Baerbock und Heil in Südamerika Die doppelte Charmeoffensive
Außenministerin Baerbock und Arbeitsminister Heil reisen nach Brasilien und Kolumbien. Neben dem Umgang mit China und Russland wird es auch um Fachkräfte gehen. Doch der Besuch stößt nicht nur auf Gegenliebe.
Am Anfang stand noch viel Optimismus: Brasilien ist wieder zurück auf der politischen Weltbühne, jubelte der Kanzler Anfang des Jahres. "Ihr habt gefehlt", erklärte Scholz zuletzt bei seinem Brasilien-Besuch. Mit dem Sieg von Lula da Silva bei der Präsidentenwahl gegen den Rechtspopulisten Jair Bolsonaro wähnte Deutschland wieder einen wichtigen Partner an seiner Seite zu haben. Vor allem innerhalb der SPD sah man den 77-jährigen Lula als "Bruder im Geiste".
Doch als Scholz auf Lula traf, zeigte dieser "Bruder" ihm vor allem die kalte Schulter. Im Ukraine-Konflikt widersprach Lula dem Kanzler, der Russland die Verantwortung am Krieg gibt. Auch die Ukraine sei schuld am Krieg, stellte der brasilianische Präsident klar. Brasilien wolle keinerlei Beteiligung am Krieg - auch nicht indirekt. Dem Herzensprojekt des Kanzlers, dem Klimaclub, will Lula nicht beitreten und auch das deutsche Lieferkettengesetz stieß bei ihm auf Ablehnung. Danach dürfen Produkte aus Brasilien in Deutschland nur eingeführt werden, für deren Herstellung nachweislich kein Regenwald abgeholzt wurde.
Brasilien ist kein einfacher Partner
Unter diesen Vorzeichen reisen nun Außenministerin Baerbock und Arbeitsminister Heil in die Region und wissen sehr wohl, wie schwierig manche Gespräche werden können. Es ist die erste Lateinamerika-Reise der Außenministerin und es wird einige Themen geben, bei denen in den Gesprächen viel Fingerspitzengefühl gefragt ist. Vor allem der Umgang mit China und Russland wird der Außenministerin ein Anliegen sein. Im Vergleich zu Kanzler Scholz tritt sie China gegenüber härter auf - wissend, dass China auch ein wichtiger Handelspartner ist.
Brasilien hingegen nähert sich China immer stärker an. So ist Lula zuletzt mit einer großen Wirtschaftsdelegation nach Peking gereist und hat nach eigenen Angaben 15 Abkommen im Bereich Handel, Finanzen, Wissenschaft und Raumfahrt abgeschlossen. Der brasilianische Präsident sieht China auch als wichtigen Partner, im Ukraine-Krieg zu vermitteln. Beide Länder haben jeweils eigene Initiativen für ein Ende der Gewalt vorgelegt. So strebt Brasilien die Bildung einer Gruppe von Staaten an, die im Konflikt vermitteln sollen.
Auf der Suche nach Fachkräften für Deutschland
Umso mehr wird Baerbock der Spagat gelingen müssen - zwischen Diplomatie und klaren Positionen. Das will sie vor allem mit positiven Erzählungen schaffen, wie zum Beispiel der Fachkräfte-Strategie der Bundesregierung und wie die Region davon profitieren kann. "Brasilianische Pflegekräfte und kolumbianische Elektriker finden in Deutschland bereits offene Arme", sagte Baerbock vor dem Abflug. "Diese Partnerschaft wollen wir ausbauen."
Das Arbeitskräftepotenzial in Brasilien ist groß, meint man in der Bundesregierung, die Hürden aber auch. Baerbock wird in ihrer Rolle als Außenministerin erklären, wie diese Fachkräfte leichter mit Visa nach Deutschland kommen können und vielen die Angst nehmen müssen vor der deutschen Bürokratie. "Als Bundesregierung haben wir uns vorgenommen, die Einwanderungspolitik vom Kopf auf die Füße zu stellen, denn unsere Wirtschaft braucht dringend mehr Fachkräfte", sagte sie.
Arbeitsminister Heil wird dafür werben, warum es sich lohnt, nach Deutschland zu kommen - fernab von Sprachbarrieren und der Heimat. "Hier können wir eine klassische Win-Win-Situation schaffen, bei der alle profitieren", sagt der SPD-Politiker im Vorfeld der Reise zu tagesschau.de. "Deutschland bekommt qualifizierte Fachkräfte, auch in besonders vom Fachkräftemangel betroffenen Branchen wie der Pflege. Brasilien profitiert, etwa indem wir uns in der Ausbildung vor Ort engagieren, und die Menschen, die zu uns kommen, können ihren erlernten Beruf ausüben."
Doch vor Ort, in Brasilien, gibt es durchaus Vorbehalte. So beschwert sich so manche Gewerkschaft, dass sie nicht in solche Verhandlungen eingebunden sei. Viele Fragen seien offen. Die Angst vor einem Brain-Drain, also die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, ist nicht kleinzureden.
Besuch im Regenwald
Ein weiteres Signal will die Außenministerin mit einem Besuch in Bélem setzen, am Rande des Amazonas. Ein Besuch im Regenwald könnte so nochmal zeigen, wie sehr die Bundesregierung die Klimaschutzpläne Brasiliens unterstützt, eine weitere Abforstung des Regenwaldes zu verhindern. Zuletzt hatte Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze 200 Millionen Euro Soforthilfe für den Regenwald in den ersten 100 Tagen der Lula-Regierung versprochen. Doch wie realistisch ist die versprochene "Null-Abholzungs-Strategie" bis 2030 der brasilianischen Regierung? Wie sieht es in der Realität aus? Fragen, die Außenministerin Baerbock vor Ort stellen wird.
"Ohne Lateinamerika werden wir die Klimakrise nicht eindämmen", sagte sie vor dem Abflug und machte zugleich deutlich: "Am Amazonas geht jede Minute Regenwald auf einer Fläche von drei Fußballfeldern in Rauch auf oder fällt den Kettensägen zum Opfer. Das hat Folgen für uns alle." Deshalb teile die Bundesregierung "die Ambitionen der brasilianischen Regierung, den Waldanrainern wirtschaftliche Perspektiven zu bieten - nicht gegen den Wald, sondern mit ihm."
Von Brasilien aus wird Baerbock weiterreisen nach Kolumbien und Panama, dann ohne Arbeitsminister Heil. Baerbock will die Beziehungen zu beiden Staaten intensivieren - vor allem mit Blick auf weitere Handelsbeziehungen mit der Region.