Malta übernimmt Ratspräsidentschaft Kleines Land, große Ambitionen
Malta - der kleinste EU-Mitgliedsstaat - schmiedet große Pläne: Das Land hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne und will beim Thema Flüchtlinge und Brexit klare Linien vorgeben. Ein Blick auf die Ziele, die sich Malta gesetzt hat.
Von Sebastian Schöbel, ARD-Studio Brüssel
Das kleine Malta übernimmt zum ersten Mal die EU-Ratspräsidentschaft und soll gleich zwei der größten Herausforderungen in der EU-Geschichte bewältigen: die Flüchtlingskrise und den Start der Brexit-Verhandlungen.
Ein schwieriges politisches Umfeld für Malta. Umso erstaunlicher ist der furiose Start der maltesischen Regierung. Im Europaparlament stellte Maltas Premierminister Joseph Muscat sein Programm vor - und zeigte dabei klare Kante, auch gegenüber seinen europäischen Amtskollegen. Der Ton, den Muscat anschlägt, lässt aufhorchen: Zunächst lobt er EU-Kommission und Parlament ausdrücklich für deren Lösungsvorschläge und Forderungen bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Dann wendet er sich dem Europäischen Rat, also der Vertretung der Mitgliedsländer, zu: "Es ist diese Institution, die ich hier vertrete, die blockiert. Deswegen werde ich ihre Zeit nicht mit denselben Plattitüden verschwenden, die so oft bemüht wurden: Über die Nutzung all unserer Möglichkeiten und einer langfristigen Strategie."
Reformen bei Flüchtlingsverteilung und Asylsystem
Das drängendste Problem ist aus Sicht Muscats die mangelhafte Solidarität der EU-Länder untereinander bei der Verteilung der Flüchtlinge, die schon da seien - und von denen im Frühjahr noch mehr kommen würden. Deswegen habe er für die maltesische Ratspräsidentschaft klare Ziele: die bessere Verteilung von Flüchtlingen, die Reform des europäischen Asylsystems und den Aufbau von Migrationspartnerschaften mit Ländern in Afrika - so wie es schon Ende 2015 in Valletta, Maltas Hauptstadt, beschlossen wurde.
Muscats Blaupause dafür ist das EU-Türkei-Abkommen. Zunächst müsse den Schleppern das Handwerk gelegt werden, um die gefährlichen Überfahrten zu stoppen, erklärt der 42-Jährige. "Und dann sollte die EU humanitäre Korridore schaffen, um anerkannte Asylbewerber sicher nach Europa zu bringen", fordert der Premier weiter. Was allerdings auch bedeuten würde, dass diese Asylbewerber außerhalb der EU ihr Verfahren durchlaufen müssten, in Auffanglagern.
Pläne könnten für Disput sorgen
Eine Idee, mit der Muscat für Diskussionen im EU-Parlament sorgen dürfte. Dennoch: Maltas junger Premier spricht deutlich leidenschaftlicher über das Thema Flüchtlinge als etwa sein slowakischer Amtskollege Robert Fico, dessen Land zuletzt die Ratspräsidentschaft innehatte, und das zu eben jenen vor allem osteuropäischen Blockierern bei der Verteilung gehört, die Muscat so scharf kritisiert.
Vermutlich auch aus einem Gefühl der moralischen Überlegenheit heraus: Malta gehört zu den wenigen Ländern, das Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufnimmt und dessen Küstenwache regelmäßig Menschen aus Seenot rettet.
Brexit - fair, aber mit klarer Kante
Auch beim zweiten großen Thema, dem Brexit, präsentiert Muscat die sehr spezielle, maltesische Perspektive: "Es ist schon die Ironie der Geschichte, dass Malta, das zweihundert Jahre lang britische Kolonie war, nun die Europäische Ratspräsidentschaft übernimmt, während Großbritannien den Austritt aus der EU beginnt - einer EU, der wir mit britischer Hilfe beigetreten sind."
Auf maltesisches Entgegenkommen sollte sich London bei den anstehenden Verhandlungen allerdings nicht einstellen, wie Muscat klarstellt. Es werde zwar einen fairen Deal mit Großbritannien geben. "Aber er wird schlechter sein als die EU-Mitgliedschaft selbst", stellt Muscat klar. Und an den Grundpfeilern der EU, vor allem an der Freiheit des Güter-, Dienstleistungs- und Warenverkehrs sowie der Freizügigkeit der EU-Bürger, werde nicht gerüttelt, verspricht Muscat.
Malta stand zuletzt im Verdacht, eventuell zu pro-britisch in den anstehenden Verhandlungen aufzutreten. Wenige Wochen, nachdem Großbritannien den EU-Austritt offiziell macht, soll es zudem einen Sondergipfel der EU-Regierungschefs geben, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
Große Fortschritte in der Flüchtlingspolitik und Unnachgiebigkeit in Sachen Brexit: Malta, das kleinste Mitgliedsland der EU, hat Europa eine ambitionierte Agenda für die kommenden sechs Monate vorgelegt.