aufgebaut. Mit geringen Zöllen haben die USA ihr Land für den Welthandel und damit für die Welt geöffnet. Und sie haben ihre eigene Wirtschaft angestachelt, Weltniveau zu erreichen.
Gleichzeitig wurde wirtschaftlich schwachen Ländern ermöglicht, nach Amerika zu exportieren und sich so aus Armut herauszuarbeiten. "Die USA waren als Hegemonialmacht mit einer starken Wirtschaft und als großer Verfechter des freien Handels bereit, ihre Zölle niedriger zu setzen als viele Partnerländer" fasst das IW zusammen.
Die amerikanische Leistungsbilanz
2023 haben die USA laut amerikanischer Statistikbehörde BEA Güter im Wert von 3.100 Milliarden Dollar importiert und nur für 2.000 Milliarden Dollar exportiert. Das zeigt: Die Welt verkauft viel in Amerika und kauft dort weniger. Es geht um hochspezialisierte Industrieprodukte wie Autos, Konsumgüter und Maschinen. Nach BEA- Daten lieferte die EU im Jahr 2023 Waren für 580 Milliarden Dollar in die USA, nahm aber nur Güter im Wert von 380 Milliarden ab.
Zölle wirken auf den Warenverkehr. Die Leistungsbilanz zwischen Ländern wird aber auch von Dienstleistungen bestimmt und von Direktzahlungen, etwa aus Investitionen, Versicherungszahlungen, Überweisungen von Ausländern und Entwicklungshilfe.
Diese Faktoren gleichen die Unwucht im Warenverkehr zwar nicht aus; sie relativieren sie aber. Wegen des Geschäfts amerikanischer Internetriesen wurden 2023 nach Angaben der Statistikbehörde Eurostat 110 Milliarden Euro mehr aus der EU nach Amerika überwiesen, als zurückkam. Auch das Geschäft marktbeherrschender amerikanischer Investmentbanken schaufelt Jahr für Jahr Milliarden in die USA.
Was kommt auf Europa zu?
US-Präsident Trump hat zwar hohe Zölle für das Warengeschäft mit Europa angekündigt; es ist allerdings unklar, ob das tatsächlich umgesetzt wird. Es könnte auch nur ein taktisches Manöver sein, um Verhandlungspartner zu verschrecken.
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat kalkuliert, dass ein allgemeiner hoher Zoll Europa jährlich um einen dreistelligen Milliardenbetrag schädigen könnte. Wenn am Ende aber nur herauskommt, dass niedrige US-Zölle auf das nicht ganz so niedrige europäische Niveau gehoben würden, käme die EU mit einem blauen Auge davon, schreibt das IW.
Segen und Fluch von Zöllen
Wenn inländische Branchen vergleichsweise schwach sind, können sie mit Zöllen vor starker ausländischer Konkurrenz geschützt werden - idealerweise, bis diese Branchen sich den Anschluss ans Weltniveau erarbeitet haben. Oft erlahmt aber auch das Interesse an Modernisierung, wenn sich Volkswirtschaften dauerhaft abschotten.
Das hohe Zollniveau von Indien ist ein Beispiel für beides: Millionen schlecht ausgebildeter Arbeiter bleiben in Lohn und Brot. Gleichzeitig hinken zahlreiche Branchen in Indien hinterher. Sie produzieren ineffektiv und teuer, was auf Kosten des gesamten Wohlstands im Lande geht.
Zölle steuern Wirtschaftsentwicklungen. Kleine Pritschenlaster ("Pick-Up Trucks") aus dem Ausland sind von jeher in den USA mit 25 Prozent zu verzollen. Dieser hohe Zoll schützt die inländische Wirtschaft. Ford, General Motors und Chrysler (Stellantis) verdienen mit ihren oft einfachen und in Amerika sehr beliebten Kleinlastern viel Geld. VW zog die Konsequenz und baut Pick-Ups direkt in den USA.
Die Angst der Autoindustrie
Die deutsche Autoindustrie zittert am meisten vor der Zoll-Drohung. Zwar produzieren Mercedes, BMW, VW und Co. schon lange in den USA, aber noch immer ist die Handelsbilanz für Autos zwischen Deutschland und den USA extrem schief. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden vergangenes Jahr aus Deutschland "Landfahrzeuge" im Wert von 34 Milliarden Euro nach Amerika verschifft und für acht Milliarden Euro eingeführt.
Wegen der Bedeutung des Hafens Rotterdam kann der Im- und Export von Autos mit den Niederlanden addiert werden. Das führt nicht zu exakten Zahlen, aber zu einer plausiblen Näherung - mit demselben Ergebnis: Der Export ist gut viermal so groß wie der Import. Für Porsche ist Nordamerika der größte Markt. Mehr als jeder vierte Porsche aus deutschen und slowakischen Fabriken fährt über den Atlantik.
Industrieländer sind verflochten
Porsche und Harley-Davidson sind Sonderfälle. Kompliziert herzustellende und deshalb teure Waren werden nur noch ausnahmsweise in einem Land hergestellt und von dort in alle Welt verkauft. Seit Jahrzehnten haben Industriestaaten weltweite Produktion, internationale Zulieferer und enge Verbindungen über Ländergrenzen hinweg aufgebaut. Halbfertige Güter werden von einer Fabrik zur nächsten geschoben. Diese Beziehungen sind effektiv und billig und ermöglichen es bevölkerungsreichen Ländern, sich einzuklinken.
Wie sehr Zölle das behindern können, zeigt eine Datensammlung der Bundesbank. Von den Gütern im Wert von 160 Milliarden Euro, die 2023 aus Deutschland in die USA exportiert wurden, geht ein Fünftel auf das Konto von grenzüberschreitendem Verkehr, bei dem in Deutschland und Amerika derselbe Eigentümer stand. Wenn darauf 25 Prozent Zoll zu zahlen wären, stiegen die Kosten für diese internationalen Produzenten um sieben Milliarden Euro im Jahr. Sollte die EU mit gleichen Gegenzöllen reagieren, wäre es noch drastischer: Von 95 Milliarden Euro Importen nach Deutschland aus den USA lief ein Drittel ohne Eigentumswechsel. Bei 25 Prozent Gegenzoll würde das die Kosten um weitere acht Milliarden Euro erhöhen.
Die USA sind von diesen Effekten weltweit am meisten betroffen. Der Internationale Währungsfonds veröffentlicht einen "Index für Innovation und wirtschaftliche Integration". Israel steht an der Spitze, gefolgt von vier europäischen Ländern (einschließlich Deutschland), drei asiatischen und eben den USA. Weil die USA die größte unter den am meisten vernetzten Volkswirtschaften ist, kann es sie am meisten treffen, wenn das Netz Risse bekommt.