Biden-Auftritt unter Beobachtung Keine Katastrophe, aber auch keine Vision für die Zukunft
Seit Tagen gibt es im US-Wahlkampf nur ein Thema: Wäre Präsident Biden einer weiteren Amtsperiode gewachsen? Bei einer scharf beobachteten Pressekonferenz erreicht er das Minimalziel.
Es war Joe Bidens erste Solo-Pressekonferenz seit Monaten. Der US-Präsident wollte der Presse, den Parteifreunden und vor allem den Wählerinnen und Wählern beweisen, dass er fit genug und der Richtige ist für weitere vier Jahre im Amt.
Biden schlug sich solide, mehr aber auch nicht
Die Hürde für Joe Biden lag extrem niedrig - und er hat sie übersprungen. Auch bei dieser Pressekonferenz hat der US-Präsident zwar mehrfach Sätze nicht zu Ende gebracht und stattdessen mit einem "anyway" abgehackt; aber so richtig den Faden verloren hat er nicht. Und: Trotz mehrerer verbaler Stolperer wirkte er insgesamt deutlich kraftvoller und konzentrierter als im TV-Duell mit Donald Trump.
Für Häme vom politischen Gegner sorgten zwei Namensverdreher. "Ich hätte mich nicht für Vice President Trump entschieden als meine Vizepräsidentin, wenn sie nicht für das Amt des Präsidenten qualifiziert gewesen wäre."
Ein Namensverdreher, der jedem passieren kann. Doch Biden passierte kurz zu vor noch einer. Bei einem Termin zur Ukraine nannte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj "Putin". Biden korrigierte sich zwar umgehend - aber dieser Versprecher lief anschließend prominent in allen Nachrichten.
Außenpolitik ist sein sicherstes Terrain
Am sichersten wirkte Biden, wenn er über Außenpolitik reden konnte. Ukraine, NATO, China, Russland, Gaza - Biden kann offenbar stundenlang über internationale Sicherheit sprechen und hatte bei dieser Pressekonferenz auch die Fakten parat. Schließlich war er im Senat viele Jahre Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses gewesen. Aber Wahlen in den USA werden traditionell nicht mit außenpolitischen Themen gewonnen und bei anderen Themen wirkte er wackeliger.
Und: Viele von Bidens Antworten mäanderten minutenlang dahin. Aber auch das wäre vermutlich ebenso wenig ein Thema wie die Namensverdreher, wenn Biden nicht ob seines Alters ohnehin schon unter so großer Beobachtung stünde.
Viel Eigenlob, aber keine Vision
Biden nutzte mehrere Gelegenheiten, ohne danach gefragt worden zu sein, um Erfolge seiner Regierung hervorzuheben: zum Beispiel bei der Inflationsbekämpfung und auf dem Arbeitsmarkt.
Aber er verpasste es, eine Vision für die Zukunft zu entwickeln. Für viele Wählerinnen und Wähler dürfte aber für ihre Entscheidung der Blick nach vorn noch entscheidender sein als der Blick zurück.
Es war auch hier so, dass Biden viele seiner Wahlkampfbotschaften nicht griffig vortragen konnte. Selbst bei seinen Kritikern kamen die in den anschließenden Interviews deutlicher und pointierter herüber, ähnlich wie nach der TV-Debatte. Es ist ein Problem für eine Partei, wenn der Spitzenkandidat die Punchlines nicht treffsicher setzen kann.
Die kritischen Stimmen werden mehr
Direkt nach der PK kamen weitere Demokraten aus der Deckung und forderten Biden auf, sich zurückzuziehen. Viele wollen offenbar nicht länger bei jedem seiner Auftritte den Atem anhalten und die Daumen drücken, dass es doch noch einmal gut geht.
So sagte ein Abgeordneter, man stelle sich vor, Biden habe kurz vor der Wahl noch einmal so einen Auftritt wie im Duell: "Wollen Sie das Risiko eingehen? Ich nicht."
Diese Demokraten wollen den Fokus wieder auf Trump und dessen - wie sie es sehen - Bedrohung für die amerikanische Demokratie richten. Sie haben es satt, dass stattdessen schon seit Tagen nur über Bidens Gesundheitszustand diskutiert wird.
Mischen sich in Bidens Entschlossenheit auch neue Töne?
Biden sagte während der Pressekonferenz mehrfach: "Ich bin der am besten qualifizierte Kandidat." Aber während er im letzten Interview noch davon sprach, nur der "god almighty" können ihn von einem Verzicht überzeugen, waren diesmal bei aller Entschlossenheit auch leicht andere Töne zu hören.
So gab er zu, dass er noch mehr tun müsse, um bestehende Sorgen zu zerstreuen. Und er sagte: "Auch andere können Trump schlagen", auch wenn es "schrecklich schwer wäre, von Null zu starten".
Und an anderer Stelle sprach Biden über die Delegierten auf dem Parteitag und betonte: "Sie können tun, was immer sie wollen." Wenn sie jemand anderen wählen wollen würden, dann sei das "der demokratische Prozess". Doch - so schob er umgehend und in beschwörendem Flüsterton hinterher: "Aber das wird nicht passieren." Zumindest für heute überwiegt also offenbar die Entschlossenheit.