Hamas-Überfall Das Gedenken an den 7. Oktober spaltet Israel
In Israel ist ein Streit um den Jahrestag des 7. Oktober entbrannt. Die Regierung will mit einer Zeremonie an das Massaker erinnern. Viele Überlebende und Geiselangehörige wollen die Veranstaltung jedoch boykottieren.
Ein leichter Wind macht die Nachmittagshitze etwas erträglicher im Kibbuz Nahal Oz. Matan Weiss steht im Schatten vor dem Gemeinschaftszentrum, einem hellen Betonklotz. Zahlreiche Einschusslöcher erinnern an den Überfall der Hamas vom 7. Oktober 2023. Etwa 450 Menschen lebten damals hier.
Matan Weiss war an jenem Samstag zufällig nicht da. Nun ist er einer von 30, die zurückgekehrt sind nach Nahal Oz. Auf die Frage, wie es ist, wieder hier zu sein, antwortet er: "Ein kaltes, ausgehöhltes Gefühl."
Es falle ihm schwer, keine herum rennenden Kinder oder Familien zu sehen. "Einerseits tut es gut, wieder zu Hause zu sein und andererseits hat es sich verändert. Und ohne unsere Geiseln fühlt es sich auch nicht wie ein Zuhause an."
Bewohner befürchten politische Instrumentalisierung
Wenn der Staat Israel am 7. Oktober mit einer zentralen Gedenkveranstaltung an den Terrorüberfall erinnert, werden der Kibbuz Nahal Oz und einige andere überfallene Ortschaften nicht offiziell vertreten sein. Die Bewohner fürchten von einer Regierung instrumentalisiert zu werden, mit deren Handlungen sie nicht einverstanden sind.
Matan formuliert es so: "Diese Zeremonie kommt auch von den Menschen, die an diesem Tag, dem 7. Oktober, im Amt waren. Die noch immer die gleichen Ämter bekleiden und diesen Tag noch immer nicht untersucht haben." Jetzt eine staatliche Zeremonie auszurichten, nach dem Motto "es gab dieses Ereignis und jetzt müssen wir es in Erinnerung halten", sei merkwürdig, sagt er.
"Wir müssen uns an nichts erinnern, was noch immer geschieht. Uns wäre es lieber, wenn die Regierung den ganzen Aufwand, den sie in diese Zeremonie steckt, lieber in die Verhandlungen für die Rückkehr unserer Geiseln stecken würde."
Schwere Vorwürfe an Premier Netanyahu
Der Regierung im Allgemeinen und Premierminister Benjamin Netanyahu im Besonderen wird vorgeworfen, zu wenig für die Freilassung der Geiseln zu tun und auch kein Interesse an einer Untersuchung möglichen staatlichen Fehlverhaltens im Zusammenhang mit dem 7. Oktober zu haben.
Etwa 100 frei gelassene Geiseln, Angehörige von Entführten und Überlebende des Terrorangriffs verlangten in einem offenen Brief die Absage der staatlichen Gedenkveranstaltung und untersagten jede Verwendung von Namen oder Bildern von Geiseln oder Todesopfern.
Doch die Regierung Netanyahu hält an der geplanten Veranstaltung fest und lehnte einen Vermittlungsversuch von Staatspräsident Herzog ab. Er hatte sich als alternativer Veranstalter angeboten.
"Lasst uns an diesem Tag gemeinsam weinen"
Die Kleinstadt Sderot, die ebenfalls von den Terroristen der Hamas überfallen wurde, wird offiziell an der zentralen Gedenkveranstaltung teilnehmen. Shlomi, Inhaber eines Spielwarenladens in Sderot, hält das für richtig.
"Ich, als jemand, der hier lebt und das, was am 7. Oktober geschehen ist, miterlebt hat, sage: Es reicht! Wir haben eine Regierung, die von einer demokratischen Mehrheit gewählt wurde und sie trägt die Verantwortung für Zeremonien. Lasst die Leute, die in der Regierung sitzen, entscheiden und lasst uns an diesem Tag gemeinsam den Kopf senken, weinen und vereint sein."
Diskussion zeigt die Spaltung der Gesellschaft
Der Streit um die Gedenkveranstaltung verläuft entlang des Grabens zwischen rechts und links in der weiterhin gespaltenen jüdisch-israelischen Gesellschaft, spiegelt die Lagerbildung in "für oder gegen Netanyahu" wieder. Matan Weiss im Kibbuz Nahal Oz bedauert das.
"Es ist sehr traurig, dass die Diskussion in diese Richtung geht. Mich persönlich lässt es auch etwas verzweifeln", sagt Weiss. Hier gehe es nicht um Politik. In den Tagen nach dem 7. Oktober habe es das Gefühl der Einheit, des "Zusammen Siegens" gegeben. Und auf einmal sei es umgekippt in ein "Wir siegen gemeinsam, vorausgesetzt ihr tut, was wir wollen".
Am 7. Oktober wird es nun wohl zwei größere Gedenkveranstaltungen geben - die der Regierung und eine unpolitische in einem Park in Tel Aviv.