Migrationsabkommen Tunesiens Präsident lehnt EU-Finanzhilfen ab
Steht das Migrationsabkommen zwischen Tunesien und der EU vor dem Aus? Nachdem vor einigen Wochen einer EU-Delegation die Einreise in das nordafrikanische Land verweigert wurde, lehnt Präsident Saied jetzt EU-Gelder als "Almosen" ab.
Tunesien hat von der EU-Kommission angekündigte Finanzhilfen in Millionenhöhe abgelehnt, die dem Land beim Kampf gegen irreguläre Migration helfen und dessen Haushalt stabilisieren sollen. Tunesien "nimmt nichts an, was Gnaden oder Almosen ähnelt", sagte Präsident Kais Saied bei einem Treffen mit Außenminister Nabil Ammar.
"Tunesien lehnt ab, was die Europäische Union in den vergangenen Tagen angekündigt hat", sagte Saied laut Mitteilung des Präsidialamts bei Facebook. "Nicht wegen der geringen Summe", sondern weil der Vorschlag im Widerspruch stehe zur zuvor unterzeichneten Absichtserklärung zwischen Tunesien und der EU. Worin Tunis genau einen Widerspruch sieht, wurde nicht genannt.
Der Nachrichtenseite "Politico" zufolge sollen Vertreter der Regierung in Tunis sich aber verärgert gezeigt haben über EU-Abgeordnete, die Rückschritte mit Blick auf die Demokratie in Tunesien kritisiert hatten. Saied regiert dort Kritikern zufolge in zunehmend autoritärem Stil.
127 Millionen Euro für Wirtschaft und Migration
Die EU-Kommission hatte vor gut einer Woche angekündigt, Tunesien rund 127 Millionen Euro auszuzahlen, um die Migration über das Land zu verringern und die schwächelnde Wirtschaft anzukurbeln. Rund 67 Millionen Euro davon sollen im Zusammenhang mit einer umstrittenen Migrationsabsprache bereitgestellt werden. Dazu kommen noch 60 Millionen Euro Haushaltsunterstützung, damit sich das Land von der Corona-Krise erholt.
Tunesien ist eines der Haupttransitländer für Flüchtlinge aus Afrika mit Ziel Europa. Mit den Äußerungen Saieds mehren sich Zweifel, ob das umstrittene Abkommen zur Migration zwischen Brüssel und Tunis weiter Bestand haben wird.
Zweifel am Migrationsabkommen
Im Rahmen einer entsprechenden Absichtserklärung vom Juli soll Tunesien Finanzhilfen von bis zu 900 Millionen Euro erhalten und im Gegenzug stärker gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorgehen. Die EU-Kommission will damit erreichen, dass weniger Schleuserboote über Tunesien nach Italien kommen.
An dem Abkommen kamen auch Zweifel auf, als Tunesien einer Delegation des Europäischen Parlaments Mitte September die Einreise verweigerte. Dieses Verhalten sei "beispiellos" seit der Revolution in Tunesien von 2011, teilte die Delegation anschließend mit. Eine Begründung für den Schritt gab es von tunesischer Seite nicht.
Vergangene Woche hatte Saied dann den geplanten Besuch einer Delegation der Europäischen Kommission nach Tunesien verschoben. Bei dem Treffen hätten Details des Migrationsabkommens erörtert werden sollen.
Tausende Migranten von Tunesien nach Lampedusa
In den vergangenen Monaten waren Tausende Menschen aus Afrika ohne Papiere in die tunesische Stadt Sfax gekommen, um von dort aus mit Booten nach Europa zu gelangen.
Allein auf der italienischen Insel Lampedusa kommen seit Wochen täglich Hunderte Menschen in überfüllten Booten an. Die Mittelmeerinsel liegt nur rund 140 Kilometer östlich der tunesischen Küste.